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Michael Wollny bei Jazz im Museum

Wegen der Liebe in Frankfurt

Michael Wollny ist in Frankfurt angekommen. Auch wenn noch nicht alle Jazzfans wissen, dass der Pianist inzwischen in Sachsenhausen lebt. Mit dem Trio [em] eröffnet Wollny den Jazz im Museum im Garten des Liebieghauses.
JOURNAL FRANKFURT: Am Sonntag startet der Summer In The City in Frankfurt mit Jazz im Museum. Eine Reihe, die Sie schon kennen. Welche Bedeutung hat er im Kontext der zahlreichen deutschen Jazz-Konzertreihen und Festivals?
Michael Wollny:
Wenn Sie mich so fragen, dann muss ich antworten: Jazz im Museum findet Open-Air statt, das ist besonders. Die Konzerte finden vormittags statt, das ist ungewöhnlich. Und es ist das einzige Festival, das ich von meiner Wohnung aus zu Fuß in weniger als fünf Minuten erreichen kann. Das ist für mich einzigartig. Abgesehen davon bin ich natürlich Fan des Mousonturm und seines Programms, daher fühle ich mich geehrt, Teil einer Reihe zu sein, die ich ansonsten selbst gerne besucht hätte.

Sie starten dieses Jahr nicht nur die Reihe mit [em], sondern beschließen sie auch im Duo mit Heinz Sauer – eine Besonderheit. Vielleicht so nicht konzeptionell geplant vom Veranstalter, aber irgendwie doch auch eine Wertschätzung und ein Indiz dafür – im Jazz kommt man an Michael Wollny schon lange nicht mehr vorbei?
Naja, wir wollen mal auf dem Boden bleiben. Über die Wertschätzung, gleich mehrfach auf einem Festival vertreten zu sein, habe ich mich aber tatsächlich sehr gefreut - ich sehe es aber eher als Herausforderung, an beiden Enden des Sommers keine Langeweile aufkommen zu lassen.

Welche Facetten erlebt der Frankfurter Jazz-Fan in diesem Jahr von Michael Wollny, nachdem er ihn schon zum Start des Jazz im Palmengarten mit Ralf Hübners Universe als „Ensemblespieler“ erlebt hat? [em] allein als das komponierte Bandkonzept zu sehen und das Duo mit Sauer als ungeprobte Improvisation würde sicher zu kurz greifen? Was machen für Sie den Reiz des einen und den Reiz des anderen aus?
Letzten Endes gibt es nicht so sehr die Reize des einen und die Reize des anderen; es geht immer um den Moment des Konzerts. Sicher, man hat in verschiedenen Projekten verschiedene Territorien vor sich, alleine schon Duo- und Trioformate unterscheiden sich ja grundsätzlich in Klang, Vokabular, Grammatik. Aber der Reiz ist immer die Herausforderung des Moments - also offen, wahrhaftig und echt zu sein. Vielleicht sagen wir so: in den verschiedenen Projekten entstehen verschiedene Wege und Techniken, ganz bei sich und der Musik zu sein. Vielleicht ist das Aufspüren immer neuer Routen der Reiz dieser Musik.

Nicht genug damit gibt es Wollny auch solo in diverser Konstellation (Kühn, Bleckmann, Thomas D.) und im für viele überraschenden Zusammenspiel mit der Cembalistin Tamar Halperin – alles „Jazz“ oder reicht Ihnen das Genre allein nicht? Wenn man so nachliest, mit was Sie sich seinerzeit auf der Insel Gotland beschäftigt haben, gibt es höchst unterschiedliche Inspirationsquellen... Bringt das das „Neue im Jazz“, mit dem man Dich immer in Verbindung bringt? Konventionen, nein danke! Immer neue Abenteuer, ja bitte!
Wie gesagt, neue Routen finde ich spannend, eigentlich sogar essentiell für mich. Und eine neue Seilschaft bringt oftmals auch einen neuen Einstieg in den Berg, auf den man alleine noch gar nicht gekommen wäre. Allerdings muss es gar nicht um den Anspruch gehen, ständig den gesamten Jazz neu zu erfinden. Aber ich finde, dass man der Musik anhört, ob der Musiker - sozusagen von der Situation überwältigt - gerade Neuland für sich entdeckt, oder ein Lick abspielt, das an dieser Stelle schon vierhundertmal funktioniert hat. Da wird das „Neue“ für mich zu einem Kriterium von Qualität. Das gleiche gilt im Übrigen auch für Marketingkonzepte, Politikerreden, Kinofilme. Don‘t trust the licks.

So auch nicht konzipiert, steht doch das Klavier im Mittelpunkt von Jazz im Museum, wo neben Ihnen auch noch der Inder Vijay Iyer, Yaron Herman und Carsten Daerr auftreten. Welche Rolle hat der Flügel im Jazz und gibt es Pianisten, die Sie ganz besonders auf den Weg gebracht haben?
Für mich wegweisende Pianisten: Joachim Kühn, Richie Beirach, meine Lehrer Chris Beier und John Taylor. Der Flügel im Jazz ist allerdings ein ziemlich großes Thema, wahrscheinlich zu groß für einen schnellen Satz an dieser Stelle. Ich versuche mal eine Betrachtung: ein Flügel ist ein Instrument, das dir ständig das Total aller Möglichkeiten vor Augen hält. Alle 88 Tasten sind jederzeit verfügbar. Du kannst einstimmig spielen, du kannst mit geeigneter Präparation alle 88 Tasten spielen, du kannst überhaupt nichts spielen. Das Klavier zeigt dir immer alle Möglichkeiten, und du musst wählen. Du siehst auch all die Töne, die du nicht gespielt hast. Pianisten teilen sich außerdem das Geschenk und den Fluch, jeden Abend ein neues Instrument vorzufinden. Ein Klavier zwingt also zur Improvisation. Wenn in einem Konzertsaal 50 Pianisten auf dem gleichen Flügel spielen, wird er 50-mal neu klingen. Wenn das mal kein schönes Bild für den Jazz ist.

Von Jugend musiziert-Wettbewerben zum längst hoch dekorierten, viel zitierten international bemerkenswertestem Pianisten – was bedeutet Ihnen Kritikerlob, Publikumspreise, der Jazz-Echo? Fluch oder Segen für die eigene Kreativität, mental leicht zu bewältigen und ohne Einfluss auf die spielerische Lockerheit und die Risikofreudigkeit?
Die Wahrheit ist, alles beeinflusst alles, manchmal auf unvorhersehbaren Wegen. Preise und Lob geben Vertrauen in einer Umgebung, in der man sich ständig ziemlich viel trauen muss. Preise und Lob bestätigen aber auch die Vergangenheit, während man ganz eitel am liebsten nur nach vorne schauen will. Außerdem sind Publikumspreise und Kritikerlob und Echos ganz banal (oder auch nicht) Grundlagen für das wirtschaftliche Überleben, also unverzichtbar für jeden Künstler, der sich den Luxus gönnt, erst mal auf seine eigene Stimme zu hören. Das ist alles ziemlich komplex zu verarbeiten, aber natürlich gut und wichtig und notwendig und immer ein Moment der absoluten Freude.

Inzwischen werden Sie ja als (Wahl-) Frankfurter wahrgenommen? Musiker der hr-Bigband sind der Arbeit wegen her gekommen, der Christian aus Sophie Hungers Band des Barockflötenstudiums wegen, bei Dir war´s – und jetzt wird´s boulevardesk – der Liebe wegen... Hatten Sie sich vorher – vielleicht wegen Heinz Sauer – schon mit der Stadt, ganz sicher eine Wiege des europäischen Jazz, inzwischen hinter Köln und Berlin zurückgefallen, auseinander gesetzt, fiel es Ihnen schwer, her zu kommen oder fühlen Sie sich mittlerweile sogar als Frankfurter?
Ich kann eigentlich all Ihre Ansätze irgendwie bestätigen. Boulevardesk: Ja, wegen der Liebe. Beruflich: Ja, Heinz Sauer habe ich das erste Mal über das hr-Jazzensemble kennen gelernt. Und die Romanfabrik in der Hanauer Landstraße ist ja über die Jahre so etwas wie unser Club-Zuhause geworden. Inspiration: Ja, wer einmal bei Kidd Pivot oder Ensemble Modern war, weiß, was ich meine. Historisch: Ja, Frankfurt als eine der Wiegen des europäischen Jazz. Die Szene ist vielleicht nicht mehr so üppig wie in Berlin oder Köln, aber das Publikum ist nach wie vor ein besonderes: man kann in Frankfurt viel mehr experimentieren und wagen als anderswo. Außerdem füge ich hinzu, geographisch kann man als viel Reisender gar nicht geschickter wohnen als hier. Und den besten Kaffee gibt es nicht in Berlin Mitte, sondern bei Wacker's. Jetzt wird‘s aber wieder boulevardesk.
 
22. Juli 2011, 07.08 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
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