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Notfallübung

Blaulicht und Sirenen in Frankfurt

Ein simulierter Flugzeugcrash mit über 500 Verletzten sorgte am Frankfurter Flughafen für Aufsehen. Mit neuster Technik, mit der die Opfer schneller versorgt werden sollen, wurde der Ernstfall erprobt
Frankfurter Flughafen. Strahlender Sonnenschein. Die neue Nordwest-Landebahn. Eine kühle Brise weht durch die Haare. Es ist 10.30 Uhr. Ein friedlicher Tag. Doch plötzlich ertönt eine laute Sirene. Es geht drunter und drüber. Ein Bild des Schreckens: Wrackteile, nach Hilfe schreiende Menschen, umherfliegende Reisekoffer, Container. Der Pilot eines soeben gelandeten Flugzeuges aus Kasan erwischt auf dem Weg zur Brücke, die die Autobahn überquert, die falsche Rollbahn. Der Pilot eines Flugzeuges aus Mallorca kann nicht mehr ausweichen – es kommt zur Katastrophe. Insgesamt 590 Passagiere waren an Bord der beiden Maschinen. 560 werden verletzt, 30 verlieren ihr Leben. Doch zum Glück ist dies alles nur ein Test – ein Drehbuch für Deutschlands größte Notfallübung. Bei diesem Unfall mit „Massenanfall von Verletzten“, wie es in Expertenkreisen heißt, wurde ein neues System, mit dem die Versorgung der Verletzten schneller vonstattengehen soll, erprobt.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 3,1 Millionen Euro geförderte Projekt SOGRO – Sofortrettung bei Großunfall – erforscht neue Ansätze, wie bei einer Katastrophe mit hunderten von Opfern möglichst viele Menschenleben gerettet und Verletzte optimal versorgt werden können. Dabei helfen soll ein kleiner Handcomputer, der sogenannte PDA, mit dessen Hilfe werden die Verletzten fotografiert, Verletzungsgrad, Geschlecht, eine grobe Alterseinschätzung – handelt es sich um einen Erwachsenen oder ein Kind –, Transportmittel, Krankenhaus und die vorgenommene medikamentöse Behandlung werden gespeichert. Die Daten werden via WLAN oder GPS auf ein zentrales Computersystem übertragen, auf das die Leitstellen und die Krankenhäuser Zugriff haben. Der Leiter der Frankfurter Feuerwehr Reinhard Ries ist überzeugt: „Das ist eine große Chance für die Zukunft. Die Leitstellen können verfolgen, wie viele Patienten es gibt und in welche Kliniken diese kommen, denn im Sekundentakt sind die neusten Zahlen der Opfer auf dem Bildschirm zu sehen.“ Bereits während des Transports könnten sich die Hospitäler auf die optimale Versorgung der Patienten einstellen und den Angehörigen könnte problemlos weitergeholfen werden. Denn: „Es geht auch darum, Patienten wiederzufinden“, so Ries. Gleichzeitig werden all diese Informationen auf Chips übertragen, die in farbigen Armbändern integriert sind und den Verletzten angehängt werden – anstelle der bisher üblichen, manuell beschrifteten Verletzungsanhängekarten. Die roten, gelben und grünen Bänder, die man sonst nur aus dem All-inclusive-Urlaub kennt, symbolisieren den Schweregrad der Verletzung.

Bereits drei Minuten nach der Katastrophe rücken die ersten Fahrzeuge der Flughafenfeuerwehr an. Über 500 Statisten – Bundeswehrreservisten, Mitglieder der Hilfsorganisationen und deren Verwandte – spielen die Opfer. Theaterschminke und Theaterblut sorgen für teils täuschend echte Verletzungen – verstümmelte Hände, verbrannte Gesichter, eine klaffende Wunde am Bauch. Die Statisten gehen in ihrer Rolle auf. Sie schreien um Hilfe, krümmen sich vor Schmerzen. Einige laufen verwirrt und nach Hilfe suchend über den Platz. Die Feuerwehrmänner des Flughafens verschaffen sich einen ersten Überblick. Mit großem Tatütata kommen auch die ersten Rettungswagen über die staubige Piste entlang der Landebahn am Unglücksort an. Der Alarm wurde in ganz Hessen ausgelöst. Sogar die Einsatzkräfte aus dem Schwalm-Eder-Kreis, in Nordhessen, düsen mit Blaulicht über die Autobahn Richtung Flughafen. 1500 Rettungskräfte mit 450 Fahrzeugen waren vor Ort.

Die Sanitäter beginnen mit der Vorsichtung der Verletzten und verteilen farbige Armbändchen. Die Leichtverletzten, die mit den grünen Bändchen, werden von der Feuerwehr zur Sammelstelle abseits des Schadenortes gebracht. Dort werden Zelte aufgebaut, über denen große Ballons in Rot, Gelb und Grün schweben. Die Mittel- bis Schwerverletzten – mit gelben Armbändern – werden ärztlich versorgt. Die Opfer mit lebensbedrohlichen Verletzungen (Rot) werden nach der Erstversorgung auf Tragen zu den Zelten gebracht und möglichst schnell in ein Krankenhaus transportiert.
Nach zwölf Minuten war der erste Verletzte im System zu finden. Eine halbe Stunde später war das erste Opfer auf dem Weg ins Krankenhaus. Nach einer dreiviertel Stunde hatten sich die Einsatzkräfte einen Überblick über die komplette Situation verschafft und nach eineinhalb Stunden lag kein Patient mehr an der Schadenstelle – nur noch die Puppe, die die Toten symbolisieren, liegen auf der Betonpiste herum. Und 78 Patienten waren auf dem Weg in die Hospitäler. „Das ist ein Hammer. Das hat es so schnell in dieser Größenordnung noch nie gegeben“, freut sich Leo Latasch, Leiter des Frankfurter Rettungsdienstes. „Früher war der erste Patient oft nicht unter zwei Stunden abtransportiert worden.“

Aber nicht nur Feuerwehr, Rettungsdienste und die Vertreter der Stadt Frankfurt waren begeistert. Beobachter aus der ganzen Welt waren bei der Übung vor Ort – aus Israel, Singapur, Saudi Arabien, Indien, Ungarn und Österreich. Latasch: „Mit Israel arbeiten wir auf medizinischer Seite schon seit Jahren zusammen. Sie sind mit solchen Massenanfällen an Verletzten vertraut.“ Und genau aus diesem Grund, waren die Israelis auf der Nordwest-Landebahn mit dabei. Sie interessierten sich für das PDA-System, weil die Anschlaggefahr bei ihnen hoch ist.

Bis Anfang 2012 wird das Projekt weiter verfolgt. Danach sollen 35 Einsatzwagen in Frankfurt mit den Handcomputern ausgerüstet und das neue System in Betrieb genommen werden. „Mehr als 700 Euro sollen die Geräte nicht kosten“, so Latasch. „Außerdem müssen sie auch in Regionen mit schlechter Funkverbindung funktionieren.“ Was das ganze Programm kosten wird? Davon hat noch niemand eine Vorstellung.
 
11. Oktober 2010, 10.09 Uhr
Julia Lorenz
 
 
Fotogalerie: Notfallübung am Airport
 
 
 
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