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Diskussion nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo

Wie vereinbar sind Meinungsfreiheit und Religion?

In der Veranstaltungsreihe "Was ist der Islam?" diskutierten am Mittwochabend Vertreter aus Religion, Journalismus und Politik darüber, was Gläubige ertragen müssen und wann Meinungsfreiheit religiöse Gefühle verletzt.
Die Terroranschläge auf das Satiremagazin Charlie Hebdo in Folge von Mohammedkarikaturen, die anscheinend die Empfindungen religiöser Muslime verletzt haben, haben die Frage aufgebracht, ob die in der Verfassung verbriefte Pressefreiheit nicht manchmal zu weit geht. Im Saalbau Bornheim wurde bei einer weiteren Podiumsdiskussion zum Thema Islam vor 60 Gästen darüber gestritten – einen Konsens aber gab es nicht, außer vielleicht dem, dass Gewalt keine Lösung des Problems ist.

Auf dem Podium saßen Abdullah Uwe Wagishauser, Vorsitzender der Ahmadiyya Muslim Jamaat, die Autorin und Journalistin Khola Maryam Hübsch, der Pfarrer Albert Seelbach, der Stadtverordnete und Rechtsanwalt Thomas Dürbeck (CDU) sowie der JOURNAL-Chefredakteur Nils Bremer. Letzterer fand, dass Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit kein Gegensatz sein müssten. Als Journalist wolle er sich nur nicht von außen vorschreiben lassen, was er sage und meine. Diesen Druck aber spüre er nach den Anschlägen deutlich. Er fühle sich erstmal nur den Gesetzen und der Verfassung verpflichtet. „Darüber hinaus kann man diskutieren.“

Grundrechte im Wandel


Thomas Dürbeck erläuterte, dass sich sowohl das Grundrecht der Meinungs- als auch die Pressefreiheit über die Jahrhunderte entwickelt habe und sich die Verfassung in ihrer Auslegung ebenso im Wandel befinde. „Was vor 50 Jahren galt, muss heute nicht mehr so sein. Es ist alles im Fluss“, sagte Dürbeck. Als Journalistin hält auch Khola Hübsch die Meinungsfreiheit für ein hohes Gut, argumentierte aber, dass mit der Mohammedkarikatur nicht die Islamisten angegriffen würden, sondern alle Muslime. Die New York Times habe sich aus Rücksichtnahme dazu entschlossen, die Hebdo-Karikaturen nicht nochmal abzudrucken. Vermutlich sei man in den USA empfindsamer, was religiöse Belange angehe, während man sich in Deutschland von der Religion stärker abwende und der Paragraph 166 des Strafgesetzbuches zur Beschimpfung von Bekenntnissen bedauerlicherweise kaum mehr Anwendung finde. „Das Verständnis hat sich verschoben, weil Religion in der Kultur nicht mehr den Stellenwert hat“, sagte Hübsch.

Abdullah Uwe Wagishauser brachte ein, dass sich nun mal fünf Millionen Muslime im Land und 30 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Gesellschaft bemerkbar machten. Man sei gegen Gewalt, werde aber vielleicht juristische Mittel einlegen. Etwa gegen Udo Ulfkotte, der in Dresden gesagt haben soll, dass der Prophet ein Massenmörder sei. „Da wurde eine neue Qualität erreicht.“ Gleichzeitig gab er zu: „Wenn ich die Strichmännchen der Karikaturen sehen, dann kann ich das nicht mit dem Propheten verbinden.“ Pfarrer Seelbach erinnerte sich noch an eine sexistische Karikatur des dreifaltigen Gottes. „Das fand ich sehr verletzend. Man sollte die Folgen mitbedenken und sich selbstkritisch hinterfragen“. Es könne nicht sein, dass eine Person juristisch vor Beleidigung geschützt sei, die Religion aber nicht. Es verletze ihn, wenn das, woran er glaube, in den Dreck gezogen werde.

"Freiheit ist hart erkämpft"


Doch wie könne es sein, dass eine Person, nämlich Mohammed, beleidigt würde, und eine Gesamtheit dafür sei, diese Beleidigung zu sühnen, fragte Nils Bremer, der Religion als Privatsache betrachtet. „An Mohammed orientieren wir uns, er ist das gelebte Wort", sagte Wagishauser. Der Koran ist nicht nur ein Buch, der Prophet ist noch heute höchst lebendig.“ Beim Journalismus gebe es auch immer die moralische Frage, die man sich stelle, lenkte Nils Bremer ein, dennoch übe er auch Kritik, wo es angebracht sei. Künstler jedoch hätten seit je her gerne provoziert. „Diese Freiheit ist hart erkämpft worden und die würde ich über die Religionsfreiheit stellen,“ so Bremer.

Kritik an der Religion sei wichtig, gab Khola Hübsch zu, denn nur so könne sich Religion auch mit der Gesellschaft verändern. „Bei Satire geht es darum, gegen Mächtige anzugehen, aber es sollte nicht darum gehen, einer Minderheit hinterherzutreten! Man kann hier nur an die moralische Verantwortung appellieren.“ Die Islamisten seien ja nicht machtlos, kam direkt die Antwort. Doch Hübsch erklärte, was Mohammed bedeute. Er sei ein Ausdruck der Barmherzigkeit. „Es tut einem weh, dass ausgerechnet so ein Mensch durch den Kakao gezogen wird.“

"Christen müssen Burkas ertragen"


Thomas Dürbeck machte deutlich, dass die Verfassung letztlich nur Mindeststandards setze, was die Religionsfreiheit betreffe. „Unsere Gesetze müssen für alle anwendbar sein, sie beziehen sich nicht nur auf die christliche Religion. Man kann daher nicht das religiöse Gefühl der Moslems als Maßstab für den Rest der Menschen nehmen. So wie die Moslems gewisse Dinge ertragen müssen, müssen auch Christen Kopftücher und Burkas ertragen, auch wenn das nicht ins eigene Weltbild passt.“

Das Schöne an der Kunst sei, man könne ja auch wegschauen, wenn sie einem nicht passe und man müsse Charlie Hebdo ja auch nicht kaufen, argumentierte Nils Bremer. Auch Dürbeck sah nicht, wie die Religionsfreiheit und die Ausübung der Religion durch die Karikaturen beschränkt werde.

In bester Gesellschaft


Indes führte Abdullah Uwe Wagishauser ins Feld, dass es vielen muslimischen Ländern derzeit an spiritueller Reife fehle. Er wisse nicht, sagte er, wo es eine bessere Gesellschaft als in Deutschland gebe, wo es möglich sei, dass fünf Millionen Muslime ihre Bekenntnisse offen leben dürften. Aber es bedürfe auch einer gewissen Bildung. Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass eine Karikatur hierzulande dazu führen könne, dass in Aserbaidschan eine Botschaft angegriffen werde. „Da flippen die Leute aus. Da muss man sich als Künstler schon fragen, nehme ich das in Kauf.“

Eine neue Sichtweise brachte Khola Hübsch zum Abschluss ein: „Es geht doch eigentlich gar nicht um die Karikaturen. Es geht um die Demütigungserfahrung vieler Moslems, und dem Gefühl nicht anerkannt zu sein. Wenn ich auf Augenhöhe bin, rege ich mich nicht auf. Es geht gar nicht um das Kleine, sondern allgemein um einen rücksichtsvollen Umgang miteinander.“
 
5. Februar 2015, 11.20 Uhr
nb
 
Nicole Brevoord
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig – Mehr von Nicole Brevoord >>
 
 
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