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Schoyfler trifft auf die Tiger Lillies

„Ich war ein ganz angepasstes und braves Kind“ – Der Frankfurter Sänger Schoyfler trifft auf die Tiger Lillies aus London mit ihrem „Struwwelpeter“-Programm.

Wenn das britische Avantgarde-Kabarett-Trio Tiger Lillies am Dienstag, 2.2., 21 Uhr in den Mousonturm ins Ostend kommt, dann haben die exzentrischen Musiker diesmal u.a. den „Shockheaded Peter“ im Programm. Damit kehrt der „Struwwelpeter“ an den Main zurück, schließlich stammt das Kinderbuch aus der Feder des Frankfurter Arztes Heinrich Hoffmann und beschreibt – wie bekannt – durchaus amüsant physische und psychische Störungen bei (jungen) Menschen. Als Support steht ihnen ein weiterer Frankfurter zur Seite: Schoyfler , den man – denkt man an seiner Performance schon bei der Frankfurt City Blues Band – auch respektvoll einen Zappel-Philipp nennen könnte. Lustigerweise stand übrigens hier im Blog schon vor geraumer Zeit über Schoyfler, dass seine Musik – neben vielem anderen mehr – auch an die Tiger Lillies erinnere. Jetzt kommt es zur Begegnung der Künstler. Zu diesem Anlass stellen wir Schoyfler gerne noch einmal im O-Ton vor.
Die Meisten kennen Dich vor allem als Sänger der Frankfurt City Blues Band. Auch da hat es Dir nie genügt, nur den Blues zu singen, sondern man sah Dich durchaus als die sehende, weiße Antwort auf Ray Charles – ein Mann, ständig in Bewegung. Hat man Dir diese „Hypermotorik“ und auch eine gewisse Exzentrik schon in die Wiege gelegt?
Schoyfler: In der Wiege lag wohl nur ein Schnulli. Aber ich kann mich an eine
Zeit (ca. 70er Jahre) erinnern, die mich geprägt hat, in der neue Bands im Radio gefeiert wurden, weil sie einen neuen Sound kreiert hatten bzw. weil sie sich von anderen Bands unterschieden. Vielleicht gibt´s das heute auch noch und ich bekomme er nur nicht mit. Aus dieser Aufbruchstimmung ist bei mir hängen geblieben, dass ich nichts zu machen brauche, was es schon gibt. Ich nenne das manchmal meinen innovatorischen Imperativ. Das heißt nicht, dass ich glaube, das Rad bzw. den Dreiklang neu erfinden zu können. Ich verstehe mich als Künstler als jemand, der getrieben ist von der Suche ist nach seiner Sprache. Und in dem Maß, in dem es mein Ausdruck ist, wird es etwas Neues sein. Und wenn es manchmal etwas exzentrisch daherkommt, könnte es daran liegen, dass mir öfters der
Gaul durchgeht mit der Lust am Experiment.

Eine Band hat Dir nie genügt, es gab „Nebenprojekte“, nicht nur Ausflüge in mexikanische Gefilde, zudem bist Du Autor, Maler – ein Allround-Künstler?
Tja, die vielen Ideen im Kopf müssen umgesetzt werden und dann macht man Ausflüge. Ein für mich wichtiger war das Avantgarde-Projekt "Parallelaktion", in dem wir die musikalischen Grenzen ausloteten. Und
viel Spaß machte die Verkleidung als Mexikaner Narciso Andrés, auch wenn es musikalisch eine Sackgasse war. Doch jeder Versuch bringt einen weiter. Ich halte es da mit Beckett: "Scheitern, wieder scheitern, besser scheitern!" Und das mit der Multibegabung ist eine Crux. Ich konnte mich nie entscheiden, ob ich jetzt Maler bin oder Musiker und manchmal denke ich, das hinderte mich oft daran, mich auf eine Sache vollkommen einzulassen. Gab es Probleme mit der Musik, mit der ich nicht weiterkam, dann zog ich mich ins Atelier zurück und ließ die Musik Musik sein. Und fiel mir in der Malerei nichts ein, blieb ich nicht dran, sondern setzte mich tagelang ans Klavier. Gleichwohl kann ich weder das Eine noch das Andere lassen. Und von der Baustelle Literatur wollen wir gar nicht reden ... Ach ja, mein Leben ist halt die Kunst ...

Wie befruchten sich die unterschiedlichen Kunstformen gegenseitig?
Ich denke, es geht bei der Musik, der Kunst und der Literatur immer um die gleichen Kriterien bzw. Parameter. Auf einem Bild, in einem Gedicht geht es auch um Rhythmus, in der Musik geht es auch u.a. um
(Klang-)Farbe und Ausdruck. Spannung wird erzeugt durch Gegensätze oder Größenverhältnisse. Ich denke, wenn ich gerade an einem Song bastele, nicht an Malerei und wenn ich einen Text schreibe, höre ich keine Musik, aber ich wäre nicht der Musiker, der ich bin, wenn mein Kosmos nicht die Kunst und die Literatur mit einschlösse.

Zuletzt hast Du als AAugust und die falschen Hasen das Publikum überrascht, dann bist Du ins Hazelwood-Studio gegangen und kamst als Schoyfler wieder raus... Was ist da passiert?
Das hast Du gut formuliert: Kam als Schoyfler wieder raus. Ich ging im Oktober 2008 zu Gordon Frierich ins Hazelwood Studio, um unsere erste CD "Rauschwerte" aufzunehmen, weil ich ihn für einen ausgebufften und kompetenten Produzenten halte. Ich hatte nicht genug Distanz zu meiner Musik und wollte, dass er als Außenstehender Einfluss nimmt auf die Songs und ihnen einen einheitlichen Schliff gibt. Die Musik hat sich dann tatsächlich verändert und ich musste manchmal schlucken, weil ich es so nicht erwartet hatte, aber mittlerweile halte ich die CD für sehr gelungen. Und die Namensänderung ist auch ein Ergebnis des Prozesses im Studio: Gordon meinte eines Tages, "AAugust und die Falschen Hasen" klinge nach Karnevalsband und unsere Musik hätte, einen ernsteren Namen verdient. So einigten wir uns auf meinen bürgerlichen Nachnamen, aber mit OY, zur Unterscheidung: Scheufler bin ich, Schoyfler ist die Band.

Du trittst in unterschiedlichen Besetzungen auf, hast aber immer ein interessantes Instrumentarium? Dich einfach nur mit deutschsprachigen Songs zufrieden zu geben genügt Dir nicht. Was treibt Dich um, was sind das für Geschichten, die Du erzählst, wo siehst Du Dich musikalisch?
Das sind zwei Fragen. Zu den Texten: das sind keine erlebten Geschichten, sondern erfundene. Ich habe einen Song gemacht und nun brauche ich einen Text. Dann überlege ich, was für ein Thema könnte zu der Art der Musik passen. Ich habe auch ein Heft, in das ich Ideen für spätere Songs schreibe. Und da geht es um besondere Aspekte der Liebe oder um gesellschaftliche und politische Themen, die mich bewegen. So war ich einmal genervt und wütend über die aggressive und dämliche Bilderflut, mit der von Plakatwänden herunter für irgendeinen Dreck geworben wird und dann schrieb ich in das Heft "Geht es auch subtiler" und das war später ein Refrain. Und aus der Wut darüber, dass es Menschen gibt, die so viel Geld verdienen, dass sie sich jeden Monat zwei Villen kaufen könnten, wurde "Ackermann hat mir´n Haus geschenkt". Die Texte fliegen mir nicht zu und ich feile manchmal Wochen daran. Für "Geronto XL" habe ich fast ein Jahr nach dem Haken gesucht.
Zur Musik: meine Musik wird ja öfters mit Tom Waits oder auch mit Kurt Weill assoziert. Tatsächlich habe ich mich damit viel beschäftigt, d.h. mit einzelnen Aspekten von deren Musik. Bei Waits interessierten mich hauptsächlich die sparsamen Arrangements und die Instrumentierung der Aufnahmen aus der Mitte der 80er Jahre wie "Rain Dogs". Von da kommt man natürlich schnell zu Weill, denn von dessen phantastischen
Orchestrierungen etwa der Dreigroschenoper hat er ja das Meiste. Habe mir gerade vor kurzem eine Partitur davon besorgt, um dahinter zu steigen, wie das geht. Aber das sind Einflüsse. Ich will sie nicht kopieren. Ich denke, ein besonderes Element bei mir ist auch das rhythmische. Seit einiger Zeit experimentiere ich mit Taktwechseln im Stück und probiere ungewöhnliche Taktarten wie 5/4 oder 7/8 Takt, auch im Wechsel, aus. Das klingt dann manchmal zunächst etwas sperrig, macht mir und meinen wunderbaren Bandboiz aber einen tollen Spaß, wenn wir uns erst mal drauf eingegroovt haben. Und ich glaube, dass wir damit ziemlich eigenständig sind. Ich kenne zumindest niemanden, der auch so was macht. Und wichtig ist mir bei den Arrangements auch die polyphone Stimmführung. Viele Instrumente laufen gegeneinander und verzahnen sich zu einem komplexen Ganzen. Ganz schön ausgetüftelt, aber da wird für mich Musik interessant ...

Für Extravagantes scheint es im Moment nur bedingt einen Markt zu geben, trotzdem gibt es immer wieder kleine Erfolgsmeldungen, gute Kritiken und mehr...

Es stimmt, dass es nicht einfach ist, das an die Leute zu bringen. Ein Herr von einer großen Produktionsfirma ließ mich einmal wissen, das sich diese Musik nicht verkaufen ließe. Das sei ja Kunst. Ich überlegte am Anfang noch, dass ich das ja in mein Info rein nehmen könnte, hab´s dann aber gelassen. Aber wenn wir eine Agentur hätten, wär´s nicht schlecht. Es kommen immer mehr gute Rezensionen und Feedbacks, die mir Mut machen. Im Vorfeld des Auftritts am Dienstag im Mousonturm ist das nun schon mein drittes Interview. So viele hatte ich in den letzten 5 Jahren nicht. Ich habe den Eindruck, viele merken, dass es etwas Besonderes ist. Und überregional nimmt man es auch wahr. In der Liederbestenliste des Deutschlandfunks steht unser Titel "Was ist" im Januar auf Platz 4. Und der Klops: im November 09 erhielt ich beim Liederfest Hoyerswerda, einem Liedermacherwettbewerb, der Jurypreis. Des is doch was!

Nach Konzerten in der Romanfabrik und im Sinkkasten zuletzt sieht man Dich jetzt am Wochenende im Mousonturm. Lustigerweise stand hier im Blog schon vor einem Jahr in einer Auflistung von Gruppen, an die Deine Musik erinnert, der Name der Tiger Lillies. Jetzt spielst Du Support für die skurrilen Briten. Kanntest Du Sie vorher und denkst Du Du wirst den Nerv ihres Publikums treffen?
Ich glaube, etwas Besseres konnte uns z.Z. gar nicht passieren. Das passt wie die Faust auf´s Auge. Bin sehr gespannt auf sie. Habe sie noch nicht live gesehen, kenne aber Aufnahmen von Ihnen. Letztens erst
deren CD "The Gorey End" mit dem Kronos Quartett eingelegt.

Die Tiger Lillies bringen diesmal ja den „Shockheaded Peter“ auf die Bühne – wahrlich ein Frankfurter Programm. Welche Erinnerungen hast Du an den „Struwwelpeter“ und wie hast Du ihn für Dich immer interpretiert? Auch „psychologisch“?

Ich war ein ganz angepasstes und braves Kind und lernte meine Lektionen, schaute mir immer wieder die Bilder an genauso wie die frommen in dem Bilderbuch über die Schöpfung und die Wichtelei im roten Ei, bis die Bücher zerfleddert waren. Am Daumen habe ich weitergelutscht, nein, an Mittel- und Ringfinger und traumatisiert wurde ich bei anderer Gelegenheit.

Vor Deinem Konzert bist Du kurz davor noch beim Konzert von Element of Crime am Samstag. Du hast mal gesagt Sven Regener sei sicherlich einer der Intelligentesten der Branche. Was gefällt Dir an ihm und wo siehst Du weitere Geistes- und Seelenverwandte in der deutschsprachigen Musik?
Ich habe Element of Crime bzw. die Texte von Sven Regener erst vor ca. 2 Jahren kennen gelernt. Ich suchte mal wieder einen Text für einen neuen Song und fand keinen. Da brachte mir eine Freundin einen Stapel Papier mit Texten einer CD von Sven mit und ich las sie. Ich las sie intensiv, immer wieder und analytisch, weil ich rausfinden wollte, warum ich die Texte gut fand. Das ist Poesie, das sind starke Bilder,
das hat Form und ich glaube, ich habe mir damals einfach eine Scheibe davon abgeschnitten. Und weitere Seelenverwandten? Da fällt mir zur aktuellen Szene nichts ein. Das mag daran liegen, dass ich nicht viel
höre. Früher die Politischen wie Degenhardt und Biermann haben mich ob ihrer Sprachgewalt beeindruckt, einiges von Wecker fand ich auch ganz gut. Ich glaube, Stoppok hat mich noch beeindruckt.

Interview & SW-Fotos: Detlef Kinsler, sonstige Bilder: Hazelwood
 
30. Januar 2010, 08.32 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
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