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Ernst May

Von den Toten zu den Lebenden

Zu Ehren von Ernst Mays 125. Geburtstag eröffnet am Mittwochabend eine umfassende Ausstellung über den Städtebauer. Was können wir heute von ihm lernen? Ein Interview mit dem Direktor des Deutschen Architekturmuseums.
Journal Frankfurt: Die Ausstellung unternimmt den Versuch, das gesamte Wirken Ernst Mays zu zeigen. Von Entwürfen für Friedhöfe aus der Zeit des Ersten Weltkriegs bis zu Plattenbauten in den 50er- und 60er-Jahren. War es schwierig, die entsprechenden Exponate zusammenzutragen?
Peter Cachola Schmal: Es gibt ja nicht das eine Ernst-May-Archiv. Im Grunde genommen hat er an seinen Wirkungsstätten Spuren hinterlassen – was die Vorbereitung einer solchen Ausstellung zu einer Weltreise werden lässt. Hinter Ihnen sehen Sie das Impressum zu dieser Schau …

Sieht recht ausführlich aus.
Ist es auch. Sogar in Kanada sind wir fündig geworden – dort waren Pläne und Zeichnungen aus Mays Zeit in der UdSSR zu finden, die ein Mitarbeiter von ihm einst aus dem Land herausgeschmuggelt hatte.

Das treibt die Kosten in die Höhe.
So ist es. Bei Modellen und anderen Visualisierungen arbeiten wir mit Universitäten zusammen, aber die Transportkosten für Originaldokumente sind immens teuer. Deswegen sind wir auch froh, dass uns auch diesmal neben vielen anderen wieder der Kulturfonds Frankfurt-Rheinmain unterstützt, der uns bereits bei der Ausstellung zu Martin Elsaesser zur Seite stand.

Zwischen Elsaesser und May soll einst in Frankfurt nicht das beste Verhältnis geherrscht haben …
Nun, Ernst May kam einige Monate vor Elsaesser in Frankfurt an und gestaltete die Organisation der Baubehörde sofort um. Martin Elsaesser ging eigentlich davon aus, dass eine Doppelspitze installiert würde, doch als er vor Ort war, musste er feststellen, dass er lediglich einer von sechs Abteilungsleitern war. Das hat das Verhältnis sicherlich nicht einfacher gemacht. Es zeigt aber auch, dass der Spruch „First man hire first man, second man hire third man“ zutrifft. Ernst May war ein first man und er hat nur die Besten geholt. Und er war jemand, der PR betreibt. Wir haben einen sehr schönen Reprint der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Das neue Frankfurt“. Das ist keine Werbebroschüre für das Planungsamt, sondern es werden auch internationale Entwicklungen vorgestellt. Man glaubt es nicht, dass dies ein Blatt von 1928 ist. Wer schreibt, der bleibt – und Ernst May ist geblieben. Man kommt an ihm nicht vorbei.

Überraschend ist die Friedhofsarchitektur, die gleich am Anfang der Ausstellung gezeigt wird.
Das ist in der Tat etwas besonderes. Der Mann hatte ja Wehrdienst – und organisiert mit bis zu 20 Mitarbeitern den Friedhofsbau. Er ist eigentlich der Planer, was ihn auch später noch geprägt hatte.

Es ist auch wenig ironisch, zuerst Städte für die Toten zu errichten – und später für die Lebenden.
Manche sagen ja sogar, dass es Parallelen im Zeilenbau gibt.

Diese Linien sind tatsächlich deutlich.
Das lässt sich auch nur in so einer Gesamtschau zeigen. Die späten Siedlungen von ihm, stehen auch in dieser Tradition, auch wenn im neuen Wiesbaden sicher keine Führungen stattfinden. Dort wollte er ursprünglich die gesamte Altstadt abreißen lassen, ein Teil davon musste auch tatsächlich weichen, was ihm bis heute nicht verziehen wird. Das heißt: in Frankfurt war es einfach zu sagen – in den 20er-Jahren war er toll, später wahrscheinlich senil. Wenn man sein ganzes Leben betrachtet, muss man sagen: da gibt es eine Kontinuität.

Wollen Sie sagen, dass er sein Leben auf den Plattenbau hingearbeitet hat?
Das nicht. Aber er hat typisiertes Wohnen organisiert. Sein Planungstalent ist außerordentlich. Schauen Sie sich das neue Frankfurt an, das er in nur fünf Jahren realisierte. Allein für die Villa, die er damals errichtete, würden wir heute fast so lange brauchen. Er hat ein Amt neu strukturiert und Frankfurt umgebaut, in dem er die Besten holte. Gropius hat er Siedlungen bauen lassen und Poelzig mit dem Poelzigbau eingebunden. Überlegen Sie mal, was heutzutage in einer Legislaturperiode entsteht und vergleichen Sie. Es ist wirklich erstaunlich, was Ernst May damals geleistet hat.

Jetzt müssen Sie nur noch alle Planungspolitiker in Ihre Ausstellung bekommen!
Die werden natürlich sagen: May hatte eine wahnsinnige Machtfülle und einen Oberbürgermeister, der ihn unterstützt hat. Aus demokratischen Gründen dauert es heute natürlich auch länger. Aber selbst wenn man nur die Bautechnik betrachtet, ging es damals schneller. Das IG Farbenhaus ist als Stahlbau in nur 18 Monaten entstanden.

Um solche Leistungen zu vollbringen: wie ging er mit seinen Mitarbeitern um?
Ob er liebenswürdig war, lässt sich nicht rekonstruieren. Aber wie gesagt: er hat es geschafft, die besten Leute zu holen, und diese zu Spitzenleistungen anzutreiben. Aus Russland gibt es Zeugnisse darüber, dass seine Mitarbeiter unheimlich hart arbeiteten, aber auch viel Eigenverantwortung hatten. Er hat ihnen Freiraum gegeben und nicht alles kontrolliert, und sie auch vor den Auftraggebern geschützt. Vergleichbar ist das heute zum Beispiel mit Foster, der es auch schafft 1000 Mitarbeiter so zu führen, dass die Ergebnisse nach seinem Hause aussehen. Das ist auch bei May zu sehen: alle ziehen an einem Strang. Dieses planerische Talent hat sich schon früh gezeigt.

Foto: Ernst May in der Sowjetunion, 1931
 
27. Juli 2011, 11.49 Uhr
Interview: Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
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