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Foto: © Dirk Ostermeier
Foto: © Dirk Ostermeier

Graffiti und Street-Art in Frankfurt

Sprayer prägen das Stadtbild mit ihren Kunstwerken

Ohne die rebellische Strahlkraft der Graffiti-Kultur hätte es die facettenreichen Formen der Wandkunst mit Sprühfarbe – auch der legalen Art – so niemals gegeben. Graffiti und Street-Art sind auch in Frankfurt Kennzeichen der urbanen Realität.
Allen voran sei Hera (Jasmin Siddiqui) als eine der wenigen Frauen zu erwähnen. Bereits recht früh merkte sie, dass ihr Graffiti-Umfeld ihr als Jugendliche zu territorial und zu männlich dominiert war. Sie fand schnell ihr eigenes Ding, Hera lebt nun seit fast zwanzig Jahren von ihrer Kunst. (JOURNAL berichtete in der Ausgabe 06/24 „Gesichter der Stadt“). Nächstes Jahr wird sie im Zuge des nachgeholten Hessentags und um Pfingsten herum in Bad Vilbel einige große Wände neu gestalten. „Natürlich male ich da nicht alleine, es werden noch andere lokale und internationale Künstlerinnen und Künstler involviert sein wie unter anderem Case, Hombre, Kashink und noch viele weitere. Außerdem beziehen wir Kinder und Jugendliche ein“, sagt Hera, es werden nämlich Workshops in Zusammenarbeit mit dem Naxos-Atelier stattfinden.

Für Murals bekannt ist ebenso der Frankfurter Cor (Justus Becker). Von ihm stammt zum Beispiel die große Friedenstaube in der Innenstadt. Sein „Tag“ ist das lateinische Wort für Herz und natürlich kein Zufall. Cor hatte als Kind eine schwere Herz-OP zu überstehen. Im Malen und Zeichnen konnte er als Kind und Jugendlicher diese schwere Zeit verarbeiten. Später widmete er sich seiner Kunst mit größerer Leichtigkeit und Freude, schließlich wurde es seine Profession. Er malt Aufträge und ist dabei sehr vielfältig, aber ihm liegt auch viel an der freien Kunst.

Im Mittelpunkt der Kunst steht nicht die Person, sondern die Aussage

Am Anfang war er, wie viele andere auch, als Sprayer unterwegs, der ungefragt Bilder an Wände brachte. „Ich gehörte zu denjenigen, die einfach nur malen wollten. Der Kick des Illegalen bedeutete mir nichts. Aber es gab keine freigegebenen Wände. Insofern habe ich mich dann zum Beispiel an der Wand meiner damaligen Schule in Bad Vilbel abgearbeitet“, erzählt er. „Das ungefragte Anbringen von Graffiti war eine sehr kurze Phase“, räumt er ein. Nach dem Fachabitur begann er Illustration zu studieren und bekam sehr schnell erste Aufträge, auch für Wände. Cor sagt, dass Urban Art als Potenzial für das Stadtmarketing zu nutzen in Frankfurt noch in keinster Weise ausgeschöpft würde. „Ich habe mal in Toronto gemalt und festgestellt, dass es dort viel mehr Engagement seitens der Stadt für Urban Art gibt.“ Politische Wandkunst macht er am liebsten in Kollaboration mit anderen, damit nicht er als Person im Mittelpunkt steht, sondern die Aussage.

„Für mich sind das eher Zeichen von Zivilcourage, aber nicht meiner Kunst selbst“, will er es unterschieden wissen. Von Guido Zimmermann aus Frankfurt sind ebenso Murals in der Stadt sichtbar, zum Beispiel die Rodeo-Szenerie, die man von der Haltestelle Riederhöfe aus sieht. „Für mich ist es spannend zu zeigen, wie der Mensch versucht, das Tier zu beherrschen und dabei scheitert“, gibt er etwas zur Idee preis. Er mag Kontroversen in seinen Bildern. Seit frühester Jugend zeichnet und malt er. Als er zur Sprühdose griff, merkte er schnell, dass dies ein teures Vergnügen ist. Er begann sich die Sache durch kleine Graffiti-Aufträge zu finanzieren. Das war die Zeit, in der er ungefragt an Wände sprühte.

Nach dem Abi studierte er Kommunikationsdesign und arbeitete lange als freier Illustrator. Er war schon immer vielseitig aufgestellt. Daher gab er die Illustrations-Jobs irgendwann auf und widmete sich ausschließlich der freien Kunst. Neben den Murals sind zeitgemäße Kuckucksuhren – die Cuckoo Blocks – ein weiterer Teil seiner Kunst. In seiner künstlerischen Heimat, nämlich im Atelierfrankfurt, ergeben sich für ihn häufig Kooperationen. So hat er zum Beispiel gemeinsam mit Johannes Nandu Kriesche einen Tunnel am Bahnhof Kelsterbach mit Malerei und Lichtkunst künstlerisch gestaltet.




Peng, in ganz Frankfurt bekannt aber dennoch anonym © Dirk Ostermeier

Peng: Urban Artist und Phantom Frankfurts

Während einige Akteure Graffiti nur als solche werten, wenn sie eine bestimmte Qualität haben oder einen bestimmten Stil verkörpern, egal ob legal oder illegal gesprüht, definieren andere nur ungefragt Angebrachtes als Graffiti oder Street-Art. Peng, dessen Tags, Figuren und Worte man in ganz Frankfurt kennt, gehört zu letzteren. Er verbreitet, ganz klassisch, seinen Künstlernamen „all city“. Das ist eher Graffifi. Dabei verzichtet er aber darauf, diesen stilisiert und für Unbeteiligte unleserlich zu gestalten. Und er hat kleine Sätze oder Einwortbotschaften am Start, außerdem seine ikonischen Figuren entwickelt.

Insofern käme für sein Tun auch der Begriff Street-Art ins Spiel. Peng begann in der achten Klasse mit Graffiti, er entwickelte sich dann aber nicht in Richtung Stylewriting. „Es geht mir um eine Entkategorisierung“ so Peng. Er malt im ganz Kleinen, z.B. nur zentimetergroß, aber auch im Großen auf Häuserfassaden, wo sich der Laie gerne mal fragt, wie er da wohl hochgekommen ist. Sein Thema lautet Selbstermächtigung, „nämlich die Stadt, in der ich lebe mitzugestalten, ohne irgend jemanden vorher um Erlaubnis zu fragen.“ Ihm ist die Gesamtperformance wichtig, begonnen bei der Planung bis hin zur Durchführung.

„Ich tauche auf diese Art ab in eine andere Welt“, sagt er. Er verhält sich dahingehend konsequent, schützt seine Anonymität. Womöglich entsteht auch genau deshalb das Mysterium um die Figur Peng, die inzwischen recht viel Ansehen genießt. Im richtigen Leben arbeitet er im sozialen Bereich, das dürfen wir verraten. Er selbst bleibt Individualist und geht nie in Crews raus. Für ihn ist ungefragt Graffiti oder Street-Art anzubringen ein emanzipatorischer Akt und frei von wirtschaftlichen Interessen. Dass er dennoch gerne von seiner Kunst leben würde, bedeutet für ihn kein Gegensatz. Er bietet nämlich auch Arbeiten auf Keilrahmen zum Verkauf an, z.B. in Bornheim im Laden „Recover“, die Peng-Bücher sind bereits Klassiker. Sein Ziel ist, irgendwann über eine Galerie gelistet zu werden „und mit 85 immer noch gut in der City am Start zu sein”, so Peng.




Mit mobilen Wänden die Stadt bunter machen © Dirk Ostermeier

Rito: „Die eine Szene im Graffiti gibt es nicht“

Sein „Tag“ lautet Rito, und er ist „Nacht“- bzw. „Zug-Maler“. Er taggt und sprüht seinen Namen in unterschiedlicher Größe z.B. an Unterführungen, Wände und auch an Züge. Sein Interesse an Graffiti entstand, als er in der achten Klasse war. Es ging ihm von Anfang an darum, sich frei von Regeln und Vorgaben in seiner Umgebung zu verewigen, diese mitzugestalten. Rito hat aber persönliche Grenzen, er würde nicht an Privatflächen gehen, die ansonsten noch komplett sauber sind. Er bevorzugt Flächen, die der Stadt oder dem Staat und insofern „uns allen“ gehören.

Er mag zwar Hip-Hop, hat aber mit dem Rest der althergebrachten „Säulen des Hip-Hop“ wenig zu tun. „Weder breake, rappe noch scratche ich. Auch kenne ich viele Punks, die sprühen“, sagt er und bestätigt damit, dass es heute „die eine Szene“ im Graffiti nicht wirklich gibt. Es gibt auch Bemühungen von institutioneller Seite, mehr für eine bunte Stadt zu tun. Open Walls ist eine solche. Es ist ein Projekt des Deutschen Architekturmuseums und der Arbeitsgruppe für urbane Interventionen Orte in Zusammenarbeit mit dem Graffiti-Künstler und Kunstpädagogen Philipp Wegener.

Dazu wurden bewegliche Wand-Module „Array & Spray“ entwickelt, die an verschiedenen Orten in der Innenstadt aufgestellt werden. Im August wurden diese Wände erstmals bespielt, und zwar auf dem Mainkai. Es fand ein Workshop mit Lisi Shisi (Lisa Peil) und dem City Ghost (Philipp A. Schäfer) statt, der, genau wie Cor (Justus Becker), der Aktion beratend zur Seite stand. Am Tag danach wurden die Wandmodule für ein freies Sprühen für die Öffentlichkeit freigegeben. Inzwischen sind sie auf dem Campus Bockenheim aufgestellt worden.
 
Fotogalerie:
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22. Oktober 2024, 11.20 Uhr
Meike Spanner
 
 
 
 
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