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Romantikmuseum

Bitte keine teure Gruft

"Frankfurt braucht kein Romantikmuseum, um geliebt zu werden", meint unsere Autorin Viola B. Hollings. Das Haus wäre lediglich ein touristischer Happen, der nach trockenem Papier und Tinte schmeckt.
„Heißere Wollust durchbebt die Seele, / Durstiger und hungriger wird das Herz: / Und so währet der Liebe Genuss“, seufzte der Frühromantiker Novalis aufs Büttenpapier. Sätze, die noch immer ins Gemüt gleiten wie ein glühendes Messer in Butter. Novalis machte aus seinem Herzen keinen Hirschgraben, „mir wird’s so weit im Busen drin“. Fast der gesamte Nachlass des lungenkranken Dichters befindet sich im Frankfurter Goethe-Haus, Handschriften aus einer Zeit, als niemand Kerzenschein und heißes Wachs automatisch mit einem erotischen Warm-up gleichsetzte. Entsprechend unleserlich ist vieles auf dem fleckigen Papier.

„Die deutsche Romantik braucht ein Museum!“, ruft die Loreley vom Rheinfelsen, und die Schiffer am Main gehen ihr auf den Leim. Der Gesang der blonden Sirene ist süß. Die Schätze, die das Goethe-Haus hat, sollen in einen sicheren Hafen gebracht werden. Und von dort wie ein Leuchtfeuer des deutschen Gefühls die Massen anziehen. Banaler: ein gut verdaulicher Sandwich-Belag zwischen Wölfchen Goethe und neuer Altstadt. Dieser touristische Happen wird nach trockenem Papier und Tinte schmecken, denn die Romantik ist vor allem eines: viel Text. Hinzu kommen ein paar nette Gemälde, vielleicht Haarlocken von den toten Dichterschädeln und gewiss irgendein geblümtes Sitzmöbel. Alles fein im Dämmerlicht. Solche stillen Museen kennt jeder, man geht dort unwillkürlich wie auf Wattebäuschen. Busrentner suchen die Toilette und Schulklassen den Ausgang. Auch in Frankfurt könnte mit den besten Absichten eine schöne und teure Gruft der Romantik entstehen, geschuldet einem Besitzerstolz und unserer seltsamen Sehnsucht nach Herzschmerz und Identität. Da ist es nur eine lästige Fußnote, dass kein wirklich wichtiger Romantiker mit Frankfurt verbunden ist. Besucher, die etwa Fachwerk per se mit deutscher Schunkelromantik verbinden, werden wohl auch das schlucken.

Ich sehe Rauchsäulen aus den mit Vergissmeinnicht bepflanzten Gräbern der Romantiker steigen. Unten rotieren ihre Leiber heiß. Die romantische Idee ist zur Hure geworden. Es geht ums Geschäft. Selbst ein Eierkocher kann „romantisch“ sein, nur weil er mit Blüten verziert ist. War für die Dichter der Liebesakt eine spirituelle, hohe Feier, traut sich heute ein Verleger von Erotikbüchern zu sagen, er sei ein „romantischer Sadist“. Diese inflationäre Beschwörung ist sterbenslangweilig, ein gutes Archiv dagegen nicht. Frankfurt braucht aber kein Romantikmuseum, um geliebt zu werden. Ernste Mauern sind „der Liebe Kartenhaus“.

Eine Version dieses Textes erschien unter der Überschrift "Liebesnestbeschmutzer" zuerst in der Printausgabe des Journal Frankfurt vom 2. Juli 2013.
 
25. Juli 2013, 10.57 Uhr
Viola B. Hollings
 
 
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