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Kolumne von Ana Marija Milkovic

Den Wohnturm in die Wüste schicken

Unsere Kolumnistin ist ja im Architekturwesen einiges gewöhnt. Aber dass ein Wettbewerb um eine Brückensanierung damit endet, dass ein Turm drauf gebaut werden soll, ist doch ein wundersames Ergebnis.
Sprechen wir über deutsche Redewendungen. Der Schuss, der aus der Hüfte kommt, bringt bekanntlich nicht viel. Den Schuss nicht zu hören, ist dagegen ein ungutes Omen. Es könnte ein Wettrennen, eine Wahl, ein Wettbewerb, ein Bistum verloren gehen, weil der Protagonist des Verfahrens den Schuss überhört. Was passiert nun aber, wenn der Schuss fällt, verhallt und das Murmeltier täglich grüßt?

So in Frankfurt geschehen. Der Schuss fiel kurz vor Weihnachten, vor genau 13 Jahren. Die Stadtverordnetenversammlung traf sich Ende 2000, um eine Baumaßnahme mit vorgeschaltetem Wettbewerb zu beschließen: Die Grundsanierung der Frankfurter Alten Brücke. 204 Architektur- und Ingenieurbüros meldeten ihr Interesse an. Ausgewählt wurden schließlich sechs Büros und 24 kamen per Losverfahren hinzu.

Dieses Procedere trägt in Fachkreisen die Bezeichnung eines "nicht offenen Verfahrens". Ein "Offener Wettbewerb" dagegen ist ein Verfahren, an dem sich alle Architekten und Ingenieure gemäß ihrer Qualifikation mit der Abgabe ihres Wettbewerbsbeitrages anonym beteiligen. Das soll die Chancengleichheit aller Teilnehmer, auch junger oder weniger bekannter Büros, erhöhen. Es ist kein Geheimnis, dass die Protagonisten eingeladener Wettbewerbe die offenen Wettbewerbe nur allzu häufig verlieren, dagegen aber ihr Renommee leider nicht. Ein offener Wettbewerb hätte auch die Zeitschleife verhindern können, in der wir uns nun alljährlich thematisch an der Alten Brücke wiederfinden.

So ist davon auszugehen, dass in einem offenen Wettbewerbsverfahren ein Ideenteil, der nicht Bestandteil des Wettbewerbes war, eher eine Anerkennung als einen Preis erhalten hätte. So wäre es Hunderten von Wettbewerbsteilnehmern, die weder Kosten noch Mühe gescheut hätten, ein seriöses Ergebnis zu erarbeiten, schwerer zu vermitteln gewesen, wie die Sanierung einer Brücke Wettbewerbsgegenstand war und ein Turm prämiert wurde.

Das Preisgericht im Wettbewerb zur Grundsanierung der Alten Brücke vergab den ersten Preis daher nicht, dafür aber den zweiten Preis und das gleich zwei Mal. Mit den zwei zweiten Preisen manifestierten die Preisrichter ein salomonisches Urteil, dessen Geist die Stadt noch heute ungelöst umweht. Ein salomonisches Urteil sollte eine Lösung in einer strittigen, gar verfahrenen Sache ermöglichen, die alle Beteiligten zufrieden stellt. Im Fall der Alten Brücke muss das Stadtparlament nicht König Salomon, mehr sein eigenes Programm bemühen.

Ursprünglicher Anlass für die Sanierung und den vorgeschalteten Wettbewerb der Alten Brücke war demnach der schlechte bauliche Zustand, das fortgeschrittene Alter der Brücke, auch ein hohes Verkehrsaufkommen, die Zunahme der Radfahrer und Fußgänger und höhere Achslasten für den LKW Verkehr. Setzen wir diese Einschätzung, die immerhin den Kämmerer dazu veranlasste die Mittel im Haushalt für die Baumaßnahme bereitzustellen, als realistisch voraus, entsprach die Alte Brücke nicht dem Stand der Technik.

Zusammengefasst bedeutet das langjährige Procedere um den Wohnturm auch eine Verzögerung der notwendigen Sanierung. Zwischenzeitlich hat sich die Stadt durch ihr Denkmalamt die Planungshoheit, zumindest für die Brücke, zurückerobert. Die Alte Brücke wurde dieses Jahr in die Denkmalliste aufgenommen. Damit ist das Erscheinungsbild, das einst Gegenstand des Wettbewerbes war, durch das Denkmalamt entschieden. Geklärt ist damit aber auch, wie sehr der Wohnturm heute die Alte Brücke benötigt, im Gegensatz dazu aber die Alte Brücke den Wohnturm nicht. Ob nun das Gebäude niedriger oder höher ausfällt, sich ein Fenster mehr oder weniger zum hohen Verkehrsaufkommen auf der Brücke öffnet, scheint dabei tatsächlich nebensächlich. Hauptsächlich ist das Baurecht. Den Bewohnern des Wohnturms sollte auf jeden Fall angeraten werden, keine Zeit zu verlieren und einen Antrag auf Verkehrsberuhigung zu stellen. Genehmigungsprozesse brauchen Zeit und steter Tropfen höhlt den Stein. Was mich zurück zu den deutschen Redewendungen führt ...

Einen Bock zu schießen, bedeutet nicht unbedingt einen Volltreffer zu landen. Den Bock zum Gärtner zu machen, lässt im Garten nichts Grünes übrig. Jemanden mit seiner Wahl einen Bärendienst zu erweisen, könnte trotz bester Absichten durch falsche und unnütze Hilfe zum Schaden Aller gereichen. Bleibt noch den Sündenbock zu suchen, die Sau durchs Dorf zu jagen oder den Wohnturm in die Wüste zu schicken.
 
15. Oktober 2013, 15.15 Uhr
Ana Marija Milkovic
 
 
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