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Thomas Bayrle im Gespräch

"
Alles eine Frage der Lymphe"

Der Künstler Thomas Bayrle spricht im Interview mit dem Journal Frankfurt über seine Teilnahme an der diesjährigen documenta in Kassel, über seine neue Heimat Sachsenhausen und warum unsere Kultur Lymphdrüsenprobleme hat.
Der Künstler Thomas Bayrle, Jahrgang 1937, thematisiert in seinen Gemälden, Grafiken und Videos das Phänomen von Masse und Konsum. Der ehemalige Professor der Städelschule ist mit zahlreichen Ausstellungen, so mit „Looping“ 2009 im Museum Ludwig Köln, zu einem der wichtigsten Künstler Deutschlands geworden. Im Interview mit dem Journal Frankfurt spricht er erstmals auch über sein Engagement bei der kommenden documenta 13 in Kassel, die am 9. Juni 2012 beginnt.

Journal Frankfurt: Sie sind ein alter Hase des Kunstbetriebs und kennen sich auch bestens auf dem documenta-Gelände in Kassel aus - schon 1964 und 1977 präsentierten Sie dort Ihre Arbeiten. Was bedeutet Ihnen diese Kunstausstellung heute noch?
Thomas Bayrle: Die Beteiligungen an beiden bisherigen Ausstellungen waren ganz marginal. 1964 - zusammen mit Bernhard Jaeger - ging es um einige Plakate in der Abteilung Industrial Design.1977 habe ich einige Stadtzeichnungen ausgestellt. In diesem Jahr wird es fast 'ne Retrospektive ... Es geht also um eine ganz andere Dimension. 



Über das Konzept des documenta-Kuratoren-Teams um Carolyn Christov-Bakargiev wird ein Mäntelchen des Schweigens gelegt. Dürfen Sie schon etwas über Ihren Beitrag verraten?
Ich denke, so etwas wie eine allgemeinverbindliche Übersicht kann, ja darf es nicht mehr geben. Der Moment, in dem unsere Kultur derzeit schlingert, ist aus meiner Sicht eher mit einer Lymphdrüsen-Problematik zu vergleichen, als mit einer gelungenen Magenoperation.
Der Respekt vor dieser Situation ist vielleicht mit den noch verhüllten Autos kurz vor der Eröffnung der IAA zu vergleichen. Demnach geht es im Vorfeld der documenta nicht um ein Mäntelchen, sondern um Verhüllung einer sich bis zum letzten Moment verändernden Situation.

Was genau meinen Sie mit Lymphdrüsen-Problematik und der gelungenen Magenoperation?
Die Bewußtseins-Layer, im Sinne von Schichtung, aus der unser Sein sich ständig konstruiert beziehungsweise zusammensetzt, bewegt sich auf der Grenze zwischen flüssig und fest. Ein Grad plus und das Ganze fängt bereits an zu schwabbeln, wird weich, beginnt zu fließen. Bei einem Grad minus ist bereits Erstarrung angesagt - und im ICE funktioniert die Heizung nicht ...

Sie meinen, die Aggregatzustände liegen eng beieinander. Wagnis bedeutet ja immer Risiko. Also, „no risk, no fun?
Risiko im Sinne eines "über den Tellerrand hinaus Springens" hat mich nie interessiert. Sondern die asiatisch-chinesische Variante: die Mitte "des Tellers" behaupten. Warum? Weil das eine Imperialismus im Sinne von Landnahme bedeutet, während das andere Intensivierung des eigenen Terrains meint. Risiko braucht man übrigens für beides ...

Und in welcher Beziehung zum Gesamtkonzept sehen Sie da Ihre Arbeit für die documenta 13?
Als alter Mann - nicht Hase - stelle ich ganz prosaisch ein paar ziemlich konservative Leistungen hin.



Noch vor zwanzig Jahren galt die documenta als DIE große Gesamtschau zum aktuellen Stand der zeitgenössischen Kunst in Europa, vornehmlich Westeuropa. Doch mittlerweile hat sie Konkurrenz in allen möglichen Ländern bekommen. Biennalen, nicht nur in Venedig, sondern auch in Istanbul, Berlin, Moskau oder Lyon erweitern das Bild. Die manifesta ist dazu gekommen, Kunstmuseen zeigen große Ausstellungen und liefern uns so Informationen zur jungen Kunstszene. Und auch große Messen vertreten selbstbewusst zeitgenössische Kunst. Hat die documenta als Großereignis eigentlich noch Sinn?
Ich antworte mit dem Finnischen Architekten Sarinnen: wenn etwas zu lang ist - mach' es länger! Im Falle der documenta: wenn sie zu langsam ist - mach' sie langsamer ...


Jetzt gehen wir mal von Kassel zurück nach Frankfurt. Sie und Ihre Frau Helke, die Filme macht, sind kürzlich vom Frankfurter Norden in einen Neubau mitten in Sachsenhausen gezogen. Was liegt Ihnen an diesem Viertel?
Nach 35 Jahren Eschersheim fühlen wir uns in dem schönen Haus von Marie-Theres Deutsch und in diesem Viertel sehr wohl!
Es hat von der Kleinkariertheit bis zur Großkariertheit alles, damit man nicht mehr darüber sagen muss ...

 

Hat die Veränderung dieser, ich nenn‘s mal "Wohnkultur", Einfluss auf Ihren künstlerischen Blick auf Frankfurt?
Wie gesagt, das Gebäude repräsentiert eine moderne Architektur, die Elemente zwischen Alt-Sachsenhausen und solchen von der anderen Seite intelligent und menschlich unterbringt ...



Und wo gehen Sie hin, wenn Sie mal um die Häuser ziehen?
Atschel - Friseur - oder ein auf die Straße projiziertes Fussballspiel
im Stehen an der Ecke ... alles irgendwie normal schön.



Und was machen Sie nach der Eröffnung der d13?
Dann machen Helke und ich eine Ausstellung in Polen. In Thorn, der Geburtsstadt meiner Frau.
 
7. Mai 2012, 11.02 Uhr
Interview: Grit Weber
 
 
Fotogalerie:
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