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Kommunikation als Konfliktlösung?

referent_pompey_web_grosZum dritten Mal trafen sich am Donnerstag im Museum für angewandte Kunst Designer und andere Kreative aus dem Rhein-Main-Gebiet zur Vortragsreihe „come closer“ der beiden Designerinnen Ulrike Schneider und Cornelia Dollacker. Im Januar hatte die Produktdesignerin und Professorin Ursula Tischner zum Einstieg in das Thema des Forums über „Nachhaltiges Design jenseits von Müsli- und Hippie-Ästhetik" referiert. Kommunikationsfachmann Burkhard Remmers verortete Ende Februar die Fragestellungen zu „Design und nachhaltiger Unternehmenskultur" im Firmenalltag des Möbelherstellers Wilkhahn.

Gestern nun entwarf der Diplom-Designer Bernhard Pompeÿ eine völlig neue Perspektive auf die mögliche gesellschaftliche Tragweite von Kommunikationsdesign, die das Plenum für soziale und kulturelle Auswirkungen von Design sensibilisieren sollte. „Kommunikation als Konfliktlösung? Die Macht der Bilder im Nah-Ost Konflikt“ so der Titel seines Erfahrungsberichts.

Der Auslöser dafür, sich grundsätzlich mit dem Thema Kommunikationsdesign als Konfliktlösung zu beschäftigen, war ein Erlebnis auf einem Flug nach Hongkong. Wegen eines Sturmtiefs war die Maschine gezwungen auf einem kleinen Flughafen in Taipeh zwischenzulanden. Durch das Unwetter waren Crew und Passagiere jedoch auch am Boden eine Woche lang von der Außenwelt abgeschnitten. "Wir konnten uns nicht waschen", erklärt Pompeÿ, "hatten nur wenig Trinkwasser und kaum Nahrung. Die Situation drohte bereits am zweiten Tag zu eskalieren. Das schlimmste war, dass wir auf keine allen bekannte Sprache zurückgreifen konnten." Also malte und zeichnete er Symbole auf Schilder, mit deren Hilfe die Besatzung das Nötigste organisieren und das Wenige, das da war, verwalten konnte. "In diesem Moment wurde mir klar, welche Bedeutung Design haben kann", so Pompeÿ rückblickend.

bilder-im-kopf_web_klein_linksDas Problem der Sprache besteht auch in Jerusalem. Die israelische Hauptstadt ist ein Schmelztiegel verschiedener Nationalitäten und Religion. Eine Million Menschen haben die Stadt in verschiedene Bezirke unter sich aufgeteilt. Die beiden größten Gruppen sind Juden und Palästinenser beziehungsweise Araber. Die Juden unterteilen sich in ein breites Spektrum von gemäßigt bis ultraorthodox. Auch unter den Arabern gibt es verschiedene Volksstämme und muslimische aber auch christliche Glaubensrichtungen. Die Spannung in der Stadt zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die alle dieses Land und diese Stadt als ihr Eigen betrachten, ist allgegenwärtig. "Völlig befremdet war ich durch die ständige Präsenz von Waffen", schildert Pompeÿ. "Junge Menschen treffen sich abends in Cafes oder gehen tagsüber spazieren, mit einem Maschinengewehr auf dem Rücken oder einer Uzzi umhängen." Sie demonstrieren damit ihre Macht und ihre Entschlossenheit, für ihre Sache zu kämpfen.

Doch nicht nur in den Waffen drückt sich der Konflikt aus. Der öffentliche Raum ist voll von Zeichen, Symbolen, Bildsprache. Propaganda steht neben Kunst, Fotografie und Grafik-Design. Wer wissend und mit offenen Augen durch die Stadt geht, erkennt an jeder Ecke die Zeichen des Nahostkonflikts. Einsprachige Busfahrpläne etwa auf hebräisch signalisieren Palästinensern, dass sie nicht erwünscht sind. Bushaltestellen, an denen Selbstmordattentate verübt wurden, werden zu Gedenkstätten umgestaltet. Vor allem auf der sogenannten Death Line, eines Buslinie, an der bisher besonders viele Attentate verübt wurden. Die Stadt ist plakatiert mit Märtyrern oder Inhaftierten und Siegesparolen der einen oder anderen Richtung.

soldat

Aber es geht auch subtiler. So hat ein israelisches Busunternehmen seine Busse grün lackiert, wohl wissend, dass grün eine heilige Farbe im Islam ist. Ein neuer Konflikt war vorprogrammiert. Israelis weigern sich in Krankenwagen mit dem Halbmond zu steigen, umgekehrt würde mancher Palästinenser eher sterben, bevor er sich von einem Sanitätsfahrzeug mit Davidstern ins Krankenhaus bringen ließe. In der Altstadt sind Sehenswürdigkeiten und Straßennamen in hebräischen, arabischen und lateinischen Buchstaben ausgewiesen. Je nach Bevölkerung im Stadtteil ist jedoch die eine oder andere Sprache auf dem Schild unkenntlich gemacht. Ein Hoheitszeichen und Gebietsanspruch.

doppelbelichtung

Doch es gibt auch Zeichen der Hoffnung: Ein Fotograf etwa, der Menschen auf der Straße unabhängig von ihrer Herkunft mit Grimassen porträtiert und ihre Fotos großformatig auf den neun Meter hohen Grenzmauern zwischen Israel und dem Palästinensergebiet anbringt. Der Humor eint die Menschen, er nimmt der Mauer das Mönströse. Oder ein anderer Künstler, der Pappfiguren zeichnet, Herzen ausschneidet und hinter tranparentem Papier Teelichter aufstellt, überall im Straßenraum. Auch einen bekannten israelischen Designer hat Pompeÿ auf seiner Reise getroffen und interviewt. Er versucht eine Schriftsprache aus hebräischen, arabischen und lateinischen Zeichen zu kreieren. Doch solche Projekte sind selten.

"Die Kommunikation verläuft so lange friedlich, so lange man das eine Thema ausspart", so Pompeÿ. "Nur wenige sind bereit, sich mit dem Anderen, dem Fremden wirklich auseinanderzusetzen. Eine Andersartigkeit, die nicht nur durch konkurierende Gebietsansprüche begründet ist, sondern tief in der kulturellen und religiösen Geschichte verwurzelt ist. Ohne Hilfe aus Europa oder den USA, wird es keinen Frieden geben."

portrat
Bernhard Pompeÿ studierte Grafik-Design in Freiburg. 2001 Gründung des Designbüros „p2design“. 2003 parallel Beginn eines VWL-Studiums an der Uni Freiburg. 2006 Bachelor of Arts Kommunikations Design, Hochschule Mannheim anschließend Master of Art mit Auszeichung.

Fotos: Weber/Martin Sasek
 
4. April 2009, 08.00 Uhr
Jan-Otto Weber
 
 
Fotogalerie:
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