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Türsteher vor Gericht

U60311: Der Prozess

Wer kann sich noch erinnern, was in einer Osternacht vor drei Jahren passierte? Der neu aufgerollte Prozess gegen drei Türsteher der Disko U60311 offenbart, dass Zeugen mit der Zeit nicht zuverlässiger werden.
Die drei Türsteher der Diskothek U60311 waren 2012 eigentlich schon verurteilt worden: Für den Totschlag eines britischen Gastes sollten sie jeweils für fünf, neun und elfeinhalb Jahre inhaftiert werden – ein vierter wurde auf Bewährung entlassen. Aufgrund "mangelnder Beweiserwägung" wurde das Urteil allerdings vom Bundesgerichtshof aufgehoben.

Alles auf Anfang also. Der neue Prozess läuft bereits seit März, am Dienstag sagte ein Polizist als Zeuge aus. Er sprach damals in jener Nacht mit dem Angeklagten Athanassios G. Sein Gedächtnisprotokoll, das er etwa 10 Tage später schrieb, wurde jetzt erstmals in das Verfahren eingebracht. Zum Teil widersprachen sich die Erinnerungen des Polizisten und seine Aufzeichnungen.

Die Angeklagten wirken entspannt, fast schon routiniert. Sie kommen an diesem Prozesstag nicht zu Wort – es sei denn beim Smalltalk mit Justizbeamten oder ihrer Verteidigung. Im Mittelpunkt steht dafür ein einziger Zeuge: Ein 34-jähriger Polizeibeamter, der kurz nach der Tat vor Ort ermittelt hatte. Die Verteidigung verzichtet nicht darauf, ihn in die Mangel zu nehmen. Seine Nervosität wird durch wiederholtes Stellen der immer gleichen Fragen noch größer. Seine Erinnerungslücken an den Tag vor drei Jahren werden ihm zum Vorwurf gemacht.

Eigentlich sind zum Gerichtstermin am 27. Mai mehrere Zeugen geladen. Nur einer davon ist aber gekommen: Der etwas unbeholfen wirkende Beamte war damals für die Polizei Frankfurt tätig, mittlerweile arbeitet er in Kassel. Nicht nur die räumliche, sondern auch zeitliche Distanz zum Geschehen sind ihm anzumerken: Er weiß zwar noch, dass er damals einen Türsteher befragt hat, dessen Name „griechisch klang“, den Angeklagten Athanassios G. kann er zunächst allerdings nicht identifizieren. Erst als der Polizist Videomaterial – unter anderem mit dem Gespräch zwischen ihm selbst und dem Angeklagten – zu sehen bekommt, erkennt er Athanassios G. im Gerichtssaal. Es sei zu viel Zeit vergangen, sagt er. Athanassios G. habe damals athletischer ausgesehen und eine andere Frisur gehabt.

Beim Nachzeichnen des Gesprächs mit Athanassios G. berichtet der Polizist mehrmals, der Angeklagte habe von einem ins Gerangel involvierten Mann gesprochen. Dieser sei in Richtung Hauptwache geflohen. Als der Polizist das Video dann sieht, muss er jedoch revidieren: Der besagte hochgewachsene Mann mit „einer Art Trainingsjacke“ und Brille sei doch darauf zu erkennen, die Türsteher hätten damals auf ihn aufmerksam gemacht. Der Verteidiger von Athanassios G., beschwert sich, dass der beschriebene Mann „kein einziges Mal in der ganzen Akte vorkommt.“

Ähnlich unklar sind einige andere Aussagen des Polizisten, weshalb der Vorsitzende das Gedächtnisprotokoll von der Polizeiwache holen lässt und es vorliest. Seit dem Verfassen vor etwa drei Jahren habe der Zeuge es noch niemandem gezeigt. Die Pflichtverteidigung des Angeklagten Athanassios G. beanstandet deshalb, dass das Dokument nicht schon früher eingebracht worden ist und bislang nur unter den „privaten Dateien“ des Polizisten abgespeichert war. Dieser argumentiert, dass es sich mehr um subjektive Erinnerungen und um Empfindungen handle, nicht aber um eindeutige Fakten.

Tatsächlich geht es im Protokoll auch darum, wie der Polizist sich fühlte, als er mit dem Totschlag konfrontiert wurde. Allerdings enthalten seine Aufzeichnungen auch relevante Informationen. Er beschreibt darin etwa die auffällige Lederjacke von Athanassios G. und schildert, dass der Türsteher während der Befragung mehrmals gestockt und immer wieder Blickkontakt zu seinem „Kollegen mit den Tätowierungen“ gesucht habe. Diesen kann der Polizist jetzt im Gerichtssaal als Ömer H. identifizieren. Auch erinnert er sich erst nach dem Verlesen des Gedächtnisprotokolls daran, dass Athanassios G. den Geschädigten mitunter selbst aus der Disko heraus getragen habe.

Der Polizist habe während seiner Ermittlungen auch mit der Freundin des getöteten Gastes geredet: Gemeinsam mit einer Kollegin brachte er sie zu dem Briten ins Krankenhaus. Dem Gedächtnisprotokoll nach habe sie auf der Fahrt in die Klinik berichtet, was eine Bekannte beobachtet habe: Die Türsteher hätten demnach nicht wahrheitsgemäß ausgesagt und sich gleich nach dem Tathergang in der Disko untereinander abgesprochen. Die Freundin habe auch die Handynummer der Zeugin bekommen. Die Nebenkläger haben dem Zeugen an diesem Tag nur wenige Fragen zu stellen und scheinen ihn eher vor der Pflichtverteidigung in Schutz nehmen zu wollen. Der Polizist wirkt sichtlich erleichtert als er nach bald drei Stunden aus der Befragung entlassen wird. Der nächste Prozesstermin ist für den 4. Juni angesetzt. Dazu werden weitere Zeugen erwartet. Im Laufe des kommenden Monats wird auch ein Urteil erwartet.

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28. Mai 2014, 11.37 Uhr
Lisa Stein
 
 
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