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Wo Pflanzen senkrecht wachsen

patrickblancPatrick Blanc kann man durchaus als Visionär, Künstler und Pionier bezeichnen. Ein wenig auffällig ist er zumindest, mit seiner grünen Kleidung und grünen Haaren. Der 1953 geborene Franzose nennt sich selbst schlicht Botaniker. International bekannt ist der Pflanzenkundler durch seine Erntwicklung der vertikalen Gärten (murs vegetaux), bei denen Pflanzen übereinander in der Senkrechten wachsen. In den vergangenen 20 Jahren hat er rund 200 verschiedene vertikale Gärten errichtet. Auf einer stets gleichen, patentierten Trägerkonstruktion aus Metall und PVC-Platten kann Blanc auf nahezu jeder Mauer oder vertikalen Fläche einen Garten anlegen. Dabei gedeihen die Pflanzen ohne Erde, ihre Wurzeln treiben sie in einem unverwüstlichen doppellagigen Kunststoffvlies, das aus recycelter Polyesterkleidung besteht. Daran werden die Pflanzen festgetackert. Dazu sorgt ein Berieselungssystem für die Versorgung mit Wasser und Mineralien. Wenn Blanc nicht gerade wieder in der Welt herumreist, um Wände zu begrünen – wie er es etwa in Bangkok, Sydney, Paris und Sao Paulo getan hat, erforscht er als Botaniker am renommierten französischen Forschungszentrum CNRS in Paris die tropische Pflanzenwelt. In Frankfurt wird der Botaniker im kommenden Jahr im Rahmen einer Ausstellung im Palmengarten seine Arbeit vorstellen und soll im Frühjahr 2011 auch den 1,3 Kilometer langen Zaun, der den Palmengarten umgibt, begrünen. Bei einem Vortrag von Patrick Blanc hatten wir Gelegenheit, mit dem ausgefallenen Botaniker zu sprechen.
kulturforumleblancmesnil
Vertikaler Garten auf 12x12 Metern: Kulturforum Le Blanc-Mesnil in Paris

>>Wie entstand die Idee, Pflanzen nicht auf der Waagrechten, sondern in der Senkrechten wachsen zu lassen?
Als ich etwa zwölf Jahre alt war, hatte ich eine Vorliebe für Aquarien und war fasziniert von den Wasserpflanzen. Ich experimentierte herum und die wichtigste Erkenntnis war, dass Pflanzen gar keine Erde benötigen, wie immer gesagt wurde, sondern nur das mineralienhaltige Wasser . Also versuchte ich Pflanzen zu züchten und nutzte viele Jahre später dazu auch einen Wischmopp, der viel Wasser aufnehmen konnte, als Nährboden, um zu erkennen, dass die Baumwollfasern schnell verrotten, während Kunstfasern länger halten. Bis es dann zu der Idee der vertikalen Gärten kam dauerte es insgesamt aber zehn Jahre.
fassade
Musée du quai Branly, Paris

>>Welche Pflanzen eigenen sich für die vertikalen Gärten?
Das hängt davon ab, wo man sie errichten will. Bei einem Hochhaus etwa ist das Klima ganz oben anders als auf dem Straßenniveau. Unten ist es meist eher feucht und schattig, oben sind die Pflanzen eher der Hitze, der Kälte und dem Wind ausgesetzt. Das muss man bei der Wahl berücksichtigen. Bei vertikalen Gärten in Räumen, wo es immer um die 20 Grad warm ist, eignen sich am besten tropische Gewächse, ansonsten bevorzugte ich heimische Pflanzen.

>>Gibt es Orte an denen es nicht denkbar ist, eine Wand zu begrünen?
Die Wüste. Das wird mit der Bewässerung schwierig (lacht). Aber selbst in nördlichen Regionen, wo das Klima kälter und rauer ist, kann man einen solchen Garten errichten. Dann muss man sich eben in der Vielfalt der Pflanzen beschränken. Das klappt prima, denn auch mit nur 20 Gattungen kann man interessante Strukturen aus der Mauer herausarbeiten. Generell gilt aber, je wärmer das Klima, desto artenreicher der vertikale Garten. Bis zu 300 Sorten setze ich ein.

>>Wie viel kostet die Herstellung eines vertikalen Gartens?
Es ist eigentlich schade, aber das teuerste daran ist der Metallrahmen, der dazu verbaut wird. Dann braucht man ja noch die PVC-Platten, das Vlies und die Bewässerung. Dann muss man mit 350 Euro pro Quadratmeter rechnen – ohne Pflanzen. Für die müsste man dann noch bis zu 250 Euro einkalkulieren. 500 bis 750 Euro pro Quadratmeter sind also letztlich realistisch. Klingt viel, wenn man das aber mit den Baukosten einer Steinmauer vergleicht, ist der Preis noch okay.
konstruktion
Metall und PVC-Platten bilden die Konstruktion

>>Abgesehen davon, dass die vertikalen Gärten sehr schön anzusehen sind, welchen weiteren Nutzen haben sie?
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten und kommt somit immer weniger in den Kontakt mit der Natur. Gleichzeitig entsteht zunehmend ein Bewusstsein für die Umweltprobleme. Die vertikalen Gärten sind da sehr ansprechend, weil es dabei auch darum geht, die Natur zu erhalten. Sie sind ein gelungenes Beispiel für die Kooperation der Menschheit mit der Natur. Auch psychologisch gesehen sind die vertikale Gärten wichtig. Sie haben einen entspannenden Effekt und sie sind einfach da. Wenn man einen herkömmlichen Garten betritt, setzt das eine bewusste Entscheidung voraus, hinaus ins Grüne zu gehen. Die begrünten Mauern jedoch begegnen einem einfach, manchmal sogar dort, wo man es nicht erwartet. Die Pflanzen haben darüber hinaus durch die Photosynthese einen positiven Effekt auf die Zusammensetzung der Luft, CO2 macht ihnen nichts aus – im Gegenteil. In den begrünten Wänden können auch Vögel nisten und sich Schmetterlinge, Insekten aller Art und Mikroorganismen wohl fühlen.

>>Wie lange hält so eine Pflanzenwand?
Ich kann da ja nur aus meiner persönlichen Erfahrung sprechen. Meine älteste bepflanzte Wand ist 27 Jahre alt und sieht noch hervorragend aus.
wohnzimmer
Wohnzimmer mit Aussicht

>>Während ihres Vortrags im Palmengarten waren auch Architekten des Büros Coop Himmelb(l)au anwesend, unter deren Leitung die Europäische Zentral Bank im Ostend erbaut werden soll. Werden Sie bei einer eventuellen Begrünung der Bürotürme behilflich sein?
Das gesamte Projekt klingt sehr interessant, bisher war das Treffen jedoch erst der erste Kontakt. Jedenfalls ist zwischen den beiden 130 Meter hohen, in einander geschlungenen Türmen ein Atrium geplant, das man begrünen könnte. Entweder mit vertikalen Gärten oder auch mit hängenden Pflanzen, so wie einen lebenden Vorhang. Aber das Projekt wird ohnehin erst 2014 fertig werden. Bis dahin ist also noch viel Zeit. Aber es wird spannend.
lafayette
Das Kaufhaus LaFayette in Berlin hat Blanc auch begrünt

>> Im nächsten Jahr werden Sie wieder in Frankfurt sein, wenn der Palmengarten in Zusammenarbeit mit dem Architekturmuseum eine Ausstellung unter dem Titel „Das Grün der Städte“ zeigt. Was wird Ihr Beitrag bei dieser Ausstellung sein?
Es werden europäische Landschaftsarchitekten ihre Ideen für das 21. Jahrhundert vorstellen und ich bin ein Stellvertreter von den insgesamt 20 vorgestellten Projekten. Wahrscheinlich werde ich meinen 2006 realisierten vertikalen Garten an der Außenwand des Museum Caixa Forum in Madrid genauer vorstellen.

Im Frühling 2011 soll, wenn möglich, die Errichtung des weltweit längsten vertikalen Gartens rund um den Palmengarten beginnen, denn das ist die beste Saison, damit die Pflanzen bis zum Herbst ihre volle Pracht entfalten. "Der vertikale Garten soll schon von außen deutlich machen, was die Besucher im Inneren erwartet", sagt der Leiter des Palmengartens, Matthias Jenny. Vier bis fünf meter soll die begrünte Wand hoch werden, die schon vorhandenen Bäume des jetzigen Zaunes integrieren und als Hingucker für die sonst vielleicht achtlos passierenden Autofahrer fungieren. Von Nahen können dann die Fußgänger die Pflanzen bestaunen, meint Jenny. Soweit die Idee, die Finanzierung jedoch ist noch nicht geklärt. Aber neben dem Palmengartenchef hat das angedachte Projekt schon einen weiteren Fan: die Umweltdezernentin Manuela Rottmann. Sie hält dem vertikalen Garten zu Gute, dass er dazu beitragen könne, die Luft in der Stadt zu verbessern.

Mehr zu den Projekten von Patrick Blanc erfährt man in seinem gerade auf Deutsch im Ulmer Verlag erschienen Buch „Vertikale Gärten – Die Natur in der Stadt“ und unter www.verticalgardenpatrickblanc.com

 
1. Oktober 2009, 15.07 Uhr
Nicole Brevoord
 
 
Fotogalerie:
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