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Jahresprogramm für 2024
Jüdisches Museum Frankfurt baut Bildungsoffensive aus
Im Jahr 2023 konnte das Jüdische Museum Frankfurt einen neuen Besucherrekord aufstellen. Für das neue Jahr steht neben multimedialen Ausstellungen auch eine erweiterte Bildungsoffensive an.
Das Jüdische Museum beginnt das Jahr 2024 mit positiven Zahlen: Knapp 100 000 Menschen besuchten das Haus am Untermainkai, das Museum Judengasse oder suchten eines der anderen Bildungsangebote auf. „Darauf bin ich auch ein bisschen stolz“, verkündet Museumsdirektorin Mirjam Wenzel und freut sich über den Zuwachs von 30 Prozent zum Vorjahr mit 76 400 Besuchern. Besonders beliebt sei die Wechselausstellung „Zurück ins Licht: Vier Künstlerinnen – Ihre Werke. Ihre Wege“ gewesen.
Wenzel betont, dass das Museum die Besucherbindung und eine nachhaltige Auseinandersetzung auch nach dem Museumsbesuch hinaus anstrebe. Dafür werde auch intensiv das Online-Angebot genutzt. Im Vergleich: Im Januar griffen 25 Prozent der Besucher mit der bei jedem Besuch der Dauerausstellung erhaltenen Lesekarte auf die Online-Angebote zu, im Oktober waren es schon 50 Prozent. Der Kanal über X (ehemals Twitter) wird aus „politischen Gründen“ übrigens seit November 2023 nicht mehr aktiv bedient; dafür wird nun Bluesky genutzt.
Antisemitische Vorfälle: „Die Situation ist ein Spiegel der Gesellschaft“
Während andere Jüdische Museen in Deutschland durchaus einen Besucherschwund erleben mussten, wie Wenzel berichtet, hätten sich die Zahlen in Frankfurt seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober nicht wesentlich verändert.
Insgesamt habe das Museum fünf Fälle von Antisemitismus im Jahr 2023 zur Anzeige gebracht, wozu Schmierereien oder auch Briefe antisemitischen Inhaltes gehören. Seit dem 7. Oktober ist zudem die Sicherheit im Museum erhöht worden: Es gibt unter anderem einen verstärkten Polizeischutz und neue Regelungen beim Einlass ins Museum. „Die Situation ist ein Spiegel unserer Gesellschaft“, sagt Wenzel.
Direktorin Wenzel: „Wir sind weiterhin ein Museum ohne Mauern“
Auch wenn die Sicherheitsvorkehrungen der Programmatik des Museums – auch außerhalb Bildungsarbeit anzubieten – zuwiderläuft, halte man daran fest: „Wir sind weiterhin ein Museum ohne Mauern und keine Festung“, betont Wenzel. Um dem neuerlichen Klima der Gewalt zu begegnen, setzt das Museum deshalb auch auf eine ausgebaute Bildungsoffensive.
Das Extremismus-Präventionsprogramm „AntiAnti. Museum Goes School“ wird erstmalig parallel mit drei Klassen an zwei verschiedenen Berufsschulen durchgeführt. Ein Sachbuch, das die Methodik und das Konzept dahinter enthält, soll Mitte des Jahres erscheinen. Die interkulturelle Projektwoche für Grundschulen, „Wahrheiten und Narrheiten“, die auch Eingang in die obige Publikation gefunden hat, ist schon jetzt zur Hälfte ausgebucht. Kinder entwickeln darin ein Schattentheater und führen es anschließend auf.
Das 2015 in Zusammenarbeit mit dem Bibelhaus Erlebnismuseum und der Merkez-Moschee geschaffene Bildungsprogramm für Schulklassen „3 Orte – 3 Tage – 3 Religionen“ soll wegen positiver Ergebnisse fortgeführt werden. In der Dauerausstellung wird darüber hinaus das Führungsangebot „Auseinandersetzung mit Antisemitismus“ dauerhaft integriert, das im Oktober 2023 zunächst online eingeführt wurde.
Nach dem 7. Oktober: Hohe Nachfrage von Lehrern nach Weiterbildungen
Ausbauen werde man, so Wenzel weiter, auch das Bildungsangebot für Lehrerinnen und Lehrer. Viele Lehrkräfte seien nach dem 7. Oktober auf das Museum zugegangen. „Schule ist ein Brennglas der Gesellschaft“, sagt die Direktorin. Lehrer seien oft unsicher, wie sie mit einem solchen Ereignis umgehen sollen, da sie darin nicht genügend ausgebildet worden seien.
Im laufenden Schuljahr 2023/24 hat das Museum zudem in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung ein demokratiebildendes Angebot namens „Reden bewegen – Wohin?“ entwickelt, das sich um die Frankfurter Paulskirche dreht. Erste Schulen haben es bereits gebucht.
Neue Wechselausstellungen: Verstecke, Schreiben als Glückserfahrung und der Tod im Judentum
Für 2024 sind drei große Wechselausstellungen geplant. Den Auftakt macht vom 1. März bis 1. September die Ausstellung „Natalia Romik. Architekturen des Überlebens. Kunst – Geschichte – Forensik“. Die Ausstellung widmet sich anhand von Arbeiten der Künstlerin Natalia Romik neun Arten von Verstecken, die sich meist jüdische Menschen während der deutschen Besatzung im östlichen Polen und in der Ukraine suchen mussten. Thema der Ausstellung ist dabei die Geschichte und auch die materielle Beschaffenheit der Verstecke, die mittels Skulpturen, forensischen Techniken und Fotografien untersucht werden.
Skulptur zur Josefseiche in der Ausstellung „Architekturen des Überlebens“ © Jakob Celej
Vom 19. April bis 1. September lädt das Jüdische Museum pünktlich nach den Osterferien zu „Mirjam Pressler. Schreiben ist Glück“ ein. Die Darmstädter Schriftstellerin und Übersetzerin (zum Beispiel das Tagebuch der Anne Frank) wird dabei besonders im Hinblick auf ihre Kunst beleuchtet. Ihr Lebensweg steht dabei im Vordergrund und Themen wie Judentum, Anne Frank, Israel und Mutterschaft. Mit vielen Mitmachstationen richtet sich die Ausstellung besonders an ein junges Publikum.
Macht Einstein Konkurrenz: Mirjam Pressler, 1980er Jahre © Andrea Grosz
Als kleines Novum präsentiert sich die Ausstellung „Im Angesicht des Todes“ vom 1. November bis Juli 2025. Sie ist die erste ihrer Art europaweit, die sich mit der Kulturgeschichte des Todes im Judentum beschäftigt. Dem Besucher soll eine breite Sicht auf jüdische Sterbe-, Beerdigungs-, Trauer- und Gedenkrituale geboten werden. Dazu kommen auch Einblicke in Themen der Organspende und Sterbehilfe.
Wiedereröffnung des Gewölbekellers „An der Staufenmauer 11“ ab Ende März
Der Abschluss des Projektes „METAHub“ wird vom 21. bis 24. März mit dem Event „Mapping Memories III: Altogether Now“ begangen: Dazu gehören unter anderem Podiumsgespräche, Performances und eine Präsentation der Projektergebnisse sowie Konzerte und Führungen.
Im Mittelpunkt steht die erneute Öffnung des Gewölbekellers aus dem Jahre 1809, welcher sich unter dem Haus mit der Adresse „An der Staufenmauer 11“ befindet. An diesem Ort wird das Museum unter anderem eine Ausstellung mit Objekten zum Kampf um Gleichberechtigung jüdischer Menschen zu Beginn des 19. Jahrhunderts anbieten. Zu diesem Zweck hat die Stadt Frankfurt den Keller für zwei Jahre angemietet.
In Kooperation mit dem Archäologischen Museum, dem Architekturmuseum, dem „Künstler*innenhaus Mousonturm“ und dem Fachbereich Öffentlicher Raum des Stadtplanungsamtes sollen dazu noch weitere kulturelle Angebote wie eine Präsentation von Modellen zum Verlauf der Judengasse im Verhältnis zum heutigen Stadtraum folgen. Der Keller wird später donnerstags, samstags und sonntags offen sein und weiter bespielt werden.
Gewölbekeller unter der Staufenmauer © Jüdisches Museum Frankfurt
Wenzel betont, dass das Museum die Besucherbindung und eine nachhaltige Auseinandersetzung auch nach dem Museumsbesuch hinaus anstrebe. Dafür werde auch intensiv das Online-Angebot genutzt. Im Vergleich: Im Januar griffen 25 Prozent der Besucher mit der bei jedem Besuch der Dauerausstellung erhaltenen Lesekarte auf die Online-Angebote zu, im Oktober waren es schon 50 Prozent. Der Kanal über X (ehemals Twitter) wird aus „politischen Gründen“ übrigens seit November 2023 nicht mehr aktiv bedient; dafür wird nun Bluesky genutzt.
Während andere Jüdische Museen in Deutschland durchaus einen Besucherschwund erleben mussten, wie Wenzel berichtet, hätten sich die Zahlen in Frankfurt seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober nicht wesentlich verändert.
Insgesamt habe das Museum fünf Fälle von Antisemitismus im Jahr 2023 zur Anzeige gebracht, wozu Schmierereien oder auch Briefe antisemitischen Inhaltes gehören. Seit dem 7. Oktober ist zudem die Sicherheit im Museum erhöht worden: Es gibt unter anderem einen verstärkten Polizeischutz und neue Regelungen beim Einlass ins Museum. „Die Situation ist ein Spiegel unserer Gesellschaft“, sagt Wenzel.
Auch wenn die Sicherheitsvorkehrungen der Programmatik des Museums – auch außerhalb Bildungsarbeit anzubieten – zuwiderläuft, halte man daran fest: „Wir sind weiterhin ein Museum ohne Mauern und keine Festung“, betont Wenzel. Um dem neuerlichen Klima der Gewalt zu begegnen, setzt das Museum deshalb auch auf eine ausgebaute Bildungsoffensive.
Das Extremismus-Präventionsprogramm „AntiAnti. Museum Goes School“ wird erstmalig parallel mit drei Klassen an zwei verschiedenen Berufsschulen durchgeführt. Ein Sachbuch, das die Methodik und das Konzept dahinter enthält, soll Mitte des Jahres erscheinen. Die interkulturelle Projektwoche für Grundschulen, „Wahrheiten und Narrheiten“, die auch Eingang in die obige Publikation gefunden hat, ist schon jetzt zur Hälfte ausgebucht. Kinder entwickeln darin ein Schattentheater und führen es anschließend auf.
Das 2015 in Zusammenarbeit mit dem Bibelhaus Erlebnismuseum und der Merkez-Moschee geschaffene Bildungsprogramm für Schulklassen „3 Orte – 3 Tage – 3 Religionen“ soll wegen positiver Ergebnisse fortgeführt werden. In der Dauerausstellung wird darüber hinaus das Führungsangebot „Auseinandersetzung mit Antisemitismus“ dauerhaft integriert, das im Oktober 2023 zunächst online eingeführt wurde.
Ausbauen werde man, so Wenzel weiter, auch das Bildungsangebot für Lehrerinnen und Lehrer. Viele Lehrkräfte seien nach dem 7. Oktober auf das Museum zugegangen. „Schule ist ein Brennglas der Gesellschaft“, sagt die Direktorin. Lehrer seien oft unsicher, wie sie mit einem solchen Ereignis umgehen sollen, da sie darin nicht genügend ausgebildet worden seien.
Im laufenden Schuljahr 2023/24 hat das Museum zudem in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung ein demokratiebildendes Angebot namens „Reden bewegen – Wohin?“ entwickelt, das sich um die Frankfurter Paulskirche dreht. Erste Schulen haben es bereits gebucht.
Für 2024 sind drei große Wechselausstellungen geplant. Den Auftakt macht vom 1. März bis 1. September die Ausstellung „Natalia Romik. Architekturen des Überlebens. Kunst – Geschichte – Forensik“. Die Ausstellung widmet sich anhand von Arbeiten der Künstlerin Natalia Romik neun Arten von Verstecken, die sich meist jüdische Menschen während der deutschen Besatzung im östlichen Polen und in der Ukraine suchen mussten. Thema der Ausstellung ist dabei die Geschichte und auch die materielle Beschaffenheit der Verstecke, die mittels Skulpturen, forensischen Techniken und Fotografien untersucht werden.
Skulptur zur Josefseiche in der Ausstellung „Architekturen des Überlebens“ © Jakob Celej
Vom 19. April bis 1. September lädt das Jüdische Museum pünktlich nach den Osterferien zu „Mirjam Pressler. Schreiben ist Glück“ ein. Die Darmstädter Schriftstellerin und Übersetzerin (zum Beispiel das Tagebuch der Anne Frank) wird dabei besonders im Hinblick auf ihre Kunst beleuchtet. Ihr Lebensweg steht dabei im Vordergrund und Themen wie Judentum, Anne Frank, Israel und Mutterschaft. Mit vielen Mitmachstationen richtet sich die Ausstellung besonders an ein junges Publikum.
Macht Einstein Konkurrenz: Mirjam Pressler, 1980er Jahre © Andrea Grosz
Als kleines Novum präsentiert sich die Ausstellung „Im Angesicht des Todes“ vom 1. November bis Juli 2025. Sie ist die erste ihrer Art europaweit, die sich mit der Kulturgeschichte des Todes im Judentum beschäftigt. Dem Besucher soll eine breite Sicht auf jüdische Sterbe-, Beerdigungs-, Trauer- und Gedenkrituale geboten werden. Dazu kommen auch Einblicke in Themen der Organspende und Sterbehilfe.
Der Abschluss des Projektes „METAHub“ wird vom 21. bis 24. März mit dem Event „Mapping Memories III: Altogether Now“ begangen: Dazu gehören unter anderem Podiumsgespräche, Performances und eine Präsentation der Projektergebnisse sowie Konzerte und Führungen.
Im Mittelpunkt steht die erneute Öffnung des Gewölbekellers aus dem Jahre 1809, welcher sich unter dem Haus mit der Adresse „An der Staufenmauer 11“ befindet. An diesem Ort wird das Museum unter anderem eine Ausstellung mit Objekten zum Kampf um Gleichberechtigung jüdischer Menschen zu Beginn des 19. Jahrhunderts anbieten. Zu diesem Zweck hat die Stadt Frankfurt den Keller für zwei Jahre angemietet.
In Kooperation mit dem Archäologischen Museum, dem Architekturmuseum, dem „Künstler*innenhaus Mousonturm“ und dem Fachbereich Öffentlicher Raum des Stadtplanungsamtes sollen dazu noch weitere kulturelle Angebote wie eine Präsentation von Modellen zum Verlauf der Judengasse im Verhältnis zum heutigen Stadtraum folgen. Der Keller wird später donnerstags, samstags und sonntags offen sein und weiter bespielt werden.
Gewölbekeller unter der Staufenmauer © Jüdisches Museum Frankfurt
31. Januar 2024, 18.20 Uhr
Till Geginat
Till Geginat
Jahrgang 1994, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt, seit November 2022 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Till
Geginat >>
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