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Foto: Barbara Walzer
Foto: Barbara Walzer

Fotografie in Frankfurt

Peter Seidel: „Für jedes Quartier einen Kunstverein!“

Peter Seidel ist vor allem für seine Fotografien aus dem Untergrund bekannt. Sein erstes Projekt entstand vor 45 Jahren, ans Aufhören denkt er nicht. Ein Interview über Inspiration, „regionale Umweltsauereien“ und mangelnde Ausstellungsflächen.
JOURNAL FRANKFURT: Herr Seidel, viele Frankfurter kennen Sie vermutlich durch Ihre Fotografien aus Frankfurt, seien es die Lost-Places oder die Hochhäuser der Stadt. Nun waren Sie zuletzt mit einer Ausstellung rund um Venedig zu sehen. Wie kam es zu dem Ortswechsel?
Peter Seidel: Seit 1993 war ich der Liebe, dann der Liebe zur Stadt wegen oft dort, fotografisch eine extreme Herausforderung, etwas Neues zu belichten. Also weg mit der Farbe, weg mit der Schattenproduzentin Sonne, weg mit den Menschen, weil alle sagen, „oh wie schön“ oder „guck mal der“, wenn Gesichter im Bild auftreten. Nur vorhandenes Licht, extremes Hochformat – als Stoppschild gegen den Augenschwenk, bitte stehenbleiben und sich auf das einlassen, was zu sehen ist. Aus der Nacht herausgemeißelte Lichtskulpturen, oft ungezählte Versammlungen von Belichtungen auf einer Stelle des Films, dadurch bis zu dreistündige Dokumentationen an Plätzen, die alle eins gemeinsam hatten. Meine Nachtwache in der leeren Stadt wurde immer dann von einem Glücksgefühl gekrönt, wenn ich an einem richtigen Ort ankam, die Stimme zu mir sprach „Hier muss ich ein Foto machen“.

Warum im Kunstverein Montez?
Meine Ausstellung „Unterwelten“ wurde dort vor zwei Jahren gezeigt, mit großer Resonanz und seit 1993 zum ersten Mal in Frankfurt. „Venezia black & light – i muri parla“ minimalistisch, statisch, scheinbar zeitlos, fokussiert auf den Sehnsuchtsort, war kontemplativer Kontrapunkt zur zeitgleich gegenüber gewölbefüllenden „The Culture“ der Schirn, die sich zielgruppiert unters Brückenvolk der Familie Montez mischt. Eine Strömung der Moderne trifft mit ihren 50 Jahren auf über 1200 Jahre sichtbaren Erbes eines gesellschaftlichen und politischen Erfolgsmodells. Wo bitte geht es zum Kern, habe ich mich zuerst oft gefragt, fraß mich durch die Regale der Bibliothek des Deutschen Studienzentrums Venedig, schrieb eine Anthologie, die keiner drucken wollte.

Peter Seidel: „Attraktive Fläche für Fotografie fehlt in der Stadt“

Sie meinten einmal, Sie hätten noch zig weitere abgeschlossene Foto-Projekte, es fehle jedoch an Ausstellungsflächen.
Insgesamt habe ich etwa 15 ungezeigte Projekte. 1982 beispielsweise entstand eins über einen illegalen Autofriedhof. Ob als persönliche Story, eine regionale Umweltsauerei, als Mahnung, poetisch a la „Schaurig ists, übers Moor zu gehen". Will bis jetzt Keiner zeigen. Hätte ich das damals gewusst, ich hätte sofort aufgehört zu fotografieren. Selbst an „National Geographic“ in den USA habe ich die Fotos damals geschickt, die wurde immerhin beantwortet im Gegensatz zu 99 Prozent aller Anderen. Attraktive Fläche für Fotografie fehlt in der Stadt, die Vorhandene ist ausgebucht mit Superstars. Mir macht es keinen Spaß, irgendeinen Flur mit meinen Arbeiten zu tapezieren. Und man muss aufpassen, sich nicht lächerlich zu machen, Herr Seidel, vorgestern in der Kunsthalle Rotterdam neben Roy Lichtenstein, heute beim Zahnarzt. Und viel zu oft wird erwartet, dass Fotografen die Bilder auf eigene Kosten gedruckt und gerahmt zur Verfügung stellen. Oder erstmal die Schnäppchenmiete von drei Tauis für drei Wochen Nutzung eines Raumes abdrücken.

Ein generelles Problem oder vor allem in Frankfurt?
Konditionen des Kunstmarkts allgemein. Darüber hinaus, dass man zeitgenössischen Fotograf:innen mehr Wertschätzung entgegenbringen kann, zeigen in Deutschland wenigstens ein paar andere Städte, wie Köln, Düsseldorf, Hamburg.

Müsste die Stadt mehr für Kunstschaffende tun? Flächen gibt es ja theoretisch – siehe die alte Dondorf-Druckerei.
Die Stadt macht schon viel für die Kultur, die USP Museumsufer hat das Stadt-Image vom Schlamm befreit. Sicher ein Desiderat, dass noch mehr Projekte gefördert werden. In der Kultur lauert natürlich die Konsum-Falle, bekommt dann den Freizeit-Stempel, ist auf der anderen Seite viel eher Bildung, und davon kann man nie genug haben. Leerstehende Flächen sind immer wichtig, Pop-Ups Geschenke dort, wo man als Kreativer kaum noch bezahlbare Dauerparkplätze findet.

„Schafft viele Montez! Für jedes Quartier einen Kunstverein.“

Was würden Sie sich wünschen?
Wenn das Kulturamt die Tophäuser wie Museen oder Spielhäuser verpflichten könnte, pro Jahr z.B. einen Slot für regionale oder relativ unbekannte Kunst zur Verfügung stellen zu müssen zu gleichen Bedingungen, gleicher PR-Maschinerie und gleichen Honoraren wie der Durchschnitt der Kassenhauer. Ausgewählt und kuratiert von hausexternen Gremien. Noch ein Wunsch: kombinierte Wohn- und Ateliereinheiten. Diese elende unnatürliche Trennung, gepinselt wird hier, deine Matratze musst Du woanders abhorchen. Und noch ein Wunsch: Schafft viele Montez! Frankfurt hat so viele Brücken, die geschlagen werden müssen. Für jedes Quartier einen Kunstverein.

Was folgt nun, haben Sie bereits weitere Projekte im Sinn?
Neben Auftragsarbeiten habe ich immer an freien Projekten gearbeitet, weil ich etwas sagen möchte. Auf einer Welle, einer Mode mitzuschwimmen, hat mich nie gereizt. Ich bin nur daran interessiert, den Menschen einen unerwarteten Mehrwert zu bieten, wie Konstrukteure von Geisterbahnen, die müssen heute eine Planung machen, womit sie die Besucher des Rummels noch in 30 Jahren in gefakten Schrecken schicken können. Ich setze allerdings den Schrecken ein, um Aufmerksamkeit zu generieren, damit Sachzusammenhänge zu erklären. Aktuell sind es drei neue Haupt-Projekte, eins in Europa, Stichwort Menschenwürde, ein Monographisches in Norditalien, eins flächendeckend in Deutschland. Klassisch Ausstellung, Buch. Fürs Erste starte ich in Kürze ein Crowdfunding, neue Erfahrung, wir werden sehen.
 
8. Mai 2024, 10.52 Uhr
Sina Eichhorn
 
Sina Eichhorn
Geboren 1994 in Gelnhausen. Nach einem Studium der Germanistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen seit Oktober 2018 beim Journal Frankfurt. Zunächst als Redakteurin, seit 2021 Chefin vom Dienst. – Mehr von Sina Eichhorn >>
 
 
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