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Foto: © Ahmed Mohammed
Foto: © Ahmed Mohammed

Internationaler Frauentag

„Wir brauchen keine Rosen, sondern eine Veränderung der Macht- und Herrschaftsverhältnisse“

Am Weltfrauentag geht es um die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann. Soziologin Onur Suzan Nobrega spricht im Interview mit dem JOURNAL FRANKFURT über Chancengleichheit unter Frauen und Ausbeutungsverhältnisse.
JOURNAL FRANKFURT: In Berlin ist der Weltfrauentag ein offizieller Feiertag. Gibt es Ihrer Meinung nach überhaupt etwas zu feiern?
Onur Suzan Nobrega: Ich halte die Initiative der Berliner Landesregierung für die Einführung des offiziellen Feiertages 2019 für vorbildlich und bin dafür, dass wir am 8. März bundesweit nicht für Lohnarbeit zur Verfügung stehen, sondern deutlich machen, dass unsere politischen Kämpfe auch Arbeit sind, die viele für selbstverständlich halten oder abwehren. Wir arbeiten weiterhin unterbezahlt, leisten Fürsorgearbeit in ausbeuterischen Verhältnissen, können Tag für Tag von Gewalt betroffen sein und unsere kollektiven Forderungen werden nach wie vor unsichtbar gemacht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es aus meiner Sicht nichts zu feiern, dafür aber ganz deutlich den Aufruf feministische Kämpfe und Forderungen nach Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität, für unsere Sicherheit und für Frieden zu stärken und vor allem Ernst zu nehmen, insbesondere da wir in Zeiten der Pandemie, des Krieges, der Militarisierung, des weiteren Erstarken des Nationalismus, Rechtsextremismus, Antifeminismus und des gewaltvollen Rassismus leben, die auch immer mit patriarchaler Unterdrückung und Gewalt einhergehen.

Es wird viel über Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen gesprochen. Wie sieht es mit Chancengleichheit unter Frauen aus? Welche Unterschiede gibt es?
Seit vielen Dekaden und insbesondere in der dritten Welle des Feminismus wurden die feministischen, antikolonialen, intersektionalen Kämpfe und die damit einhergehenden Vorschläge und Praktiken für gerechtere Gesellschaftsentwürfe von BIPoC und LGBTIQ- Aktivist*innen in den Ländern der westlichen Welt immer sichtbarer, dennoch bestehen weiterhin deutliche Unterschiede was den Zugang zu Ressourcen und die Möglichkeiten, ein gesundes, sicheres und würdevolles Leben führen zu können angeht. Der bürgerliche, weiße Feminismus orientiert sich am neoliberalen Staat und Kapitalismus, es gibt einzelne „Gewinner*innen“ die in Managementabteilungen ganz oben sitzen und einen zunehmenden liberalen Tokenism im Namen der Vielfalt, der für die soziale Mobilität einiger weniger verantwortlich ist, die sich in bürgerlichen Berufen etablieren und somit häufig systemstabilisierend und legimitierend wirken. Es gibt nach wie vor in Deutschland keine soliden rechtlichen Grundlagen, die Mehrfachdiskriminierung adäquat adressieren. In vielen lokalen Antidiskriminierungsstellen arbeiten beispielsweise selbst von Mehrfachdiskriminierung betroffene Menschen auf sehr prekären 25 oder 50 Prozent Stellen. Daran zeigt sich, dass das gesellschaftliche Interesse, Ungleichheits- und Ausbeutungsverhältnisse zu verändern nicht ausreichend vorhanden ist, sondern ganz im Gegenteil deren Aufrechterhaltung als profitabel angesehen wird, denn die schlecht bezahlten Jobs machen weiterhin vor allem migrantische Frauen mit unsicheren Arbeits- und Aufenthaltsbestimmungen.

Inwiefern berücksichtigt der internationale Frauentag den Kampf jener Frauen, die nicht in die binäre Geschlechterordnung fallen?
Ich verwende die Bezeichnung feministischer Kampftag bewusst, weil es um die Adressierung patriarchaler, weißer supremazistischer und kapitalistischer Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnissen geht. Schwarzen Trans und nonbinäre Personen und Trans Personen sowie nonbinäre Personen of Colour wird ein sicheres Leben gewaltsam verunmöglicht, gleichzeitig gibt es eine Aneignung ihrer gesellschaftspolitischen, künstlerischen und alltagskulturellen Visionen. Tatsächlich gibt es innerhalb feministischer Selbstorganisationen weiterhin Auseinandersetzungen, Verletzungen, Ausschlüsse und eine deutliche politische Haltung, dass es um uns alle geht. Wir brauchen keine Rosen, sondern eine grundlegende Veränderung der Macht- und Herrschaftsverhältnisse.

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Onur Suzan Nobrega (PhD) promovierte am Goldsmiths, University of London in Media and Cultural Studies. Sie arbeitet seit 2016 im Institut für Soziologie mit den Schwerpunkten Kultur und Migration sowie Frauen- und Geschlechterforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit 2008 ist sie international in der Lehre und Forschung tätig und arbeitet transdisziplinär in der Soziologie und den Medien-, Film- und Kulturwissenschaften zu den Themen Rassismus, Kolonialismus und Intersektionalität. Zuletzt erschien der von ihr gemeinsam mit Matthias Quent und Jonas Zipf herausgegebene Sammelband „Rassismus.Macht.Vergessen. Von München über den NSU bis Hanau. Symbolische und materielle Kämpfe entlang rechten Terrors“ (transcript Verlag).
 
8. März 2022, 13.50 Uhr
Sinem Koyuncu
 
Sinem Koyuncu
Jahrgang 1996, Studium der Politikwissenschaft an der Goethe-Universität, seit Oktober 2021 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Sinem Koyuncu >>
 
 
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