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Katharina Franck verleiht Flügel
Atmosphärischer kann man ein Konzert kaum beginnen. Die Band hat ihren Platz auf der Bühne der Brotfabrik schon eingenommen, aber Katharina Franck singt – scheinbar vollkommen selbstvergessen, eher sehr konzentriert – die ersten Zeilen a cappella. Nina Simones „Everyone’s Gone To The Moon“. Der Flügel kommt dazu, ein Glockenspiel, ein mit dem Bogen gestrichenes Vibraphon. Drone sounds erfüllen den Raum. Abflug. Willkommen zu einer gut zweistündigen Reise durch die Bilderwelt der Katharina Franck. „On The Verge Of An Autobiography“. „Wir werden das ganze neue Album spielen“, sagt sie. „Und ein paar alte Songs“. Und sie entschuldigt sich gleich zu Beginn für ihre Erkältung. Man hört es nur, wenn sie spricht, vor allem nach dem Konzert. Beim Singen nicht oder kaum. „Nur die Eingeweihten“, meint sie.
Die neue Band besticht von Anfang an: Jost Nickel am Schlagzeug, Peter Hinderthür an Bass und Vibraphon, Gunter Papperitz am Flügel, Keyboards und Glockenspiel und Mathias Mauersberger an der E-Gitarre. Katharina spielt ihre akustischen Gitarren. Allesamt, keine Frage, virtuose Musiker. Aber darum geht es hier nicht. Eher um die adäquate Umsetzung, Verstärkung oder das – nennen wir’s mal Kontrapunktieren der Stimmungen. Francks Texte sind alle Poesie, Lyrik, Prosa, die allein schon Phantasie anregend sind. Von ihrer immer – auch unter Hunderten – heraus hörbaren Stimme interpretiert, von den Klängen verdichtet, entsteht ein Episodenfilm, eine so nicht nur in Deutschland singuläre Performance.
Das Gute: die Musiker verstehen es, ihre Instrumente fast transzendent einzusetzen, entlocken ihnen auch atypische Sounds, lösen sich vom Klischee dessen, was man von einer Gitarre, einem Bass, Tasten oder Drums erwartet. Der Bühnenaufbau mit den vielen Instrumenten wirkt exotisch. Aber selbst die letzten kleinen Glöckchen, die auf der Bühne liegen, sind kein Gimmick, haben eine Bedeutung, sind Teil des Scrips. Das klingt jetzt alles wohl durchdacht (ganz sicher), fast inszeniert (auch irgendwie), auch kontrolliert (nicht falsch): aber kopfig (wie vielleicht die Rainbirds in ihrer kammermusikalischen Phase für Momente), gar vergeistigt ist das nicht, sondern immer und in allen Facetten hoch emotional. Dynamisch wie die Band spielt, ist es ein Wechselbad der Gefühle. Augen schließen und träumen, wach gerüttelt werden und abtanzen. Wer sagt, dass man bei intelligent gemachter Musik nur andächtig zuhörern muss? So sensibel in einem Moment, so muskulös klingt es im nächsten. Hier wird nichts ausgespart, auch nicht Rückgriffe auf die Rainbirds mit „Love Is The Better Word“, „Woman With The Golden Eye “ und dem grandiosen „Sea Of Time“. Der Klassiker „Lilac Time“, solo, intim du intensiv zur Gitarre, beschließt das Konzert. Die zweite Zugabe bringt dann den Flashback: „Blueprint“, der Megahit aus dem Jahr 1987. Alle, kein Zweifel, haben drauf gewartet. Aber alle haben auch der Künstlerin über dem gesamten Abend hinweg Gehör geschenkt. Hier geht es nicht um Hit oder nicht Hit, sondern um – so komisch das im Kontext meist mutierter Musik anno 2009 auch klingen mag – Kunst. Seelenvolle Kunst.
Fotos: Detlef Kinsler
27. Januar 2009, 16.49 Uhr
Detlef Kinsler
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