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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Gesichter der Stadt

„Ich will keine Hirsche jagen“

Die Malerin Anna Nero lebt seit 1995 in Frankfurt. Im Gespräch mit dem JOURNAL FRANKFURT erzählt sie von ihrer Rolle als Künstlerin, warum sie nie mit ihrer Mutter malt und Frida Kahlo hasst. 
JOURNAL FRANKFURT: Sie entstammen einer Familie von Künstlerinnen. Sowohl Ihre Mutter als auch Ihre Großmutter, die kürzlich verstarb, sind Malerinnen. War es eine Zwangsläufigkeit, dass Sie auch Künstlerin wurden?
Anna Nero:
Ja, irgendwie schon. Aber ich hatte auch andere Berufswünsche. Jura und Medizin zum Beispiel. Erst nach meinem Abitur wurde das klarer.

Wie haben Sie zu Ihrer eigenen künstlerischen Handschrift gefunden?
Mein Stil unterscheidet sich ja deutlich von den Stilen meiner Mutter und meiner Oma. Ich male überhaupt nicht figurativ und kaum gegenständlich. Als ich noch in Mainz studierte, habe ich figurativ gemalt, aber eher schlecht. Meine Oma hat dies immer kommentiert und zum Beispiel gesagt, schau mal, die Hand ist falsch, der Fuß ist falsch. Da habe ich gemerkt, dass mich Figuren und Menschen eigentlich gar nicht interessieren. Ich habe gemerkt, dass ich gar kein Motiv haben will. Ich möchte eine Art von Arbeit entwickeln, die direkt auf der Leinwand passiert. Ich will zwar nicht sagen, dass meine Arbeiten keinerlei Einflüsse von außen haben, sie entstehen aber in einem geschlossenen Kosmos.

Sie haben in Leipzig studiert, in der Hochburg der figurativen Malerei.
Ja. Die Ausbildung ist sehr akademisch. Ich wollte zwar dorthin, aber habe dann gemerkt, dass ich einen anderen Weg gehen will. Ich habe den Anspruch, dass die Kunst, die ich mache, zeitgenössisch ist, aber dass sie vor allem meiner Lebensrealität entspricht. Und die Leipziger Schule finde ich eher altbacken, mit ihren Wäldern und Hirschen. Diese komische verklärte deutsche Romantik ist irgendwie passé. Das hat nichts mit mir zu tun. Ich will keine Hirsche jagen. Ich wollte einen Stil entwickeln, den ich als Frau meiner Generation angemessen finde.

Wenn Sie von Ihrer Lebensrealität sprechen – wie würden Sie diese beschreiben?
Meine Arbeit muss die Ästhetik widerspiegeln, mit der ich als junger Mensch konfrontiert bin. Damit meine ich Popkultur, Mode, Internet, Musik und Design. Alles, was mich prägt, was ich sehe.

Was spielt die Farbe für eine Rolle in Ihrer Arbeit?
Farbe spielt für mich eine wichtige Rolle. Meine Farben sind ja eher künstlich und haben nichts mit Natur zu tun, sondern eher mit Kultur, mit der von Menschen gemachten Künstlichkeit. Sie spielen mit einer Vorstellung von Kitsch und Popkultur.

Besonders Ihre Großmutter hat in ihren Arbeiten immer wieder Ausgrenzung und Migration thematisiert.
Für meine Arbeit sind diese Themen nicht besonders relevant, obwohl ich einer Minderheit angehöre. In den Arbeiten meiner Oma ist das anders. Da gibt es Bilder, die gewalttätige Menschen zeigen und solche die ganz konkret die Rolle der Frau in der Gesellschaft kritisieren. Ich bin aber in einer ganz anderen Gesellschaft aufgewachsen, sowohl geografisch als auch was die Rolle der Frau angeht.

Sind Sie ein religiöser Mensch?
(überlegt) Das ist eine schwierige Frage. Ich gehe nicht in die Synagoge und esse auch nicht koscher. Der institutionelle Glaube ist auch widersprüchlich zu meiner Position als Feministin. Das heißt nicht, dass ich nicht an G’tt glaube. Ich glaube nicht an die Rahmenbedingungen, die oft von Männern gemacht werden. Ich bin Jüdin, das ist Teil meiner Identität. Aber das kann ja auch eine kulturelle Identität sein.

Ihre Mutter lebt auch in Frankfurt. Malen Sie denn manchmal gemeinsam?
Nein! Ich würde nie mit meiner Mutter zusammen malen, das würde in Mord und Totschlag enden, weil wir sehr unterschiedliche Charaktere haben. Aber meine Mutter hat vor fünf Jahren angefangen, Keramiken zu machen. Sie hat sich da intensiv reingearbeitet und dann habe ich mich damit auch beschäftigt und mache nun ebenfalls Keramiken. Wir befruchten uns schon gegenseitig.

Wer inspiriert Sie in Ihrer Arbeit?
Vor allem Künstlerinnen. Tomma Abts zum Beispiel oder Hilma af Klint. Aber das wechselt auch immer mal wieder.

An den Kunsthochschulen studieren deutlich mehr Frauen, auf dem Kunstmarkt sind Sie leider immer noch nicht in diesem Verhältnis repräsentiert.
Ja, das stimmt, aber ich habe das Gefühl, dass meine Generation das verändern wird oder auch schon verändert hat. Es gibt ja dieses Frida-Kahlo-Phänomen. Ich hasse Frida Kahlo wie die Pest.

Das müssen Sie erklären!
Sie ist das perfekte Beispiel für das Falsche. Die Darstellungen von Frauen und Geburt. Sie konnte keine Kinder haben, wollte aber welche. Sie war so abhängig von ihrem Mann. Ihre Lebensgeschichte nervt mich. Dieser Ausnahmezustand als Frau, das will ich gar nicht sein. Die Frage ist: Warum sind Männer nach wie vor auf dem Markt überrepräsentiert? Wo sind die Frauen nach ihrem Abschluss? Viele Frauen der jüngeren Generation, die gut gebildet sind, landen in der Bananenbrot-Falle. Sie haben Kinder, gehen auf den Spielplatz und backen gerne Bananenbrot. Dazu sage ich, dafür haben wir nicht gekämpft, dass ihr jetzt Bananenbrot backen könnt!

Sie kamen mit sieben Jahren nach Frankfurt-Bockenheim und haben den Stadtteil seitdem nicht verlassen.
(lacht) Das stimmt. Zwischendurch habe ich zwar in Leipzig gewohnt, wo ich studiert habe, aber im Großen und Ganzen mit ein paar Ausflügen nach Detroit und Columbus habe ich immer in Bockenheim gewohnt. Ich kenne hier fast alles: die Ladenbesitzer, die Leute auf der Straße. Ich bin auf der Suche nach einem neuen Atelier, weil ich mehr Platz brauche und habe mir auch schon einen Raum angeschaut. Auch der ist in Bockenheim.

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Zur Person:
Anna Nero wurde 1988 in Moskau geboren und kam
1995 nach Frankfurt am Main. Sie studierte Malerei an der Kunsthochschule Mainz und an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Im Dezember 2021 gab es die erste Gemeinschaftsausstellung in Frankfurt, auf der die Arbeiten von Anna Nero neben denen ihrer Mutter Julia Ovrutschski und ihrer Großmutter Tatiana Ovrutschski zu sehen waren. Die Ausstellung „Drei Generationen jüdischer Künstlerinnen aus Frankfurt“ lief im Rahmen 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland in der Ausstellungshalle 1A.

Dieser Text ist zuerst in der Februar-Ausgabe (2/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
 
15. Februar 2022, 09.48 Uhr
Jasmin Schülke
 
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. – Mehr von Jasmin Schülke >>
 
 
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