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"Mehr als mir zur Verfügung steht, kann ich nicht verteilen"

In der aktuellen Ausgabe des Journal Frankfurt ist die Titelstory der Bildungskrise gewidmet. Die Politik hat schon einiges verändert, dennoch ist das Bildungssystem noch lange nicht zufriedenstellend. "Der Ausbau der Frankfurter Ganztagsschulen ist chronisch unterfinanziert", so heißt es im Bildungsdezernat. Was sagt die Chefin des Kultusministeriums, Dorothea Henzler (FDP), dazu? Wir haben mit ihr gesprochen - auch über den akuten Lehrermangel und das schlechte Image des Lehrerberufs.


Journal Frankfurt: Stichwort Ganztagsschule: In diesem Jahr startet das neue Dreijahresprogramm der Landesregierung. Wie viele zusätzliche Lehrerstellen haben Sie für die Frankfurter Schulen reserviert?

Dorothea Henzler: Der Stadt Frankfurt standen für das Schuljahr 09/10 insgesamt 22 Stellen für Ganztagsprogramme zur Verfügung. Wie viele Stellen die Stadt Frankfurt im kommenden Schuljahr bekommen wird, steht noch nicht fest. Aber wir sind da in einer sehr guten Entwicklung, auch im Vergleich zu anderen Bundesländern. Unter den westdeutschen Flächenländern nimmt Hessen den Spitzenplatz ein, rund ein Drittel der hessischen Schülerinnen und Schüler hat die Möglichkeit, ein Ganztagsangebot wahrzunehmen. Wir haben eine Arbeitsgruppe Ganztagsschule eingerichtet, an der auch die Stadt Frankfurt beteiligt ist, um neue Richtlinien für das Dreijahresprogramm zu erarbeiten. Unter anderem auch deshalb, weil wir in die Koalitionsvereinbarung die teilgebundene Ganztagsschule neu aufgenommen haben, die es in Hessen bisher nicht gab. Ein Beispiel: Bei einer vierzügigen Schule können zwei Züge als gebundene Ganztagsschule, zwei Züge als offenes Ganztagsangebot geführt werden, so dass die Eltern die Entscheidung haben, wo sie ihre Kinder hingeben.

Vielen Schulen dauert der Schritt von der pädagogischen Mittagsbetreuung über die offene zur gebundenen, also obligatorischen Ganztagsschule zu lange, manche gehen sogar so weit zu sagen: gebundene Ganztagsschule oder keine.

Den Begriff der pädagogischen Mittagsbetreuung gibt es nur in Hessen. Was wir unter Mittagsbetreuung verstehen, an vier Tagen Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung bis nachmittags um 14.30 Uhr, definiert die Kultusministerkonferenz schon als offene Ganztagsschule. Wir haben sozusagen noch einen Zwischenschritt eingeführt. Ich halte es auch für sehr sinnvoll, dass alle Schulen über diese pädagogische Mittagsbetreuung einsteigen müssen. Für eine Schule ist das schon ein Riesenschritt, denn sie benötigt hierfür bereits die entsprechenden Räume und Betreuungspersonal. Dann die Hausaufgabenbetreuung: Da sind Lehrer auch nachmittags in der Schule, das ist für sie eine große Umstellung. Hierfür muss eine Schule erstmal ein Konzept entwickeln. Deshalb halte ich es für sinnvoll zu sagen: Wir fangen mit diesem ersten Schritt an. Wenn eine Schule das organisatorisch und inhaltlich gut hinbekommt, dann kann sie versuchen, den nächsten Schritt zu gehen und noch mehr offene Angebote am Nachmittag zu machen. Ich möchte aber auch darauf hinweisen: Das Land Hessen genehmigt nur die Konzepte. Eine Schule muss ein Konzept haben, es bei uns einreichen und wir müssen es genehmigen. Die Prioritätenliste erstellt der Schulträger. Wir sind also nicht dafür zuständig, welche Schule in Frankfurt die Lehrerstellen bekommt.

Im Bildungsdezernat heißt es, der Ausbau der Ganztagsschulen sei chronisch unterfinanziert – vor allem wünscht man sich mehr Lehrerstellen.

Der hessische Landtag hat mir für das kommende Schuljahr 650 neue Stellen genehmigt, und die gehen zu einem guten Drittel in die Klassenverkleinerungen, denn hier liegt unsere Priorität. Ein weiterer großer Anteil der Lehrerstellen geht in den doppelten Abiturjahrgang. Der Rest der Stellen ist für das Ganztagsprogramm vorgesehen. Mehr als mir der Haushaltsgesetzgeber zur Verfügung stellt, kann ich nicht verteilen.

Welche Hürden müssen die Schulen in diesem Prozess nehmen?

Die Lehrer müssen sich darauf einstellen, dass sie teilweise auch am Nachmittag in der Schule sein müssen, um die Hausaufgabenbetreuung mit zu übernehmen und zu koordinieren.

Das Projekt selbständige Schule ist eine ihrer Herzensangelegenheiten. Doch die Schulen fühlen sich alleingelassen und überfordert mit der Verwaltung von Sachmittel und Personal. „Wir sind Pädagogen, keine Verwaltungsfachwirte“, sagt etwa der Leiter der Musterschule, die Lehrer wünschen sich mehr Deputatsstunden zur Betreuung der Schüler.


Das Thema Selbstständige Schule berücksichtigt ja gerade diese Wünsche. Wir wollen den Schulen ein eigenes Budget zur Verfügung stellen, das diese nach eigenen Bedürfnissen nützen können. Da sind wir zur Zeit in intensiven Verhandlungen mit den Schulträgern. Den ersten Schritt haben wir ja bereits mit dem Zehn-Prozent-Erlass zu Beginn des Schuljahres 2009/2010 gemacht. Wenn die Schulen keine passenden Lehrkräfte finden, können sie das Geld anderweitig verwenden. Wir sind dabei, auszuloten, ob man die Mittel vielleicht noch anders bündeln und zu einem Budget zusammenführen kann. Und wir sind auch dabei, den Schulen noch mal darzulegen, was sie eigentlich schon können. Es wird ja immer dieser 45-Minuten-Takt als so altertümlich bezeichnet, die Carl-Schurz-Schule ist auf 60 Minuten hochgegangen. Diese Freiheiten haben Schulen bereits jetzt, sie müssen nur den Mut haben, sie zu nutzen.

Im November sind Lehrer und Schüler gemeinsam auf die Straße gegangen, um für bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren, unter anderem auch für eine Herabsetzung der Pflichtstunden. Sie haben die Lehrerstreiks kritisiert.

Ich setze eher darauf, die Rahmenbedingungen für Lehrkräfte zu verbessern. Eben durch die Selbstständige Schule, durch mehr Möglichkeiten, durch mehr Freiheiten, durch mehr Eigenverantwortung. Es motiviert, wenn ich selber etwas entscheiden und gestalten kann. Ich bin mir bewusst, dass die Lehrkräfte in Hessen sehr belastet sind, der Beruf ist überhaupt ein äußerst anspruchsvoller, und deshalb sollte man ihn auch so hoch schätzen, wie es irgend geht. Für mich ist es der schönste und wichtigste Beruf. Wenn man junge Menschen fördern und bilden kann, eine schönere Aufgabe kann man gar nicht haben. Deshalb schätze ich die Arbeit der Lehrkräfte auch sehr hoch und bin bemüht, die Rahmenbedingungen zu verbessern. An den zu haltenden Unterrichtsstunden - das sag ich ganz offen - wird sich nichts ändern.

Was tun Sie gegen den akuten Lehrermangel vor allem in den Naturwissenschaften?


Es gibt grundsätzlich eine stärkere Zuwendung zum Lehramtsstudium. Leider nicht unbedingt in den Fächern, in denen wir uns das wünschen würden. Deshalb sind wir dabei, eine Broschüre und einen Flyer zu erarbeiten und bei den Zwölftklässlern für den Beruf und ganz bestimmte Fächer zu werben. Wir wollen den Schülern auch klar machen, dass sie bestimmte persönliche Eigenschaften für den Beruf mitbringen müssen. Auf der anderen Seite sagen wir auch ganz klar, so grausam das jetzt auch klingt: Wenn ich als Grundschullehrerin Deutsch und Sozialkunde studiere, hab ich schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Der Lehrerberuf leidet nun ja schon lange unter einem schlechten Image.


Die Wertschätzung der Gesellschaft ist ein ganz wichtiger Faktor. Deshalb mache ich immer und überall deutlich, wie wichtig der Beruf ist. Und auch wie wichtig es ist, dass Eltern mit Lehrern gemeinsam arbeiten. Gute Schulbildung geht nur in einem Dreiklang zwischen Lehrern, Eltern und Schülern, und wenn da nicht alle an einem Strang ziehen, ist das von vornherein schon schwierig.
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat mit seinem Satz „Das sind alles faule Säcke“ sehr viel Schaden angerichtet, das kann man nur Stück für Stück wieder aufbauen.

Was kann das Bildungssytem verbessern, ohne viel zu kosten?

Für meine Begriffe ist der Unterricht entscheidend. Wir müssen den Unterricht verändern, da geht das Land Hessen ja sehr klare Wege. Wir führen Bildungsstandards ein und setzen verstärkt auf kompetenzorientierten Unterricht. Das Motto heißt nicht mehr: Was weiß das Kind, sondern, wie kann das Kind das Wissen anwenden, welche Kompetenzen hat es. Und ich denke, das ist der große Schritt zu mehr Qualität der Schule und mehr Qualität des Unterrichts.

Können Sie den Begriff der Bildungsstandards erläutern?


Das Institut für Qualitätsentwicklung hat Bildungsziele erarbeitet, die im Unterricht erfüllt werden müssen. Daraus sollen sich Kompetenzen entwickeln, praktisch anwendbares Wissen. Wir beginnen gerade ein großes Dialogverfahren über diese Bildungsstandards. Wir wollen auch die Schulen und Studienseminare in die Diskussion einbeziehen und erörtern, ob das auch praxistauglich und sinnvoll ist. Ich glaube das wird ein ganz großer Schritt in die Zukunft.

Wie stellen sie die Lehrer darauf ein?

Wir machen ein riesengroßes Fortbildungsprogramm für ganze Fachschaften. Der ganze Fachbereich geht in die Fortbildung, um sich dann eben auch gegenseitig unterstützen zu können.
 
21. Januar 2010, 15.00 Uhr
Jasmin Takim
 
 
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