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Foto: Charlotte Goltermann
Foto: Charlotte Goltermann

Element of Crime live

Versenkung in Details

Im Rahmen ihrer „Lieblingsfarben und Tiere“-Tournee kommen Element of Crime diesmal am 2. März in die Jahrhunderthalle. Im Interview spricht Sven Regener über die privilegierte Position, in der sich die Band befindet.
JOURNAL FRANKFURT: Ihr habt noch Zeit für Interviews ... Müsst Ihr nicht mehr proben?

Wir proben wie die Bescheuerten. Wir haben schon diese Radiokonzerte gemacht, dadurch habe ich schon mehr Textsicherheit, weil wir da die ganzen neuen Songs schon gespielt haben. Wenn man in solche (größeren) Hallen geht, will man ja auch relaxt da reingehen und nicht das Gefühl haben, man habe noch strenge Defizite. Bei den Radiokonzerten haben wir im Wesentlichen die neuen Sachen gespielt, mit ein paar Hits dazwischen. Jetzt wollen wir unsere normalen 2-Stunden-Konzerte spielen.

Dann doch noch. Wo doch in eurer Online-Biografie schon vor zehn Jahren was von älteren Herren stand ...

Das Interessante ist, dass diese Selbstironie in dieser Biografie (ich glaube ich muss das noch mal überarbeiten) von viel mehr Leuten ernst genommen wird als man eigentlich erwartet hat.

Das alte Problem mit der Ironie. Von Satire wollen wir jetzt gar nicht reden ... Den Ehrgeiz hast Du ja auch nicht in den zehn Songs und 37 Minuten, die ihr geschafft habt, die Welt und aktuelle Probleme zu spiegeln ...

Hey, Moment mal. Die ganze Welt spiegelt sich in diesen zehn Songs natürlich, aber ebenso, wie sich in allem die Welt spiegelt. Das muss man ja nicht plump und platt machen. Es gibt da eine schöne Stelle in „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams, wo sie das ganze Universum in einer Simulation, und sie rekonstruieren dazu das ganze Universum aus einem alten Stück Punschkuchen. Weil sich eben alles, was auf der Welt und im Universum passiert, sich in allem anderen abdrückt und auswirkt. So sehe ich das mit diesen gesellschaftlichen Dingen auch. Insofern muss man sich als Künstler überhaupt keine Sorgen machen, weil wir natürlich genauso das, was unser Leben ist, wie damit auch die Gesellschaft insgesamt widerspiegeln, bloß auf einer anderen Ebene. Kultur ist genau so ein Überbauphänomen wie Politik und darum müssen wir uns da auch nicht unterordnen. Da bin ich auch mal Alt-Marxist.

Das ist ja das was eure Fans auch an euch schätzen: dass sich nicht mit plakativen Statements konfrontiert werden, am Ende über Pegida oder ähnliche „Phänomene“...

Gerade bei diesen ganzen populistischen Politikgeschichten, die einen so nerven und die man ja ablehnt, ist das ja genau das Problem, dass kulturelle Dinge und politische Dinge auf eine Weise vermischt werden, wo sich die Leute nicht im klaren sind, dass sie nicht über Politik, sondern über ihre Gefühle reden, über ihre Angst und so einen Kram und das politisch total unreif ist und auch schädlich. Die Islamisierung des Abendlandes ist ein gutes Beispiel. Wir haben eine ein Grundgesetz, das ist richtig und gut, und das garantiert Religionsfreiheit in diesem Land, da können die das alles einpacken und wieder nach Hause gehen, das können sie alles vergessen. Was sie im Grunde genommen nur machen ist allgemeines, dumpfes Unbehagen zu verbreiten. Das ist eine schlechte Laune machende Geschichte, mehr nicht. Und ich kann´s auch nicht mehr sehen: 25.000 Leute, das hat man früher bei jedem Scheiß auf die Beine gebracht; 25.000 Leute von 80 Millionen und das soll jetzt angeblich das Wichtigste sein, was in den letzten Wochen und Monaten passiert ist. Das ist dauernd an Nr. 1 der Onlineportale, aber nur weil alle unheimlich gerne darüber schwafeln und spekulieren und was hochjazzen zu etwas Großem, was es eigentlich nicht ist. Das muss man auch mal sagen. Das sind einfach nur Deppen. Ich widme mein Leben der Kunst und wir als Band ja auch und ich habe überhaupt keine Lust, diese Typen auch noch unsere Lieder verseuchen zu lassen.

Also auch eine Medienschelte wenn man mal durch die TV-Angebote zappt und dann das selbe Thema aus nur scheinbar unterschiedlichen Blickwinkeln von „Brisant“ bis „Mona Lisa“ abgehandelt wird ...

Wie kann es angehen, dass die so viel Aufmerksamkeit bekommen für so eine Pipi-Nummer, eine schwachsinnige Quatschnummer von schlecht gelaunten Leuten, die sich schon immer mal äußern wollten, warum sie schlecht gelaunt sind?

Wie kann man denn schlechte Laune so verpacken, dass es die Leute interessiert? Oder eine Haltung von Dir, die mal über ein komplettes Album hieß „Egal“...?

Es ist so: ich glaube, alle unsere Lebensäußerungen sind natürlich auch sehr Thema zur Zeit. Man darf das nicht durcheinander bringen. Man kann auch Lieder machen über schlechte Laune, also Schlechte-Laune-Rock kann man es nennen. Das gibt es ja und das ist gar nicht schlecht. Das kann auch Spaß machen. Das ist ja das Tolle an Kunst. Die Kunst kann ja umdeuten. Man kann ja etwas, das einem echt nervt, in ein Lied umwandeln, das auch Spaß macht. Auch traurige Lieder sind ja schön. Man darf nur nicht den Fehler machen, dass man den kategorischen Imperativ umdreht, das politisch ummünzt und den Leuten dann quasi qua politischer Macht vorschreibt, wie sie drauf zu sein haben. Das ist nämlich der Fehler dabei. Politik ist ein Kampf um die Macht. Das ist der Fehler, wenn man individuelle Sachen auf so eine politische Ebene hievt und man der Meinung ist, man könne den Leute diese kulturellen Sachen vorschreiben, Man könne aus seinem Unbehagen gegenüber einer anderen Religion politisch etwas bauen, indem man Religionsfreiheit einschränkt. Das geht halt nicht, das ist der entscheidende Punkt. Das heißt aber eben gleichzeitig, dass das natürlich alles Sachen sind, über die man reden kann. Man darf nur nicht daraus Politik machen. Das ist ja das Problem dieser Leute. Das ganze Luftgitarrespiel, das da stattfindet.

Bei der ewigen Subjektiv-Objekt, Konkret-Abstrakt-Diskussion– wie ambivalent ist denn die Kunst?

Kunst an sich ist immer ambivalent. Jedes gemalte Bild ist ambivalent. Das Spannungsfeld zwischen dem Umstand, dass es gemalt ist und dem darin enthaltenen Realismus ist zum Beispiel immer eine ambivalente Geschichte. Kunst, die eindeutig ist, ist keine. Das gilt auch für jedes Höhlenbild mit Büffelherden – das hat was Zweideutiges. Es ist sowohl Darstellung von etwas Konkretem, andererseits etwas darüber hinaus. Kunst ist rätselhaft und rätselhaft bedeutet mehrdeutig. Damit müssen wir leben und das ist ja auch eine der großen Freuden die man damit hat. Musik. Allein schon der Umstand, dass einen das so berühren kann und man weiß gar nicht warum... Wenn man da fragt, wozu denn das eigentlich gut ist, hat man schon die Banausen-Quatsch-Frage gestellt.

Wir stellen da ja auch immer wieder fest, dass wir als Band immer auch mit der Frage des Images zu kämpfen haben. Was für ein Image hat eine Band? Element of Crime ist ja eine Band, die man nur kennt, wenn man für sich für so eine spezielle Musik auch interessiert und nicht weil man sie eh kennt. Und das ist eigentlich eine gute, privilegierte Position, aber es ist auch so, dass eine solche Band quasi zwei Images hat, ein auf der Musik und ein auf der Erzählung basierendes, also bei Leuten, die die Musik vielleicht gar nicht kennen. Und so ein Image ist natürlich extrem ambivalent und wandelbar, eigentlich toll, denn Künstler hassen es ja, wenn sie auf ein bestimmtes Image festgelegt werden. Bei Element of Crime hat es da immer wieder Umwertungen gegeben, die uns immer wieder erstaunten. Eine privilegierte Position eigentlich.

Diese privilegierte Position verhilft ja dann auch dazu, dass man so nicht in die Verlegenheit kommt (was man ohnehin nie tun wollte), Erwartungshaltungen erfüllen zu wollen, und gleichzeitig auf der anderen Seite keine Vermeidungsstrategien schmieden muss.

Ja, genau, dass man im Grunde genommen darauf zählen kann, dass dem, was man tut, mit einer grundsätzlichen Offenheit begegnet wird. Image ist ja auch nur eine Regel, die man sich gibt als Rezipient. Ja, ja, das ist halt Heavy Metal, alles so Dorfdeppenmusik. Das ist ja im Grunde genommen die Anleitung zum Unglücklichsein, wenn man sich so gleich ganze Welten versperrt. Bei einer Band, die so lange existiert, ist da ja auch oft Thema, dass gefragt wird, "sind die denn jetzt noch experimentell oder nicht?" Das Interessante ist, dass das bei einer Band gar keine Rolle spielt, ob sie selber sagt, "wir sind jetzt experimentell" – was soll das auch sein? Man experimentiert immer als Band, aber das hängt nicht immer als Ladenschild vorne raus. Das kann auf ganz unterschiedlichen Ebenen sein, kann zu gigantischen Kurwechseln führen oder mehr zu einer Versenkung in Details. Aber auch das Nachfragen nach dem Experiment ist eben nur einer der Versuche, das nicht richtig Fassbare der Kunst irgendwie zu zähmen, auch da so eine Metaebene einzuziehen, wo man das dann alles irgendwie einordnen kann. Und das Tolle ist: man muss dem nicht mal widersprechen. Das widerspricht sich auf Dauer immer irgendwie selber. Das finde ich stark.


Fortsetzung unter www.journal-frankfurt.de/eoc_02
 
12. Februar 2015, 17.01 Uhr
Detlef Kinsler
 
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. – Mehr von Detlef Kinsler >>
 
 
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