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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Gesicht der Stadt

„Meinen Mut möchte ich weitergeben“

Shabana Maliki ist mit 15 Jahren aus Afghanistan nach Frankfurt gekommen. Im JOURNAL-Interview spricht sie über ihren Verein FrauEmpower, mit dem sie anderen helfen möchte.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Maliki, Sie sind in diesem Jahr mit dem Sonderpreis des Frankfurter Gründerpreises ausgezeichnet worden. Erzählen Sie uns von Ihrer Arbeit – was machen Sie genau?
Shabana Maliki: Ich bin Life- und Business-Coach, und meine Hauptklientel sind Frauen mit und auch ohne Migrationshintergrund. Da gibt es einen großen Bedarf. Aus meiner eigenen Geschichte weiß ich, wie es ist, als Migrantin nach Deutschland zu kommen. Dadurch, dass man in einer ganz anderen Kultur ankommt, die Sprache anfangs nicht kennt, ist das Selbstvertrauen erst einmal massiv minimiert. Mir ging es ähnlich – obwohl ich dann zur Schule gegangen bin, um meinen Anschluss nachzuholen, fühlte ich irgendwo in mir drin immer diesen Mangel. Das hat mir gezeigt, dass ich in mir selbst etwas ändern muss. Also diese Frage: Was hat das mit den anderen zu tun?, die habe ich dann weggelegt und mich erst einmal gefragt, was das mit mir selbst zu tun hat. So habe ich damals psychologische Unterstützung und Coaching gesucht und einige Erkenntnisse über mich gewonnen. Irgendwann bemerkte ich, wie meine Geschichte auch andere Frauen inspiriert – das war der Zeitpunkt, an dem der Wunsch nach Professionalisierung aufkam.

„Irgendwann bemerkte ich, wie meine Geschichte auch andere Frauen inspiriert“

Also Ihre eigene Biografie als Ausgangspunkt der Arbeit?
Mit zirka 15 Jahren bin ich aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Es gibt keine Geburtsurkunde, deshalb weiß ich das genaue Alter nicht. Mein Opa hatte mich verheiratet. Ich bin in einem patriarchalen Umfeld groß geworden – obwohl ich anfangs noch gedacht habe, ich könne hier zur Schule gehen, wurde das bald problematisch. Ich musste die Schule abbrechen, obwohl ich eigentlich noch schulpflichtig war. Irgendwann, als meine Tochter auf die Welt kam, wollte ich das nicht mehr mitmachen. Jetzt wollte ich auf eigenen Beinen stehen.

Haben Sie damals Unterstützung erfahren?
Ich bin zur Caritas gegangen, zur AWO, zum Jobcenter, immer mit dem Kinderwagen. Es hat eine Weile gedauert, bis mir jemand wirklich helfen konnte. Eine richtige Veränderung begann für mich mit SABA (dem Bildungsstipendium für Migrantinnen der Frankfurter Crespo Foundation, Anm. d. Red.). Mir ist bewusst geworden, dass ich als Frau davor fast keine Rechte kannte. Das SABA-Team hat meine Träume ernst genommen. Als Mensch so wertgeschätzt zu werden, hat mir unglaubliche Kraft verliehen.

„Mir ist bewusst geworden, dass ich als Frau davor fast keine Rechte kannte“

Ich wollte immer Ärztin werden und studieren – aber als Alleinerziehende war das schwierig. Also habe ich eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht. Tagsüber zur Schule, daneben ehrenamtliche Arbeit. Später habe ich dann doch studiert, mit einem Stipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung, und als wissenschaftliche Hilfskraft gearbeitet. In einem Projekt habe ich geflüchtete mit deutschen Frauen zusammengebracht und dort auch Bildungs- und Kulturprogramme organisiert. Irgendwann habe ich einen eigenen Verein gegründet, ‚FrauEmpower‘.

Was kann man sich unter einem solchen „Empowerment“ vorstellen?
Ich habe selbst gesehen, dass man die Heldin seines eigenen Lebens werden kann. Ich möchte Frauen Wissen und Werkzeuge an die Hand geben, wie sie im Hier und Jetzt ihr Leben gestalten können. Viele schreiben mir später, dass sie so viel Mut bekommen haben. Dieser Mut ist nachhaltig. Denn wenn ich mich selbst nie kennengelernt habe und immer jemand anders für mich entscheidet, dann zweifle ich meine eigenen Entscheidungen schnell an. Deswegen ist es gut, wenn Frauen erst einmal selbst innerlich stark werden.

Bildung als Mittel zur Weiterentwicklung und Weg in die Zukunft

Sie haben einmal gesagt, dass Sie Ihrer Mutter viel zu verdanken haben.
Unsere Vergangenheit macht uns mutiger. Ich kann meinen Fokus auf alles legen, was in meiner Vergangenheit ungerecht war. Oder ich kann meinen Fokus auf meine eigene Geschichte legen und sagen: Diese Vergangenheit hat mich stark gemacht. Weil meine Mutter ihren Schmerz, den sie erlebt hat, nicht wiederholen wollte, hat sie uns Mädchen immer gesagt: Ohne Bildung hat man keine Weiterentwicklung, keine Zukunft. Wir haben immer gesehen, wie sie sich für uns einsetzt, auch gegen Widerstände. Und trotzdem bin ich mit diesem Glaubenssatz aufgewachsen: Du sollst auf Deinem Mann hören, egal, was er sagt. Das hatte ich verinnerlicht. Aber als meine Tochter auf der Welt war, kam mir meine Mutter wieder in den Sinn. Ich wusste, dass ich jetzt diesen Schritt machen und diese Generation ändern muss.

Verändern sich indirekt auch die Männer, wenn sich die Frauen verändern?
Auf jeden Fall! Da verändert sich eine ganze Menge. Mein Vater beispielsweise war früher der Meinung, dass es reicht, wenn ein Mädchen lesen und schreiben lernt, da sie sowieso heiraten muss. Das war früher in unserem Umfeld einfach so. Aber heute sagt er zu jedem – besonders den afghanischen Geflüchteten: Du sollst die Sprache lernen, zur Schule gehen und Dich weiterentwickeln, auf eigenen Beinen stehen, egal, ob Frau oder Mann! Er ist sehr stolz auf meine Geschwister und mich, die Familiendynamik ändert sich. Aber auch die Gemeinschaft um uns herum. Natürlich gibt es noch immer Begriffe wie Ehre, aber man merkt, wie auch die Ängste abnehmen. Wenn ich die Außenwelt verändern möchte, muss ich erst einmal an mir selbst arbeiten.

Selbstakzeptanz – mit den eigenen Schwächen, Mustern und Glaubenssätzen

Sie beraten nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Unternehmen. Wie sieht Ihre Arbeit als Business Coach aus?
Stark wird man, wenn man sich akzeptiert, mit den eigenen Schwächen, Mustern und Glaubenssätzen. Das gilt auch in Unternehmen. Das Thema interkulturelle Kompetenz ist mir sehr wichtig: dass wir Menschen als Menschen sehen. Wenn ich weiß, dass ich selbst meine Ecken und Kanten habe, Vorurteile und Ängste, dann kann ich auch in den anderen besser hineinfühlen und diesen Unterschied sogar als einen Gewinn annehmen. Jeder Mensch hat besondere Fähigkeiten und Kompetenzen, die zum Unternehmen beitragen können.

Dann haben Sie jetzt erreicht, was Sie sich immer vorgenommen hatten?
Noch lange nicht! (lacht) Ich möchte noch viel mehr Menschen inspirieren. Bücher publizieren. Eine Akademie gründen. Und irgendwann auch eine Stiftung. Warum eine Stiftung? Weil ich selbst erlebt habe, was diese Unterstützung ausmacht. Meinen Mut möchte ich weitergeben.


Info
Zur Person: Shabana Maliki berät als Life- und Business-Coach schwerpunktmäßig Frauen mit und ohne Migrationshintergrund sowie Unternehmen. Daneben engagiert sie sich in Integrationsprojekten und Vereinen. Sie war Finalistin beim Frankfurter Gründerpreis 2023.
 
24. Dezember 2023, 10.29 Uhr
Katharina J. Cichosch
 
 
Fotogalerie:
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