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Zu Gast beim Dalai Lama

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Es ist schwül warm und ich bin spät dran. Der Weg von der S-Bahn bis zur Commerzbank-Arena zieht sich und scheint unendlich weit. Ich will zur buddhistischen Unterweisung des Dalai Lama am zweiten Tag seines Besuchs in Frankfurt. Bald jedoch werde ich merken, dass ein Weg noch weiter ist als der zum Stadion: nämlich der Weg, ein richtiger Buddhist zu werden. Dazu später mehr. Mit mir strömen reichlich Dalai-Fans zum Ort des Geschehens. Man erkennt sie an den Dauerkarten, die sie stolz an orangenen Bändchen um den Nacken tragen und an den verklärten Gesichtern. Sie tragen Mönchskutten oder auch Batiktops und bunte Walleschals um den Hals. Ja, Klischees treffen hier auf die Realität.
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Mein Ziel ist die Bühne, denn ich will den Dalai Lama von ganz nah fotografieren. Als ich das das letzte Mal versuchte, vor ein paar Jahren an der Paulskirche, hatte sich immer Roland Koch ins Bild gedrängt. Meine Enttäuschung ob der damals noch analogen, fertig entwickelten Fotos hätte nicht größer sein können. Doch dieses Mal lässt der Dalai Lama auf sich warten, ich blicke mich um. Das sonstige Eintrachtspielfeld ist voll besetzt mit sitzenden Zuschauern, einige haben es sich auf dem Rasen gemütlich gemacht, manche Tribünenränge sind ebenfalls gut besucht. Aber rund 10 000 Besucher sehen recht einsam in dem riesigen Stadion aus. Die Vorsitzende der Buddhistischen Union tritt gemeinsam mit einer Vertreterin des Tibethauses und einem Mönch der Pagode Phat Hue auf die Bühne. Sie repräsentieren die drei Organisationen, die seine Heiligkeit den 14. Dalai Lama nach Frankfurt eingeladen haben.
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Links und rechts von ihnen sitzen Mönche, in der Mitte wartet ein rot-goldener Thron mit einem seitlichen Treppenaufgang auf den Stargast, das geistige Oberhaupt der Tibeter. Die Veranstalter entschuldigen sich für die Probleme, die es am ersten Tag mit der Security gegeben habe, es seien lange Schlangen entstanden. Auch wird erklärt, dass der Dalai Lama- Besuch ursprünglich für sechs Tage ausgelegt war, dann aber wegen seines schlechten Gesundheitszustandes auf vier Tage verkürzt wurde, die Kosten jedoch die gleichen geblieben seien, weshalb man Spenden gerne annehme. Es ist unerträglich schwül im Stadion, am Samstag soll es noch heißer werden. Daher gestattet man ab sofort den Besuchern, originalverschlossene Wasserflaschen mit ins Stadion zu bringen. Man will ja nicht so sein. Das Publikum spendet tosenden Applaus.

dalai250 Fünf Minuten habe ich Zeit um am Bühnenrand mein Foto zu machen. Die Persönlichkeit des Dalai Lama begeistert mich seit Jahren, seine spürbare Aura und positive Ausstrahlung. Der Hype, der momentan um ihn entsteht, der stößt mich jedoch ab. Mit Mühe kann ich die Kamera ruhig halten, bin nervös, denn da ist er, läuft würdevoll zur Treppe und setzt sich im Schneidersitz auf den Thron – mit einem gewinnenden Lächeln. Genau das mag ich, aber alles geht so schnell. Sogleich geht es in medias res. Er spricht in Englisch und ich kann nicht folgen, denn ich muss den Innenraum mit meiner Kamera verlassen. Wenig später nehme ich auf der Pressetribüne Platz. Der Dalai Lama ist ein kleiner Fleck in der Ferne, der Kubus und zwei Leinwände helfen, etwa zu sehen. Nur akustisch bekomme ich kaum etwas mit. Kein Wunder, dass ich nichts verstehe. Der Dalai Lama hat die Sprache gewechselt, spricht tibetisch und liest aus Schriften vor, manchmal kichert er. Seine Worte werden anschließend ins Deutsche übersetzt. Mir fehlt der Einstieg, vielleicht bin ich nicht in der Stimmung oder die Materie ist so kompliziert philosophisch. Es reihen sich weise Sätze wie dieser aneinander, die ich leider nicht verarbeiten kann: „Nur durch die klare Erkenntnis der Realität ist es möglich, die Unwissenheit des Geistes zu überwinden.“ Ich erkenne die Realität, ich habe hier nichts verloren. Stattdessen schaue ich mich rund um das Stadion um.
pavillionsstraße250Das Stadion ist gesäumt mit gelben Dalai Lama-Fahnen, bunte Flaggen zieren das Stadion selbst und in Richtung Tramhaltestelle ist der Pfad mit weißen Verkaufspavillons gesäumt. Ich bin entsetzt. Klangschalen und Räucherstäbchen, Buddhas in allen Formen, Farben und Materialien, Frühlingsrollen und Maiskolben stehen hier zum Verkauf, selbst Mönche als kitschige Nippesfigürchen in teilweise respektloser Positur werden hier vertickert. Geld und Religion liegen manchmal nah beieinander und Buddhismus, Tibet & Co liegen derzeit im Konsumtrend. Das ist ein richtiger Markt. Fast enttäuscht mache ich mich auf dem Heimweg und denke an Pilgerstädtchen wie Lourdes, die ebenfalls mit den Gläubigen ordentlich Geld machen. Das scheint Religionsübergreifend zu sein. Ich beschließe am Sonntag wieder zu kommen, dann gibt es keine Buddhistischen Unterweisungen für Fortgeschrittene, sondern Diskussionsrunden über Hirnforschung und Wirtschaft. Vielleicht erlange ich ja dann ein Stückchen Erleuchtung.Fotos: Nicole Brevoord
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1. August 2009, 00.21 Uhr
Nicole Brevoord
 
 
Fotogalerie:
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