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Radiostar im Interview

Jörg Bombach: Radio muss mehr sein

Der Programmchef von hr3, Jörg Bombach, über die Renaissance von Live-Musik, die Landfrauen aus seinem Hessen-Quiz und warum sein Sender Großevents wie hr3@night stemmt.
Journal Frankfurt: Herr Bombach, den Sender hr3 leiten Sie seit 20 Jahren. Welche Veränderungen schreiben Sie sich auf die Fahne?
Jörg Bombach: Da ist zum Beispiel die Einführung der Clubnight. Oder die Farbe Rot als Erkennungszeichen der Welle, programmspezifisches Marketing und Pressearbeit und die Einführung einer kleinen, aber sehr feinen Führungsstruktur bei hr3. Mein persönlicher Knaller ist aber die U-Bahn-Station, die nun nicht nur Dornbusch, sondern auch Hessischer Rundfunk heißt.

Sie sind ein bescheidener Mensch.
Klar, Sie denken jetzt, die hätten da einfach nur ein neues Schild hingepappt. Aber: Das war ein Staatsakt. So etwas muss mit nahezu allen Verkehrsbetrieben in Deutschland abgestimmt werden.

Ein dickes Brett?
Richtig, und selbst wenn meine Kollegen sich hier manchmal über mich schlappgelacht haben, war meine Antwort: Mir egal, ich zieh das jetzt durch. Als Skorpion ist man ein zäher Mensch.

Nun sind Sie nicht dadurch, sondern durch TV-Sendungen wie dem Hessenquiz zu einem Gesicht des Senders geworden. Machen Ihnen die vielen Aktivitäten noch Spaß?
Ob ich das Gesicht des Senders bin, das müssen andere beurteilen. Was ich weiß ist, dass ich hier nach wie vor sehr gerne arbeite – und zwar sowohl im Radio wie im Fernsehen. Mit dem HR bin ich seit meiner Kindheit emotional tief verwurzelt. Für mich ist das positiver Stress - ich bin gerne sieben Tage die Woche im Sender.

Auch wenn Sie, so wie manchmal im Jahr, die Frühsendung am Freitag moderieren und um 3.30 Uhr aufstehen?
Um diese Zeit überlege ich mir: bist Du eigentlich völlig wahnsinnig? Warum tust Du das? Die Antwort kommt nach der Sendung, da kommt ein tausendfaches, unbestelltes positives Feedback.

Ist das das Ziel?
Das Ziel ist ein anderes, vermesseneres. Ein Ziel, das bis in meine Kindheit reicht. Damals war für meine Eltern der Höhepunkt des Fernsehjahres, wenn sie die Zimmerantenne aufs ZDF ausrichteten, um in der Vorweihnachtszeit die Peter-Alexander-Show perfekt empfangen zu können. Dem eifere ich nach. Ich möchte, dass irgendwann jemand sagt: der Bombach ist wieder auf Sendung, muss Winter sein.

Also sind Sie auf dem Weg zur großen Abendshow?
Gewiss nicht.

Und das Hessenquiz?
Im Radio gab es ähnliche Sendungen etwa von Hans-Joachim Kulenkampff früher schon mal - jetzt ist das große Hessenquiz eine der erfolgreichsten Sendungen des HR Fernsehens. Die Idee kam ja von unserem Intendanten, der erkannt hat, dass Hessen der Unique Selling Point des Senders ist. Der Erfolg gibt uns recht.

Und jedesmal, wenn ich es schaue, frage ich mich: warum eigentlich? Es ist doch sehr volkstümlich mit diesen nordhessischen Bauern, die was in ihrem Dialekt nuscheln.
Die hab ich lieb. Auch die Landfrauen, die Omis, deren Enkeltöchter. Wer bin ich denn, das ich mich über die erhebe?

Im Gegenteil: Ihr Akzent ist sogar ausgeprägter als jetzt in unserem Gespräch.
Ich kultiviere das Rheinhessische, das ist richtig. Ich hatte mal in den 80er-Jahren eine Fernsehsendung im Ersten, „Tip den Trend“ hieß die. War nicht unerfolgreich, wurde aber abgesetzt - gottseidank, wer weiß, wo ich dann heute wäre! Na, letztlich ist jeder der hochdeutsch spricht und kein Gesicht wie ein Eimer hat, im Fernsehen austauschbar wie Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer. Der Dialekt ist ein Alleinstellungsmerkmal.

Wo liegt eigentlich das Alleinstellungsmerkmal von hr3? Mittlerweile scheint hr1 eher Ihr früheres Publikum zu bedienen.
Wir sind etwas jünger geworden, wir konzentrieren Nachrichten zu bestimmten Zeiten, wir haben den Anteil der Comedy leicht erhöht. Auch um Sendern wie hr1 und hr4 etwas mehr Raum zu geben. Das Konzept geht aber auf. Im Laufe der letzten zehn Jahre haben wir fast 60 Prozent Hörer gewonnen. Bundesweit haben wir 1,5 Millionen Hörer am Tag – wir kommen da von 890 000. Das läuft schon alles richtig gut.

Braucht der HR denn noch soviele Radiowellen?
Es ist ja ein ständiger Prozess. Bei hr4 überlegt man genauso, sich den Hörgewohnheiten der Generation über 60 anzupassen und vielleicht irgendwann statt Zarah Leander mal mehr Beatles zu spielen.

Popmusik ist doch ohnehin generationsübergreifend geworden, das Swingalbum von Robbie Williams würde nirgendwo negativ auffallen.
Das ist ein gutes Beispiel. Scott McKenzie „San Francisco“, Manfred Manns „Mighty Quinn“, KC Jones’ „Don’t haha“ – es gibt so ein paar Lieder, die immer gut funktionieren.

Und dann ständig gespielt werden.
Nicht bei uns. Wir haben lediglich sechs Titel aus den aktuellen Top 20, die zweimal am Tag laufen. Was auch damit zu tun hat, dass uns die Leute wie SWR3 oder FFH auch im Schnitt unter einer Stunde hören – unter der Dusche, auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause, that’s it. Da kann man das bei einem Fundus von mehreren Tausend Liedern auch mal vertreten. Es gibt aber kommerzielle Jugendsender, die 200 bis 250 Lieder rauf- und runterspielen. Die sind damit vielleicht erfolgreich, sorgen aber auch für das umstrittene Image von Radio.

Viele sagen sich da: Auf dem iPod oder im Internet hab ich doch diese und noch viel mehr Musik. Warum noch Radio?
Das Internet führt ja gerade zu diesen schönen Begegnungen mit Hörern, die uns in Neuseeland oder in Argentinien empfangen, weil sie Sehnsucht nach ihrer alten Heimat haben. Radio transportiert Gefühle. Mit Radio wird Lokalkolorit in die Welt hinausgetragen.

Manch Frankfurter Band fühlt sich dennoch etwas vernachlässigt von hr3.
Ich kenn die Argumente, früher war ich ja selbst in Bands wie den „Straßenjungs“. Deren Lieder wurden damals auch nicht gespielt - gut, wahrscheinlich, weil die Texte ein bisschen zu versaut waren. Aber wenn es frische Popmusik aus Hessen gibt, dann spielen wir sie, regelmäßig zum Beispiel abends in der Sendung Madhouse. Den Vorwurf muss ich also zurückweisen.

Sie treten auch verstärkt als Präsentator von Live-Auftritten auf - bei intimen Gelegenheiten wie den „Ganz nah“-Konzerten oder großen Veranstaltungen wie nun wieder hr3@night. Ist das der neue Weg?
Wir haben eine große Affinität zu Live-Musik. Ein Großteil der Moderatoren und Redakteure spielt ein Instrument, wir haben allein vier Schlagzeuger, neun Gitarristen, etliche studierte Musiker, im Studio steht stets ein gestimmtes Piano. Das liegt uns im Blut – und bei hr3@night zeigen wir mal, was wir können.

Dieses Jahr kommen die Söhne Mannheims, kommen Aura Dione und Rea Garvey und viele mehr. Wie kann sich das ein Sender, der sparen muss, eigentlich leisten?
Eigentlich gar nicht, das würde normalerweise Millionen kosten und ich würde nachts kein Auge mehr zubekommen. Das Schöne ist aber, dass sich diese Veranstaltung über die Jahre entwickelt hat – die Künstler treten gerne dort auf, auch wenn wir ihnen kaum mehr als ein nettes Hotelzimmer bieten können. Diese Nacht hat eine Dynamik entwickelt, auf die ich wirklich stolz bin.

Muss ein Radiosender so etwas machen?
Wenn er es kann, dann muss er es machen. Ähnlich wie Künstler heute mehr auf ihren Live-Auftritt setzen, müssen auch wir raus zu den Leuten gehen, wenn wir unsere Reichweiten halten oder gar ausbauen wollen. Wer nicht zu den Leuten geht, der ist da raus.

Und als Sie beim Radio anfingen?
Da hat man mal einen Übertragungswagen aufgestellt, wenn Jimi Hendrix oder Led Zeppelin im Radstadion spielten.

Radstadion?
Ach, da bei der Commerzbank-Arena. Ist heute, glaube ich, ein Parkplatz. Heute sind wir nicht nur in Frankfurt mit großen Veranstaltungen präsent, sondern in allen Teilen Hessens.

Ihre letzte hr3-Disko-Party liegt schon lange zurück - wann legen Sie selbst mal wieder in Städten wie Korbach auf?
Ich habe das zweitausendmal gemacht und weiß heute noch im Schlaf, wo bei einem Zelt der Bühneneingang ist und welche verpiss­ten Stellen man auf dem Vorplatz zu meiden hat. Irgendwann hat sich bei mir die Sehnsucht eingestellt, an einem Samstagabend bei einem netten Italiener zu sitzen, Pasta zu essen und zwei Gläser Rotwein zu genießen.

Eine Version dieses Interviews erschien zuerst im Journal Frankfurt in der Ausgabe vom 13. März 2012

>> hr3@night
Mehr zum Programm auf journal-frankfurt.de und www.hr3.de
Web: www.hr3.de
 
23. März 2012, 10.34 Uhr
Interview: Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
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