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Foto: Jeannette Petri
Foto: Jeannette Petri

Internationaler Mädchentag

Keine typischen Mädchen

Am 9. Oktober findet in Frankfurt der Internationale Mädchentag statt. Die Veranstaltenden wollen damit Mädchen und junge Frauen in ihrer Identität außerhalb von Geschlechterklischees stärken. Aber es gibt noch viel zu tun.
„Du bist mehr ein Junge als ein Mädchen.“ Das hatte ein Mitschüler vor einigen Wochen zu Zina gesagt. Geärgert habe sie das nicht direkt. Das beliebteste Mädchen der Klasse sei das „mädchenhafteste Mädchen“ überhaupt, sie sei nun mal anders. Die Zwölfjährige ist selbstbewusst, beschäftigt sich mit Geschlechterrollen und möchte später einmal Politikerin werden. Ein Wunsch, der sich anscheinend auch heute noch eher selten in die Köpfe junger Mädchen verirrt. Ihre Mitschülerinnen hätten Zina vorgeschlagen, doch lieber Kindergärtnerin zu werden, das aber halte sie für komplett unpassend. „90 Prozent der Klischees treffen nicht auf mich zu. Mein Vater hat mir beigebracht wie man Reifen wechselt und ich spiele gerne Computer. Dafür werde ich in der Klasse als Nerd abgestempelt“, ärgert sich die Siebtklässlerin.

Das Gefühl, nicht hineinzupassen in die typische Mädchenrolle, irgendwo dazwischen zu schweben und dennoch von Außen in eben diese Form gepresst zu werden, so geht es vielen Mädchen und Frauen. Auch die 13-jährige Haleema hat immer wieder mit Klischees zu kämpfen, auch weil sie gerne Videospiele spielt; ein Hobby, das in ihrem Umfeld Jungs vorbehalten zu sein scheint. „Die Jungs sind erstaunt darüber, dass ich darin so gut bin. Dann heißt es schon mal: ‚Aber du bist doch ein Mädchen.‘“ Gerne spiele sie gemeinsam mit ihrem Vater. „Er braucht keinen Sohn, um solche Dinge zu machen. Das kann er auch mit mir.“ Haleema sagt, sie kenne nur wenige Mädchen, die so seien wie sie, ohne genau zu erklären, was das bedeutet. Sie sei eben kein typisches Mädchen. „Ich habe das Gefühl, dass ich in der Mitte stehe zwischen Mädchen und Junge sein. Ich bin leise, aber ich bin auch laut.“

Für Mädchen und junge Frauen sind es aber nicht nur die Klischees wie das Computerspielen oder ein Interesse für Autos, mit denen sie tagtäglich zu kämpfen haben; auch mit sexueller Belästigung müssen sich schon Minderjährige vermehrt auseinandersetzen. In einer Studie der European Union Agency für Fundamental Rights aus dem Jahr 2014 gaben 80 Prozent der befragten Frauen an, vor ihrem 17. Lebensjahr in der Öffentlichkeit sexuell belästigt worden zu sein. 13 Prozent waren davon bereits vor ihrem zehnten Lebensjahr betroffen. Die 16-jährige Saher erzählt, je älter sie werde, desto mehr falle ihr auf, dass sie auf der Straße angeschaut und ihr auch von Männern hinterhergerufen werde. „Ich vergesse oder verdränge so etwas, auch weil ich irgendwie immer dachte, dass es normal ist. Das ist es aber nicht.“

Da auch in Frankfurt immer mehr Mädchen von sexistischen sowie rassistischen Beleidigungen und Belästigungen auf den Straßen und in öffentlichen Verkehrsmitteln berichteten, rief das Frauenreferat die Plakatkampagne „Klischeefreie Zone“ ins Leben. Seit August hängen an Litfaßsäulen und Wänden fünf unterschiedliche Plakate mit den Sätzen „Macht euch nicht so breit, Jungs“, „Untersteh dich, mich zu begrapschen!“, „Schluss mit den Beleidigungen!“, „Spar dir deinen dummen Sprüche!“ und „Don’t catcall me!“

Diese Sprüche habe man gemeinsam mit Mädchen, die beispielsweise das Beratungszentrum infrau e.V. in Bornheim besuchten, entwickelt, erklärt die Referentin für Mädchen*politik im Frauenreferat, Linda Kagerbauer. „Insgesamt haben die Mädchen während des Prozesses über 600 Forderungen zusammengetragen“, erklärt die Sozialpädagogin Amra Kasapović. Entschieden habe man sich schließlich für diese fünf. Man erhoffe sich das Thema so in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen, und damit sowohl andere betroffene Mädchen anzusprechen als auch das allgemeine Bewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen.

„Wenn andere Mädchen die Plakate sehen, wissen sie direkt, was wir meinen, ohne dass wir noch etwas sagen müssen“, sagt Saher, die an der Auswahl der Plakatsprüche beteiligt war. Haleema wünscht sich, diese Sätze auch einfach zu den Jungs aus ihrer Klasse sagen zu können. „So wie es jetzt ist, mit den Klischees, die existieren, habe ich manchmal das Gefühl, dass Mädchen und Jungen nicht zusammen sein können“, sagt die 13-Jährige.

Selbst vonseiten der Lehrkräfte werden die Schülerinnen und Schüler immer wieder mit Klischees konfrontiert. So erzählen die Mädchen von Situationen, in denen ein Tic-Tac-Toe-Spiel mit dem Sitznachbarn als „flirten“ bezeichnet wird und ihnen beim Themenkomplex Römisches Reich das Feld Familie zugeordnet wird, obwohl sie zuvor klar zum Ausdruck gebracht hatten, sich lieber mit Krieg und Waffen beschäftigen zu wollen. Auch beim Tische tragen werde noch immer nach „starken Männern“ verlangt.

Zina erinnert sich an eine Situation, in der sie von einer Lehrerin aufgrund ihrer Herkunft gefragt wurde, wo man besonders gut marokkanische Dekorationsartikel kaufen könne. „Ich habe ihr gesagt, dass ich es nicht weiß und dass sie auch die beiden marokkanischen Jungs aus meiner Klasse fragen kann. Darauf antwortete sie, dass ich doch bestimmt viel lieber mit meiner Mutter shoppen gehe als die beiden“, erzählt die Zwölfjährige. Auch den Aufklärungsunterricht kritisieren die Mädchen. Über Homosexualität und sexuelle Orientierung im Allgemeinen werde nicht gesprochen, auch die Periode werde zwar im Zusammenhang mit dem weiblichen Zyklus erklärt, jedoch ansonsten nicht weiter thematisiert.

Beim Internationalen Mädchentag im Oktober sollen diese ganzen Themen in Frankfurt einmal im Vordergrund stehen. Seit 2003 findet der Tag am 11. Oktober jährlich weltweit statt, seit 2012 auch in Frankfurt. Für gewöhnlich veranstaltet das Frauenreferat in Frankfurt dafür eine Demonstration, bei der die teilnehmenden Mädchen Reden halten, Musik machen und mit ihren Forderungen auf Schildern durch die Straßen ziehen und Straßennamen nach bekannten Frauen umbenennen. In diesem Jahr muss die Demonstration coronabedingt ausfallen. Am 9. Oktober soll jedoch stattdessen mit dem „Walk of Girls“ eine kleinere Kundgebung zum Thema Mädchenrechte mit Reden, Poetry Slam, Hip Hop, Tanz und Theaterperfomance stattfinden.

Neben der Premiere des neuen Mädchentag-Songs wird auch der Gebärdenchor der IGS Nordend auftreten. „Mädchen sein, das ist vielfältig. An diesem einen Tag, dem Internationalen Mädchentag, können wir das den Frankfurterinnen und Frankfurter nochmal ganz deutlich zeigen“, sagt Kagerbauer. Die Forderungen gegen Diskriminierungen an den Litfaßsäulen in der ganzen Stadt blieben jedoch noch lange für alle sichtbar.
 
9. Oktober 2020, 10.30 Uhr
Johanna Wendel
 
Johanna Wendel
Jahrgang 1993, Technikjournalismus-Studium an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, seit Januar 2019 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Johanna Wendel >>
 
 
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