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BIS und FAG kämpfen gegen Lärmterror
Als Beispiel nennt Fechter den aktuellen Streik der Lufthansabediensteten. Das befürchtete Chaos sei bislang ausgeblieben, große Unternehmen hätten ihre Fracht erfolgreich auf die Bahn umgebucht und verhinderte Geschäftsreisende würden verstärkt auf Telefon- und Videokonferenzen ausweichen. Zudem sähen EU-Verordnungen bis zum Jahr 2010 eine deutliche Verringerung von Stickstoffoxiden vor, die Kerosinpreise würden rapide ansteigen und auch die gesundheitlichen Risiken müssten auf Grundlage neuerer medizinischer Studien neu beurteilt werden. Der zuständige Verwaltungsgerichtshof Kassel, dem gegen den Planfeststellungsbeschluss bisher 127.000 Einwendungen vorlägen, versuche jedoch, die Anzahl der Kläger auf sechs Musterklagen zu reduzieren, so dass die neusten Erkenntnisse über die Gesundheitsgefährdung durch Lärm- und Schadstoffe nicht berücksichtigt werden müssten. „Das halten wir für einen Skandal“, ist sich Fechter mit FAG-Fraktionsvorsitzenden Rainer Rahn einig.
Wissenschaftlich untermauert werden die „neuen Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Risiken des Ausbaus des Flughafens Rhein-Main“ nun von Professor Ernst Scheuermann (Foto), Facharzt für Innere Medizin, Nieren- und Bluthochdruckerkrankungen an der Frankfurter Uniklinik. Anhand einer aktuellen Literaturrecherche trug Scheuermann die Ergebnissen der letzten zehn Jahre aus Studien und Fachpublikationen zusammen. „Schon im Bericht der Mediation zum Ausbau des Flughafens Frankfurt wurde 1999 festgestellt, dass Fluglärm ein Risiko für die Gesundheit bedeutet und dass weitere Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet notwendig sind“, so Scheuermann. Die Auswirkungen von Lärm auf besonders empfindliche oder schutzwürdige Gruppen wie etwa Alte, Kranke und Kinder seien jedoch explizit ausgenommen worden.
Die Ergebnisse einer Untersuchung an Schulkindern, belege die Minderung kognitiver Fähigkeiten unter der Fluglärmbelastung. So sei die Dauerlärmbelastung pro 5 Dezibeleinheit gleichbedeutend mit bis zu acht Wochen verzögerter Entwicklung von Lese- und Erinnerungsvermögen. Fluglärm löse beim betroffenen Kind Stressreaktionen wie erhöhte Blutdruckwerte und einer vermehrten Cortisol-Ausschüttung im Urin aus. Dabei korrelierten erhöhte Blutdruckwerte in der Jugend eng mit der Entwicklung eines Bluthochdrucks im Alter. Die Folge seien vorzeitige Atherosklerose und andere chronische Veränderungen am Herz-Kreislaufsystem. Darüber hinaus sei ungestörter Schlaf von bis zu 10 Stunden als wichtige Grundlage für die gesunde Entwicklung von Kindern angesichts zulässiger Nachtflüge nicht gewährleistet.
Weitere Untersuchungsergebnisse zur Belastung durch Luftschadstoffe schätzt Scheuermann ebenso fatal ein: „Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass die gesundheitlichen Risiken eines Ausbaus des Flughafens Frankfurt bedeutend höher einzuschätzen sind, als die in jüngster Zeit viel diskutierten Risiken der Weichmacher in Plastikspielzeugen, des Acrylamid in Lebensmittel oder der Asbests in der Raumluft.“ Das Ausmaß der Gefährdung der Bewohner des Rhein-Main-Gebietes im Falle des Flughafenausbaus sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen, weil insbesondere die Datenlage zum Langzeitrisiko lückenhaft sei. „Eine solche Studie würde bis zu zwei Millionen Euro kosten“, schätzt Scheuermann.
Zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt dürfe bei einer derart folgenschweren Entscheidung wie die des Flughafenausbaus jedoch kein Geld zu viel sein, um das von der EU empfohlene „precautionary principle“ anzuwenden. Demnach seien Handlungen, die einen irreversiblen Schaden an der Bevölkerung oder der Umwelt verursachen könnten, solange zu unterlassen, bis eine endgültige und wissenschaftlich belegte Gewissheit den Schaden ausschließen könne oder das Risiko eines Schadens nach gründlicher Risiko-Nutzen-Analyse akzeptabel erscheine. FAG und BIS wollen sich nun in einem Schreiben „an alle politischen Funktionsträger, von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee über die Landtagsfraktionen bis hin zum Magistrat“ wenden, um ihre Erkenntnisse zu verbreiten und eine Neubeurteilung der Rahmenbedingungen zu erzwingen, so Fechter.
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