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Kommt Ihnen Ladinisch Chinesisch vor?



Griechischer Wirt, deutscher Kulturverein – da liegt es doch nahe, dass man in der Fabrik in Sachsenhausen gerne auch mal was Chinesisches zu hören bekommt, zumal Programmmacher Peter Schneckmann eine Affinität zum Reich der Mitte hat, schickte er doch im Rahmen der Städtepartnerschaft schon Frank Wolff und Freunde nach Guangzhou.
Vergangene Woche war mit San Chuan ein Zheng-Trio zu Gast und verzauberte das Publikum mit den Klängen ihrer Wölbbrettzithern, die man meist nur als Soloinstrument (auch im Ensemble) erleben kann, aber nie in so geballter Form als Trio, ein kleine Revolution für die Komponist Lao Luo verantwortlich zeichnet. Der heißt im normalen Leben und hierzulande Robert Zollitsch, ein gebürtiger Bayer, ehemaliger Zither-Virtuose und Experte für traditionelle Musik aus der Mongolei, China und Tibet. Er komponiert die Stücke für Wang Yao, Sangka und Liu Yu, drei junge Studentinnen aus Peking und machte das Publikum mit seinen Anmoderationen ein wenig vertraut mit der Musikgeschichte Chinas, mit Pentatonik, der aktuellen Situation für Musiker vor Ort, seinen modernen Kompositionsansatz.

Denn die klassischen Solostücke, die „Lotosblüte“ etwa oder „Das Abendlied der Fischer“ oder auch „Yasmin“, ein Volkslied aus Jiangsu, klingen ein wenig anders als der Rest. Mehr Glissandi, mehr Verweilen in einer „Stimmung“, weniger Dramatik, Dramaturgie als in den modernen Kompositionen von Lao Luo, der trotzdem von einem Phänomen zu berichten weiß. Die Chinesen erkennen nicht etwa den westlichen Anteil in der Musik zuerst, sondern das, was ihnen vertraut ist. Und für europäische Ohren ist es nicht fremd, denn sie synchronisieren sich zunächst mit dem, was sie als westlich empfinden. Und wer zum Beispiel mit anspruchvollerer Harfenmusik eines Andreas Vollenweider oder aus dem keltischen Kulturkreis (auch Bretagne und Galizien) vertraut ist, mag sich schneller zu Hause fühlen.

Die neuen Stücke haben alle einen Titel: „Sich auflösende Wolken“, „Kindheitsvergnüngen“, „Wanderung durch die Wildnis“ (das klingt vom Rhythmus fast wie Huun-Huur-Tu-Musik aus der tuwinischen Steppe), „Endlos strömt der Fluss“, ist aber keine Programmmusik im eigentliche Sinne, wenn auch diese Titel verführen (wie wir´s auch von Debussy oder Ravel kennen), eben das zu hören und zu empfinden wie auch die Schönheit der Spielerinnen (selbst die Damen im Publikum seufzten, „Sind die süß...“) dazu verleitet, das alles „nur“ als anmutig und grazil zu begreifen. Dabei können – gerade in der Kombination der drei Instrumente mit ihrem Holz-Resonanz-Körper) – die Zhengs auch gewaltig klingen, gerade in den tiefen Basslagen, während die Sliding- und Bending-Techniken (dort, wo die 21 Saiten in Stegnähe weit über dem Brett schweben, werden sie mit den Fingerkuppen herunter gedrückt, die Töne „gedehnt“) den so entstehenden Klang fast impressionistisch erscheinen lassen mögen. Die Bewegungsabläufe der Finger beim Spiel, aber auch der Hände zwischen den gesetzten Tönen, Läufen, Harmonien folgen dabei einer Choreographie, die nicht von ungefähr das Fließende, Runde, Kreisen beim Tai Chi. Denn Haltung und Spannung sind sehr wichtig in dieser Musik.



Am Tag zuvor im Nachtleben waren es auch drei junge Frauen, die bei ihrer allerdings nicht öffentlichen Präsentation ihres Albums „rai de sorëdl" (erscheint im Mai) für Rätselraten sorgten. „Wo bitte liegt Ladinien?“ wurde ich oft gefragt, als ich von Auftritt von Ganes erzählte. Denn die Wassernixen (so eine mögliche Übersetzung des geisterhaften Namens) singen in einer Sprache, die nur noch 30.000 Menschen pflegen, Ladinisch eben, eine rätoromanische Sprache. Und die ist in den Dolomiten zu Hause, wo man auch deutsch spricht, zu Italien gehört (weshalb die Mädels über den 3:1-Sieg von Inter Mailand gegen Barcelona am selben Abend besonders happy waren) und das Beste aus mehreren Welten auf sich vereinen kann. Bei Hubert von Goisern sind sie sonst aktiv, als Sängerinnen oder an der Geige: die Schwestern Marlene und Elisabeth Schuen und ihre Cousine Maria Moling. Auf den langen Schiffpassagen der Europa-Fluss-Tournee (von Linz ans Schwarze Meer und zurück im Ostteil, dann bis hoch nach Rotterdam im Westteil) mit ihrer schwimmenden Konzertbühne blieb Zeit genug, das eigene Konzept und Programm zu entwickeln. Auf CD – ein ähnliches Phänomen wie bei der korsischen Band I Muvrini z.B. – klingt das sehr nach Pop mit ein paar fremden Farben. In der reduzierten Form mit Gitarren, Geigen und drei Stimmen (selbst aufs Keyboards hätte man verzichten können) bei der Vorab-Präsentation, kommt der ganz eigenen Charakter nicht nur der Sprache, sondern auch der Zusammenklang der Stimmen viel besser zum Tragen und wird dann wie versprochen regelrecht betörend.

Wohin die Reise geht, kann auch ein erfahrener Musikmanager und Verleger wie Hage Hein (1. Allgemeine Verunsicherung, Hubert von Goisern) nicht allein bestimmen. Da ist viel Arbeit zu leisten. Denn wenn eine Musik (ähnlich wie bei den Chinesinnen, wo im Moment hauptsächlich Klassik- und vereinzelt Jazz-, aber keine Folk- und Weltmusik-Publikum kommt, auch aus politisch motivierten Gründen wie Zollitsch vermutet) zwischen den Welten wandelt, wer fühlt sich dann verantwortlich? Am Beispiel es Hessischen Rundfunks in Frankfurt hieße das: zu „alt“ und traditionell für you fm, zu „exotisch“ und chartuntauglich (was noch zu beweisen wäre) für hr3, zu wenig „weltmusikalisch“ für hr2, nicht „volkstümlich und „alt“ genug für hr4. Bliebe hr1 und da hören wir mal, was da passiert.
 
24. April 2010, 10.00 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
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