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Stephan Thoss und das Alleinsein
Noch immer ist in Wiesbaden der Kulturkampf um Ballett-Chef Stephan Thoss nicht beigelegt. Das in weiten Teilen erzkonservative Publikum will Spitzentanz und klassisches Ballett - Thoss hingegen ist ein vehementer Vertreter des modernen Ausdruckstanzes. Die Folge: Die Auslastung des Tanztheaters am Hessischen Staatstheater strebt gegen Null, Premieren vor halbleerem Haus sind keine Seltenheit. Am Samstag hat Thoss nun seine beiden Choreografien zu "Solitaire" von Béla Bartók und "Le Sacre du Printemps" von Igor Strawinsky vorgestellt. Und es kam, wie nicht anders zu erwarten: Selbst im Parkett blieben Sessel leer.
Nun gut, beide Choreografien sind keine brandaktuellen Arbeiten. Bartók war schon 2006 in Essen und Strawinsky im gleichen Jahr in Hannover zu sehen. Aber dennoch sind sie eine solide Bestandsaufnahme der aktuellen Bildsprache des Wiesbadener Ballett-Chefs. "Solitaire" lebt von dem Beziehungsgeflecht der Akteure untereinander. Es geht um Einsamkeit, um Alleinsein, um den Verlust der Sehnsucht. Tadellos vor variablen Stellwänden mit barockem Muster getanzt, stimmig ausgestattet, schlüssig umgesetzt.
Auch sein Strawinsky ist eine weitgehend stringente Abwandlung des ursprünglichen Stoffes, bei dem es um die Darstellung einer Naturgewalt und ihrer Wirkung auf die Menschen geht. Leider fallen hier die handwerklichen Schwächen der Truppe arg ins Gewicht: Synchronität ist bei den Massenszenen mit bis zu 20 Akteuren ein völliges Fremdwort. Auf der Haben-Seite zahlen hingegen Wolfgang Ott und sein Orchester ein. Selten hört man die rhythmisch und metrisch komplizierten Strukturen derart präzise und strukturiert gespielt. Ganz großartig!
Die Frage, die der Abend wieder einmal stellte: Muss ein Ballett-Chef sich seine Arbeitsweise vom Publikum diktieren lassen? Die Antwort: Ganz eindeutig nein. Stephan Thoss muss einfach bei seiner Ästhetik bleiben, wenn das Staatstheater seine künstlerische Glaubwürdigkeit behalten möchte. Bürgerinitiativen und Proteste hin oder her. Und selbst wenn das Publikum den Wert der Arbeit nicht erkennen will. Das Geld aus dem Verkauf der Eintrittskarten ist ohnehin an einem solchen Haus fast vernachlässigbar.
Foto: Kaufhold
16. Februar 2009, 07.19 Uhr
Christian Rupp
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