Partner
Monsterspecht und Pinkelbaum
Es ist eine Mischung aus Wutz, Molch und Star. Sein Fell ist grasgrün, gelb sind Pfoten wie Schnauze, die Augen strahlend blau. Besonders wohl fühlt sich der Vierbeiner im Frankfurter Grüngürtel, wo ihn Robert Gernhardt angeblich 2002 erstmals entdeckte und alsbald zeichnete. Der Stadt Frankfurt schenkte der 2006 verstorbene Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule das Tier zum zehnjährigen Jubiläum des Frankfurter Grüngürtels.
Landschaftsvielfalt ist der besondere Charme des Grünzugs, der sich rund um die Stadt legt: Dazu gehören der Stadtwald mit seinem alten Baumbestand, wildromantische Streuobstwiesen, weite landwirtschaftlich genutzte Felder, das Niddatal und natürlich auch historische Parks und Kleingartenanlagen. 1991 verabschiedete das Stadtparlament eine Grüngürtel-Verfassung zum Schutze und zur steten Entwicklung von Frankfurts Grüner Lunge. 1997 wurde zur Weiterentwicklung und Pflege des Grüngürtels eine Projektgruppe aus Mitarbeitern von Umwelt-, Grünflächen-, Forst- und Planungsamt gegründet. Seitdem hat sich viel getan und der Grüngürtel sich mit prallem Leben gefüllt: Naturfreunde können zum Beispiel an literarischen Spaziergängen mit kleineren Schauspiel- und Gesangseinlagen teilnehmen, Kinder lädt die Stadt zum „Entdecken, Forschen und Lernen“ ein. Ein ehemaliges Flughafengelände der Amerikaner wurde renaturiert, und Flora und Fauna haben dort begonnen, sich ihr ursprüngliches Terrain zurückzuerobern. Und nicht zuletzt beleben seit geraumer Zeit die Künstler der Neuen Frankfurter Schule die Landschaft des Grüngürtels mit ihren heiteren Werken.
Gernhardts Grüngürteltier steht, in Bronze gegossen, auf der Robert-Gernhardt-Brücke in Bonames. Ein wenig erinnert die Skulptur an die unheimlichen Fabelfiguren an den Mauern gotischer Kathedralen. In der Stoffversion der Firma Steiff wirkt es allerdings sehr viel heiterer. Hintersinnig wie das Grüngürteltier und oft sehr witzig kommen auch die anderen Kunstwerke im Grüngürtel daher. Chlodwig Poths auf Stelen angebrachte Karikaturen zum Beispiel. Oder das „Ich-Denkmal“, nahe der Gerbermühle, entworfen von Hans Traxler: ein steinernes Podest, auf dem in goldenen großen Lettern „Ich“ steht. Statt Goethe, Schiller oder Friedrich Stoltze kann man sich selber, seinen Dackel oder den Nachwuchs zur Denkmalsfigur erklären und als Souvenir fotografieren oder fotografieren lassen.
Mit F. K. Waechter hat ein weiterer Vertreter der Neuen Frankfurter Schule Entwürfe für Kunstwerke im Grüngürtel geschaffen. Der 2005 verstorbene Künstler fertigte insgesamt 20 Baumskizzen für das Projekt „Komische Kunst im Grüngürtel“. Einige Zeichnungen wurden bereits umgesetzt. Hoch oben in einem Baum im Stadtwald hockt Waechters „Eule im Norwegerpullover“. Unter einer riesigen alten Kastanie im Schwanheimer Wald liegen „Monsterkinder“: drei hölzerne Eichelfrüchte, so groß, dass sich Spaziergänger auf sie setzen und ausruhen können. Eine Weide in den Schwanheimer Wiesen wurde zum „Struwwelpeterbaum“ mit ihren wild abstehenden Ästen und Zweigen und zwei großen Glotzaugen, die bei Dunkelheit leuchten. Ein „Monsterspecht“ macht sich an einem Baum an der der Oberschweinstiege zu schaffen, und ein „Eichhörnchenkönig“ wandert am Stadtwaldhaus in luftiger Höhe von Baum zu Baum. Besonders beliebt bei Spaziergängern ist Waechters „Pinkelbaum am Jacobiweiher“. Kommt man ihm zu nahe, bekommt man unfreiwillig eine Dusche: Ein Wasserstrahl schießt aus einem kleinen astähnlichen Hahn aus Bronze. „Seit 300 Jahren pisst man mich an. Ab heute piss ich zurück“, erläutert ein Schild am Baumstamm die pflanzliche Rachlust. „Der Pinkelbaum funktioniert super“, freut sich Grüngürtel-Projektgruppenleiter Klaus Hoppe, „bei Kindern, aber auch bei kichernden Rentnerinnen“.
Erst Mitte März wurde F. W. Bernsteins „Elfmeterpunkt“ (Foto) im Ostpark errichtet. Die von Henner Drescher umgesetzte Skulptur zeigt eine Elfmeterpunktstange auf einer Erdachse. An einem Ort, an dem schon Joschka Fischer in seinen wilden Jahren gerne kickte. Die Stadt möchte noch mehr Komische Kunst im Grüngürtel platzieren. Waechters dicke giftgrüne Raupe zum Beispiel. Sie wird voraussichtlich im Frankfurter Osten auf einem Ast entlang kriechen. Und dann gibt es da noch eine ganz besondere Herausforderung. Eine weitere Baumskizze von F. K. Waechter zeigt zwei Pappeln, die sich einen Pferdeapfel zukicken, dummerweise bleibt er an einer Laterne kleben. Zwischen den beiden Bäumen ist in der Ferne auch Frankfurt zu sehen. Ob allerdings die Grüngürtel-Projektgruppe jemals den richtigen Ort hierfür finden wird, samt Pappeln, Laterne und Skyline, ist so eine Sache.
Mehr zum Thema Radfahren im GrünGürtel lesen Sie am Dienstag im neuen JOURNAL FRANKFURT.
Foto: jow; Text: Annette Wollenhaupt/PIA
StadtlebenMeistgelesen
- Frankfurt HauptwacheGaleria Kaufhof schließt deutschlandweit 16 Filialen
- Frankfurter BäderOben-ohne-Schwimmen für alle in Frankfurt erlaubt
- Frankfurt-Nordend„Dem Stalburg Theater geht es nicht so doll, also schlecht“
- Zauberland für KinderAbenteuerspielplatz Riederwald feiert 50. Geburtstag
- Oktoberfest 2024Eine Bayerin für Frankfurt