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Jüdisches Leben

Disko-Klischees

Vom 17. bis zum 31. Oktober laden die Jüdischen Kulturwochen ein zu Kultur satt. Am 18.10. ist der Kult-Autor und Erfinder der „Russendisko“ Wladimir Kaminer im Gemeindezentrum zu Gast.
Journal Frankfurt: Herr Kaminer, Sie lesen seit zehn Jahren regelmäßig in der jüdischen Gemeinde. Wie kommt’s?

Wladimir Kaminer: Die Gemeinde hat solche netten Menschen. Ich habe Frau Adler (die Kulturreferentin, Anm. d. Red.) kennengelernt, ich habe mehrere andere Mitglieder dieser Gemeinde kennengelernt, und es hat mir gefallen, dass sie diese Kulturwochen sehr frei gestalten. Jenseits von Klischees, die man mit dem jüdischen Kulturleben in Verbindung bringt.

Die da wären?

Kaminer: Zum Beispiel dass eine ganze Woche lang nur Klezmer.Musik gespielt wird.

Welche Bedeutung haben ihre Besuche in Frankfurt für Sie?

Kaminer: Ich habe sonst wenig zu tun mit jüdischen Institutionen, und ich bin sehr froh darüber, dass es diese Gemeinde gibt, dass ich auf diese Weise auch selbst einen Einblick bekomme in das jüdische Leben in Deutschland, und dass ich auch auf ein Publikum treffe, das sich dafür interessiert. Gleichzeitig aber machen die auch etwas Gutes, indem sie die Grenzen dieser jüdischen Kulturwelt etwas offener halten und Menschen wahrscheinlich zum Ignatz-Bubis-Zentrum kommen, die sonst da nicht hingehen würden.

Gibt es ein Ereignis, das sie mit Frankfurt verbinden?

Kaminer: Sie haben sich etwas gegruselt, als ich letztes Mal Hitler erwähnt habe.

In welchem Zusammenhang?

Kaminer: Als wir nach Deutschland kamen, konnten wir nur zwei Sätze aus alten sowjetischen Kriegsfilmen. Wenn sowjetische Schauspieler irgendwelche Deutsche spielten, sagten sie mal: Feuerzeug ist kaputt, oder eben Heil Hitler! Das hat dann bei der Lesung natürlich eingeschlagen.

Da mischen Sie also die doch recht bürgerliche Frankfurter Gemeinde ganz schön auf?

Kaminer: Ein bisschen Unordnung muss schon sein.

Warum hat die Jüdische Gemeinde in Berlin Sie noch nicht eingeladen?

Kaminer: Ich weiß nicht warum, wahrscheinlich sind die mit anderen Problemen beschäftigt. Meine Mutter und meine Tante sind Mitglieder dort. Soweit ich von meiner Tante weiß ist die Gemeinde sehr mit dem Wählen des Führungspersonals beschäftigt.

Kaminer als Gemeindemitglied, wäre das denkbar?

Kaminer: Ich kann mir vorstellen ein Gemeindefreund zu sein. Wissen Sie, ich bin geschädigt durch die sozialistische Erziehung. Meine große Vorliebe gilt dem Judentum. Aber aus meiner Sicht ist es auch eine trostlose Religion. Weil es da nichts gibt, was wie in den anderen Weltreligionen den Menschen versprochen wird. Weder ein Paradies noch irgendwelche Jungfrauen oder sonst irgendwas Gutes.

Klingt nach viel Realismus?

Kaminer: Sie ist sehr realistisch, diese Religion. Es ist alles schlecht, aber man muss trotzdem nur Gutes tun. Sonst wird alles noch schlechter.

Sie präsentieren in Frankfurt gerne neue Texte. Warum?

Kaminer: Weil das ein sehr unterschiedliches Publikum ist, das da zusammenkommt. Es sind Menschen, die sonst im alltäglichen Leben wahrscheinlich kaum aufeinandertreffen.

Das ist sicher nicht viel anders als in anderen Städten…

Kaminer: Nein, aber hier gibt es ein gutes, ausgeschlafenes Publikum. Ich habe das Gefühl, in Frankfurt verstanden zu sein.

Was erwartet das Publikum neben Ihrem aktuellen Buch „Die kaukasische Schwiegermutter?“

Kaminer: Ich will vorlesen, was mich letztes Jahr beschäftigt hat. Ich war sehr viel angeln, und ich habe viel über Religionsunterschiede nachgedacht. Darüber würde ich gerne in Frankfurt lesen. Aber es wird ein lustiger Abend, weil wir auch mit der Disko da sind. Es wird eine sehr tanzfähige Mischung sein aus jüdischer und russischer Musik. Und ich werde mit ein paar neuen Klischees aufräumen.

Werden Sie auch andere Veranstaltungen bei den Jüdischen Kulturwochen besuchen?

Kaminer: Leider nicht. Ich bin ja selbständig auf Lesereise, als Clown und Unterhalter komme ich kaum dazu, die Veranstaltungen von anderen Menschen zu besuchen. Aber wenn ich die Zeit hätte, würde ich das gerne tun.
 
13. Oktober 2010, 11.14 Uhr
Jasmin Takim
 
 
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