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U60311-Prozess

Noch ein Zeuge mit Erinnerungslücken

Der U60-Prozess ist wieder aufgenommen worden. Die Angeklagten: drei Türsteher des Technoclubs, die einen Gast totgeschlagen haben sollen. Jetzt sagte wieder ein erinnerungsschwacher Augenzeuge aus.
Aufgrund „mangelnder Beweise“ ist das Urteil aus dem Jahr 2011 gegen die drei Frankfurter Türsteher des Clubs U60311 nicht mehr gültig. Sie sollen einen englischen Besucher totgeschlagen haben und waren eigentlich schon zu fünf, neun und elf Jahren Haft verurteilt worden – ein anderer wurde damals zu Bewährung verurteilt. Nun läuft ein neuer Prozess gegen sie.

Nachdem schon ein Polizist ausgesagt hatte, der in der Tatnacht ermittelte, ist am Dienstag ein Diskobesucher verhört worden. Eines hatten die beiden Zeugen gemeinsam: große Erinnerungslücken.

„Der Club ist mir schon am Anfang zwielichtig vorgekommen. Vier Türsteher – sonst steht am Eingang von Clubs nur einer, in Wien zumindest“, sagt der Zeuge aus Österreich. In seinen Aussagen wirkt er bedacht. Er nimmt sich Zeit zum Überlegen, wenn ihm eine Frage gestellt wird und gesteht oft ein: „Daran kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Eine Antwort wäre Mutmaßung.“ Er war in der Tatnacht eher zufällig als Besucher in die Diskothek U60311 gekommen: Nach einem Geschäftsabschluss habe er mit einer Gruppe den Erfolg gefeiert. Er hat den Tathergang von Beginn an beobachtet.

Er erkennt den Angeklagten Athanassios G. im Gerichtssaal als den „mit der Lederjacke“ wieder. Zwischen ihm und dem Opfer, dem „Gast mit dem karierten Hemd“, sei es zum Gerangel gekommen. Dann sei ein Türsteher dazu gekommen und habe sofort für „den mit dem Ledermantel“ unterstützt. Der Zeuge habe sich gewundert, warum der Türsteher einen der beiden Streitenden angegangen sei: „Ich habe nicht verstanden, warum nur für einen der beiden Partei ergriffen wurde.“ Erst später kam dem Österreicher die Vermutung, dass der Mann „mit der Lederjacke“ auch ein Türsteher, ein Freund oder Stammgast sein musste.

Der Gast sei von dem Dazugekommenen zu Boden geschlagen worden, dann habe ihn dieser um die acht Mal ins Gesicht geschlagen: „Er war aber nach dem ersten oder zweiten Schlag schon bewusstlos. Zuerst hat er noch Abwehrreaktionen gezeigt und die Hände hochgehalten. Dann hingen sie schlaff herunter. Der Schläger war schnell. Er wusste, wie man jemanden zu Boden bringt.“

Der Zeuge wird immer wieder mit seinen Aussagen aus der ersten Verhandlungsreihe konfrontiert. Vieles davon weicht leicht von seinen jetzigen Aussagen ab. Der Vorsitzende fragt, ob sich der Zeuge über die aktuelle Aussage auch sicher sei. Der Österreicher sagt dazu: „Es ist verdammt schwer, nach drei Jahren etwas mit hundertprozentiger Sicherheit zu sagen. Kann man denn zwischen tatsächlicher Erinnerung und den Gedanken, die man sich im Laufe der Zeit dazu macht, wirklich unterscheiden?“ Der Vorsitzende weiß dazu nichts zu sagen.

Der Zeuge gibt an, in der Tatnacht viel getrunken zu haben, das Licht in der Diskothek sei schummrig gewesen. Dennoch ist er sich sehr sicher, was er gesehen hat: Das Gerangel am Anfang, das brutale Einschlagen eines Türstehers auf den bewusstlosen Gast und das Herausschleifen des Opfers durch die Türsteher. Der Vorsitzende will wissen, was danach geschehen ist. „Ich dachte mir ‚Hier will ich nicht mehr bleiben‘ und bin gegangen. Aus Angst. Ich bin draußen am Opfer vorbei, ein Türsteher stand teilnahmslos bei ihm. Ich empfinde Scham dafür, dass ich einfach weg bin“, sagt der Zeuge.

Nachdem er aus dem Verhör entlassen wird, trägt der Vorsitzende einige positive Entwicklungen von Ömer H. vor. Er habe etwa einen Bediensteten der Justizvollzugsanstalt unterstützt, als es zum Eklat zwischen zwei anderen Häftlingen kam und sei schlichtend eingeschritten.
Eine Jugendgerichtshelferin berichtet über die Lebensgeschichte des Angeklagten Singh S.: Dieser habe von klein auf Gewalt in der Familie erlebt. Bei seiner Tat sei er knapp 20 Jahre alt gewesen. Er habe keine abgeschlossene Berufsausbildung gehabt und noch nicht autonom leben können. Diese noch nicht abgeschlossene psychosoziale Entwicklung spreche für eine mildernde Haftstrafe. Aussagen gegen einen Beamten im Gefängnis wie: „Dein Name ist genauso hässlich wie dein Gesicht aussehen wird, wenn ich mit dir fertig bin“ oder „Schau mal in meine Akte, warum ich hier bin, ich weiß wie du heißt und finde dich“, verglich die Jugendgerichtshelferin mit Beschimpfungen, die „jugendtypisch“ seien. Wenn Singh S. aus der Haft entlassen wird, würde er gerne eine Ausbildung in der Lager- und Logistikbranche oder zum Fitnesskaufmann machen. Ins Sicherheitsgeschäft wolle er nicht mehr.

Zwei weitere Zeugen waren zu diesem Termin nicht erschienen. Sie müssen ein Ordnungsgeld von je 300 Euro bezahlen. Der nächste Termin ist für den 11. Juni angesetzt.
 
5. Juni 2014, 12.00 Uhr
Lisa Stein
 
 
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