Die Freie Ärzteschaft (FÄ) hat gestern im Rahmen des 112. Deutschen Ärztetages zur bundesweiten Streikwoche, die bis zum 23. Mai dauern soll, aufgerufen. Anlass des Streiks ist die seit Jahresbeginn herrschende Honorarreform, die bei Ärzten zunehmend Existenzängste hervorruft. Ärzte und Krankenkassen wollten die Reform zwar zum 1. Juli nachbessern, jedoch gibt es trotzdem nicht genug Geld für die rund 150.000 niedergelassenen Ärzte und Therapeuten. Wie Peter Orthen-Rahner, Sprecher der Freien Ärzteschaft mitteilte, werde es heute bundesweit zu 30.000 Praxisschließungen kommen. "Wir gehen davon aus, dass unserem Aufruf viele folgen werden", sagt Orthen-Rahner. Die Proteste werden sich auf das Rhein-Main-Gebiet, Mainz, Köln und Düsseldorf konzentrieren.

Bei der gestrigen Vertreterversammlung der Kassenärzte in Mainz wollten die Mitglieder die Politik und die Krankenkassen zur Anerkennung des Systems der kassenärztlichen Versorgung auffordern. „Weil bei den Ärzten immer weniger Geld ankommt, droht der wohnortnahen Versorgung durch Haus- und Fachärzte politisch gewollt das Aus“, sagt FÄ-Präsident Martin Grauduszus. Der Streikaufruf ist dem Verband zufolge auch als "ernstes wie wütendes Signal" an den heute beginnenden Deutschen Ärztetag in Mainz gedacht. Der Freien Ärzteschaft zufolge, hätten die Patienten viel Verständnis für das Verhalten der Ärzte: „Wenn man sie über die finanzielle Situation der Ärzte informiert, reagieren sie teilweise sogar schockiert“, so Orthen-Rahner.

Wie die Freie Ärzteschaft beklagt, eskaliere die wirtschaftliche Situation, so dass die Ärzte teilweise mit Honorareinbrüchen von 20 Prozent und mehr zu kämpfen hätten. Bei Inkrafttreten der Honorarreform drohe eine Kapitalisierung der allgemeinen ärztlichen Versorgung. Niedergelassene Arztpraxen würden verschwinden und von sogenannten medizinischen Versorgungszentren aufgekauft werden. So werde der Patient mit seinen ganz individuellen Sorgen und Nöten zum Fall mit einer Durchlaufnummer. Den Ärzten würde damit auch ihre medizinische Entscheidungsfreiheit genommen, weil sie nur noch Angestellte der medizinischen Versorgungszentren wären und damit den Anweisungen ihrer Vorgesetzten folgen müssten. Der Patient hätte zusätzlich keinen festen Hausarzt mehr. Insgesamt führe die Honorarreform zu einer allgemeinen Verschlechterung der medizinischen Leistungen. Die Reform legt für jeden Patienten eine Pauschale von 35 Euro fest. Dies führe dazu, dass die Ärzte Angst hätten, chronisch kranke Menschen zu behandeln, weil sie bei ihren Behandlungskosten die Pauschale überschreten und damit die Ärzte finanziell zu sehr belasten würden. „Wenn wir unsere Forderungen nicht durchsetzen, werden wir die Streikmaßnahmen verstärken. Dann werden die Daumenschrauben eben angezogen“, sagt Peter Orthen-Rahner. Text: Bettina Taylor