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EDITORIAL 07/2019 JOURNAL FRANKFURT
Nein.
Feminismus ist kein Nischenthema: In ihrem Editorial beschreibt Chefredakteurin Ronja Merkel, welche Erfahrungen sie mit Sexismus machen musste und ruft dazu auf, die Gleichstellung der Geschlechter als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten.
Eine der ersten Lektionen, die ich in meinem Leben gelernt habe, war, dass mein Körper nicht mir gehört. Zu dieser Erkenntnis gelangte ich durch ganz alltägliche Situationen, die mich schon als Kind in einen ständigen Kampf und schamhaften Umgang mit meinem eigenen Körper trieben. Ein Kampf, den ich viele Jahre nicht als solchen wahrgenommen habe. Als Kind war ich pummeliger und größer als die meisten meiner Mitschülerinnen. Ein Umstand, der mir regelmäßig mitgeteilt wurde – durch andere Kinder, Familienmitglieder, Lehrerinnen und Lehrer. Und auch Bravo, Popcorn und Mädchen – Zeitschriften, die ich als Heranwachsende verschlungen habe – ließen mich wissen, dass ich, so wie ich aussah, nicht gut genug war. Die Anerkennung, nach der ich mich sehnte, kam, nachdem ich die Sommerferien nach der siebten Klasse durchgehungert und etliche Kilos abgenommen hatte.
Wenige Tage vor Erscheinen dieses Heftes werde ich 30 – und noch immer muss ich mich täglich daran erinnern, dass ich allein Herrin über meinen Körper bin. In meinem beruflichen Umfeld erlebe ich regelmäßig, dass sich fremde Männer allein durch meine Geschlechtszugehörigkeit dazu berechtigt fühlen, mein Aussehen zu bewerten, mir anbiedernde Nachrichten zu schreiben, meine Qualifikationen herabzuwürdigen oder mich ungebeten anzufassen. Ich habe in der Vergangenheit bereits über einige meiner Erfahrungen geschrieben. Dennoch habe ich noch immer Angst, man könnte mich nicht ernst nehmen oder mir vorhalten, dass es sich doch nur um Komplimente handele.
Nein.
Es ist nicht Ordnung, wenn ein Fußballfunktionär mir zur Begrüßung an den Po fasst. Es ist nicht in Ordnung, wenn ein Landtagsabgeordneter mich mit den Worten „endlich mal eine junge, attraktive Frau in der Position“ begrüßt und den Blick dabei über meine Beine streifen lässt, anstatt mir ins Gesicht zu schauen. Es ist auch nicht in Ordnung, dass der leitende Redakteur eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders eine Facebook-Nachricht schreibt, in der er fragt, wann er die „attraktive Kollegin mit der charismatischen Ausstrahlung“ denn mal kennenlernen könne. Die Erfahrungen, die ich gemacht habe und noch immer mache, sind keine besonderen. Ich kenne keine Frau, die nicht irgendwann in ihrem Leben mit Sexismus und Diskriminierung konfrontiert wurde. Und ich kenne zu viele Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden – und geschwiegen haben. Ich empfinde den Umgang unserer Gesellschaft, von Männern wie Frauen, mit diesen Problemen als höchst befremdlich. Einerseits gilt der Konsum von Pornos als normal, während andererseits das weibliche Geschlechtsorgan oder die Menstruation noch immer tabuisiert werden. Wir verstehen uns als fortschrittliche Volkswirtschaft, diskutieren aber darüber, ob eine Frau alleine in der Lage ist, sich für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden.
Feminismus ist kein Nischenthema. Der Schrei nach Gleichberechtigung ist keine Hysterie und die Stärkung der Frau bedeutet nicht die Kastration des Mannes. Wir leben im 21. Jahrhundert, die Gleichstellung der Geschlechter sollte eine Selbstverständlichkeit sein und ihre Implementierung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Wenige Tage vor Erscheinen dieses Heftes werde ich 30 – und noch immer muss ich mich täglich daran erinnern, dass ich allein Herrin über meinen Körper bin. In meinem beruflichen Umfeld erlebe ich regelmäßig, dass sich fremde Männer allein durch meine Geschlechtszugehörigkeit dazu berechtigt fühlen, mein Aussehen zu bewerten, mir anbiedernde Nachrichten zu schreiben, meine Qualifikationen herabzuwürdigen oder mich ungebeten anzufassen. Ich habe in der Vergangenheit bereits über einige meiner Erfahrungen geschrieben. Dennoch habe ich noch immer Angst, man könnte mich nicht ernst nehmen oder mir vorhalten, dass es sich doch nur um Komplimente handele.
Nein.
Es ist nicht Ordnung, wenn ein Fußballfunktionär mir zur Begrüßung an den Po fasst. Es ist nicht in Ordnung, wenn ein Landtagsabgeordneter mich mit den Worten „endlich mal eine junge, attraktive Frau in der Position“ begrüßt und den Blick dabei über meine Beine streifen lässt, anstatt mir ins Gesicht zu schauen. Es ist auch nicht in Ordnung, dass der leitende Redakteur eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders eine Facebook-Nachricht schreibt, in der er fragt, wann er die „attraktive Kollegin mit der charismatischen Ausstrahlung“ denn mal kennenlernen könne. Die Erfahrungen, die ich gemacht habe und noch immer mache, sind keine besonderen. Ich kenne keine Frau, die nicht irgendwann in ihrem Leben mit Sexismus und Diskriminierung konfrontiert wurde. Und ich kenne zu viele Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden – und geschwiegen haben. Ich empfinde den Umgang unserer Gesellschaft, von Männern wie Frauen, mit diesen Problemen als höchst befremdlich. Einerseits gilt der Konsum von Pornos als normal, während andererseits das weibliche Geschlechtsorgan oder die Menstruation noch immer tabuisiert werden. Wir verstehen uns als fortschrittliche Volkswirtschaft, diskutieren aber darüber, ob eine Frau alleine in der Lage ist, sich für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden.
Feminismus ist kein Nischenthema. Der Schrei nach Gleichberechtigung ist keine Hysterie und die Stärkung der Frau bedeutet nicht die Kastration des Mannes. Wir leben im 21. Jahrhundert, die Gleichstellung der Geschlechter sollte eine Selbstverständlichkeit sein und ihre Implementierung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
27. Juni 2019, 12.30 Uhr
Ronja Merkel
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