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"Kaufen Sie keine Finanzprodukte, die Sie nicht verstehen"

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Journal Frankfurt: Sie haben nicht nur Volkswirtschaftslehre, sondern auch Philosophie studiert. Ist das in einer Wirtschaftskrise von Vorteil?
Michael Best: In gewisser Weise schon, denn wir haben nicht bloß eine Rezession, sondern eine große Systemkrise, die unsere Gesellschaft erschüttert. Positiv gewendet: nur so kann ein neues, geläutertes Selbstverständnis entstehen.

In Ihrem Buch beschreiben Sie, dass der Großteil der Banker schon über die Ursachen der Krise nachdenke ...
Die Frage ist, ob sie das gründlich und tiefgreifend genug tun. Das zeigt sich gerade bei den Ansprüchen: wenn jemand gute Leistung bringt, dann soll er auch gutes Geld verdienen. Doch das in der Finanzindustrie soviel mehr als anderswo verdient wird, kann nicht sein. Wir brauchen ja die Banken, aber solche, die der Wirtschaftsentwicklung dienen.

Lehman Brothers wurde nicht gerettet - war das gut so?
Das hat die Krise beschleunigt, es hat zu einer Schockstarre im Finanzsystem geführt, die die Realwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen hat. Insofern war es fatal. Aber längerfristig betrachtet wahrscheinlich sehr lehrreich. Der Staat ist im Zweifel nicht immer für eine strauchelnde Bank da.

Liegt es auch daran, dass Banken so mit Wirtschaftsleben verwoben sind, dass sie sich auf den Staat verlassen haben?
Das glaube ich nicht. Die Banken haben es nicht kommen sehen, weil sehr viel Leichtfertigkeit da war und Vertrauen in die neuen, auch von der Wissenschaft gestützten Produkte. Es war Alchemie: schlechte Kredite wurden zusammengerührt und im Nu war daraus Gold geworden.

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Nun hat der Staat den Banken Geld gegeben, ohne Bedingungen für ein anderes Finanzsystem zu stellen.
Erstmal musste gerettet werden, das ist klar. Stellen wir uns einmal vor, die Commerzbank wäre umgefallen. Dort haben viele Menschen Ihr Erspartes auf dem Konto. Inzwischen wird an der Regulierung gearbeitet, es gibt gute Vorschläge, auch beim G20-Gipfel, nur ist davon noch nichts in Gesetze gegossen.

Wird es Gesetz werden? Denn gerade fühlt es sich etwas nach Aufschwung an.
Das wäre der größte Fehler, den man machen könnte. Ich setze da große Hoffnungen auf Barack Obama und den amerikanischen Kongress. Wenn dort die Pläne durchkommen, werden sich die Europäer dem nicht verschließen können. In Deutschland sind wir nämlich auch noch nicht weiter, wenn man mal von den Posen vor der Bundestagswahl absieht. Eingelöst ist nichts.

Aber interessant, dass Merkel nun die These von Attac übernimmt und die Finanzmärkte besteuern will.
Das würde den Markt aber nicht stabiler machen. Das wäre nur eine Geldquelle, das sollte man nüchtern sehen.

Aber es würde die Spitzen der Spekulation kappen.
Nein, da muss man mit ganz anderen Instrumenten rangehen. Der Handel zwischen den Banken muss wieder an Börsen geholt werden, an den Rohstoffmärkten müssen die Marktteilnehmer begrenzt werden und so weiter.

Sie sind ein Freund des Kapitalismus.
Ich bin ein Freund eines geregelten Kapitalismus, besser geregelt durch die internationale Staatengemeinschaft als bisher. In Adam Smiths Büchern über Ökonomie und Moralphilosophie steht ja bereits, dass das Engagement der Menschen durch den Kapitalismus gefördert wird. Zugleich warnt er davor, dass dies in Gier umschlagen kann. Hinter dem Kapitalismus, wie ich ihn verstehe, steht die traditionelle Vorstellung des ehrbaren Kaufmanns, der auch das Gemeinwohl im Blick hat. Alles andere kann in der Tat für revolutionäre Zustände sorgen.

Die sich wie verhindern lassen?
Es beginnt erstmal damit, dass sich manche Menschen abwenden vom wirtschaftlichen und damit auch vom politischen Prozess. Außerdem sind nur 30 Prozent der Bevölkerung Teilhaber am Vermögen unserer Volkswirtschaft, das ist zu wenig.

boerse-frankfurt-2

Fordern Sie eine Umverteilung à la Robin Hood?
Das muss man über Generationen sehen. 1960 wurden die Weichen gestellt für die Vermögensverteilung des Jahres 2010. Heute stellen wir die Weichen für das Jahr 2060. Für kurzfristige Maßnahmen bin ich nicht zu haben. Es hat ja sozialistische Experimente gegeben, die sehr kläglich gescheitert sind, die in Unfreiheit und Diktatur geendet sind. Freie Gesellschaft und freie Märkte passen schon sehr gut zusammen. Aber sich ein Handy leisten zu können, ist eben noch keine Teilhabe am Vermögen.

Teilhabe heißt aber auch: wissen, was passiert – etwa, wenn man in Aktien investiert.
Das ist ein Deutschland ein heikles Thema. Das mangelnde Wissen in Finanzfragen führt dazu, dass man den Banken und Sparkassen ein bisschen ausgeliefert ist. Das Desaster um die Lehman-Zertifikate ist mit zwei Dingen zu erklären: auf der Seite der Verkäufer Skrupellosigkeit, auf der Seite der Käufer Ahnungslosigkeit. Wir müssen uns besser informieren.

Muss man Volkswirtschaft und Philosophie studiert haben, um seinem Sparkassenberater gegenüber zu treten?
Das hilft, das hilft. Aber ich bin eigentlich für ein Schulfach Wirtschaft - so früh muss man schon ansetzen. Und bitte nicht irgendwo unter PoWi oder Sozialkunde versteckt. Da lernen die an den Berufsschulen mehr als an den Gymnasien.

Was kann ich tun, wenn ich nicht in den Genuss einer wirtschaftlichen Ausbildung kam und zu meiner Bank gehe?
Ich muss mir erstmal klarmachen, dass ich auf jemanden treffe, der mir etwas verkaufen will. Der auch Anweisungen bekommen hat, was er mir verkaufen soll. Und welche wollen Sie mir verkaufen? Die, an denen die Bank und der Banker am meisten verdienen. Die meisten Provisionen stecken in Zertifikaten, deswegen werden die auch gerne angeboten. Aber finden Sie mal einen Investmentbanker, der selbst diese Produkte anrührt - sie werden ihn nicht finden.

Und die Alternativen?
Fonds sind schon fairer, weil die Leistung, die erbracht wird, transparent ist.

2309_oekobanker-klWobei die Transparenz ja erst im Jahresbericht auftaucht - da erfahre ich, welchen Unternehmen der Manager eine Chance gegeben hat.
Bei Indexfonds weiß ich auch vorher schon, welche Aktien enthalten sind - auch wenn die Rendite vielleicht nicht so hoch ist. Ähnlich ist es auch bei den nachhaltigen Finanzprodukten, bei denen bestimmte ökologische und moralische Standards eine Rolle spielen. Da muss man sich aber sehr genau anschauen, wie streng diese Regeln sind.

In der Deutschen Bank finden Sie für solche Fonds keine Werbung.
Man bekommt sie dort aber auch, nur: es sind nach wie vor Nischenangebote. Es liegt sicherlich daran, dass die Verbraucher im Supermarkt weiter sind als in der Bank. Auf dem Finanzmarkt sind wir in der Phase, in der es nicht nur kleine Bioläden gibt, sondern in den großen Läden auch eine kleine Bio-Ecke gibt. Aber ein Beispiel: der größte europäische Investor, der norwegische Ölfonds, hat sehr strenge Kriterien. Es gibt auch Anbieter, die umdenken.

Macht Ihnen das Hoffnung?
Alle müssen umdenken, auch die Banker. Wir brauchen einen stabileren, sozialer ausgewogeneren Kapitalismus, der allen Menschen zugute kommt.

Wer Fonds allerdings auf dem Peak der New Economy gekauft hat, hat auch viel Geld verloren.
Eine Regel lautet: wenn es eine große Begeisterung gibt, wenn alle über eine bestimmte Anlage reden und sie jeder Berater empfiehlt, dann sollte man sie nicht kaufen. Das war bei der New Economy so, bei den Solar-Aktien, auf dem Rohstoffmarkt und im Moment mache ich mir Sorgen, was das Gold angeht. Im Autohaus werden Ihnen sicherlich auch tolle Autos angeboten, aber wenn sie zu teuer sind, kaufen Sie sie auch nicht.

So einfach?
Es geht noch einfacher: Kaufen Sie keine Finanzprodukte, die Sie nicht verstehen.

best-buch-kapitalismusMichael Best leitet die Börsenredaktion der ARD in Frankfurt und moderiert die Sendung „Börse im Ersten
 
28. Oktober 2009, 16.25 Uhr
Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
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