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Eine CD „wider das Vergessen“

Kontrabassist Manfred Bründl kommt mit seiner Band Silent Bass am 17.11., 20:30 Uhr in die Romanfabrik nach Frankfurt und am 24.11., 20 Uhr in die Bessunger Knabenschule nach Darmstadt. Seine neue CD und das Konzert hat er dem verstorbenen Musiker Peter Trunk gewidmet. Im Interview erzählt Bründl, was ihn an Musik und Leben des Kollegen fasziniert hat und was ihn mit der Frankfurter Jazzszene verbindet.
JOURNAL FRANKFURT: Wie kam es zur „Begegnung“ mit Peter Trunk? Ein persönliches Aufeinandertreffen gab es ja nie. Also waren es Platten-Aufnahmen von ihm, die den Stein ins Rollen brachten?

Manfred Bründl: Als Peter Trunk 1973 starb, spielte ich erst seit einem Jahr Kontrabass nachdem ich zuvor am Gymnasium Geigen- und Bratschenunterricht erhalten hatte. Persönlich sind wir uns nie begegnet. Ich lernte Trunk tatsächlich über Plattenaufnahmen, „Page One“ mit Manfred Schoof an Trompete und Flügelhorn und Cees See an Schlagzeug und Percussion kennen. Die LP erschien bereits 1970. Weil ich keinerlei Vorkenntnisse hatte und mich ja gerade erst mit Jazz zu beschäftigen begann, konnte ich nicht verstehen, was da musikalische passierte, weder kognitiv noch emotional. Trotzdem ging für mich von dieser Platte eine besondere Faszination aus. Nach und nach sah ich klarer, erschloss sich die Musik für mich, auch die nachfolgenden LPs 1972 mit dem Trio plus Streichquintett, „Page Two“ sowie die „Alternate Takes“. Besonders faszinierend empfand ich die Aufnahmen des Deutschen Jazzfestivals, die parallel zu den Studioproduktionen zwischen 70 und 72 entstanden. Ich erhielt sie über das Archiv des Hessischen Rundfunks.

JOURNAL FRANKFURT: Wann reifte die Idee, Peter Trunk mit „Tip Of The Tongue“ ein komplettes Album zu widmen?

Bründl: Das war vor zwei Jahren während meines Forschungssemester an der Hochschule in Weimar. Mein Thema waren die „Bassisten der Nachkriegszeit in Europa“ und irgendwie bin ich bei Peter Trunk hängen geblieben als der schillerndsten Person und Persönlichkeit. Er war zu jener Zeit fast der Einzige, der solistisch brillierte, also eine echte Ausnahmeerscheinung.

JOURNAL FRANKFURT: Eine CD „wider das Vergessen“ – auch dieser Anspruch wurde im Zusammenhang mit der Veröffentlichung formuliert ...

Bründl: Das hat sich ganz natürlich ergeben. Ich habe nie mit erhobenem Zeigefinger gesagt, jetzt möchte ich meinen Studenten sagen, ihr kennt eure Geschichte nicht. Ich war vor allem fasziniert von dieser tragischen Geschichte Peter Trunks, mit seiner Liebe zu Stella Banks, die an den Drogen zerbrach, verarmt in New York starb, dieses ganze Paket, in das ich da immer weiter eingetaucht bin. Und manchmal war es wie eine Charakterrolle als Schauspieler, die ich da angenommen habe, ja geradezu annehmen musste. Ich merkte, dass sein Name in vielen Lexika fehlte, und viele Musiker, Kollegen, also nicht nur Studenten, ihn in der Tat nicht (mehr) kannten.

JOURNAL FRANKFURT: Erstaunlich ist, welche Wichtigkeit ihm als Instrumentalist und Persönlichkeit zugeschrieben wird und wie wenig er tatsächlich präsent ist in die Jazz-„Geschichtsschreibung". Andererseits lassen sich eine Menge Zitate relevanter Zeitgenossen wie Attila Zoller, Joachim Ernst Berendt und Michael Naura über ihn finden – eigentlich ein phänomenaler Widerspruch? Wie sahen Ihre ganz persönlichen Recherchen und deren Ergebnisse aus?

Bründl: Seine Blütezeit waren die Fünfziger- und Sechziger- bis Anfang der Siebzigerjahre. Was ihn auszeichnete, war, dass er besonders vielseitig und offen für alle möglichen Strömungen war– von kommerzieller Musik über Jazz Rock bis zum Free Jazz, von Wolfgang Lauth über Paul Nero bis zu Klaus dem Geiger. Über seinen Schwager, der in Los Angeles lebt, kam ich an umfangreiches privates Fotomaterial heran. Auf dem sieht man ihn mit Stella Banks, seiner Frau, bekommt einen Einblick, was da alles so passiert sein muss, auch während ihrer Drogenzeit. Faszinierend auch, wenn man sich vor Augen führt, was parallel dazu in der Weltpolitik oder in der Kunst mit abstraktem Expressionismus, mit Action Painting, Beuys und Fluxus, etc. passierte. Da war Woodstock, die APO, Hippies - eine sehr spannende Zeit also. Ich sehe das schon ein bisschen losgelöst von der rein musikalischen Seite und begreife Trunk als Kind seiner Zeit. Obwohl er sehr vielseitig war und ganz unterschiedliche Styles bedienen konnte, blieb er stets als Peter Trunk erkennbar. Am künstlerisch wertvollsten ist für mich doch seine sogenannte freie Musik, die er u.a. mit Manfred Schoof spielte.
Ich konnte mit vielen Zeitzeugen und Kollegen von Trunk sprechen. Dadurch hat sich das Puzzle immer weiter vervollständigt. Ich denke schon, dass Elemente und Inspirationen gerade dieser Free Jazz-Zeit mit in meine neue Platte eingeflossen sind. Zudem gibt es Zitate von Trunks Musik, die mich kompositorisch beeinflusst haben, in „Seven Deadly Sins“ zum Beispiel. Bei „Sincerely S.T. (for Stella)“ beziehe ich mich auf das Stück „Line“. Ferner inspirierten mich „Little Frown“, ein wunderschönes Stück von Trunk, bei „Confabulation“ und „Colours“ bei meiner Titelkomposition „Tip Of The Tongue“.

JOURNAL FRANKFURT: „Tip Of The Tongue“ war also nie als ein Album mit Kompositionen von Trunk oder Interpretationen seiner Stücke geplant.

Bründl: Nein, nein, auf gar keinen Fall... Weil das auch gar nicht funktionieren würde. Trunks Musik unkommentiert heute so auf die Bühne zu stellen, würde keinen Sinn machen. Der Spirit, den Silent Bass zu transportieren versucht, ist einfach ein anderer. Dabei erinnern wir uns dieses beeindruckenden Musikers in Form von Motiven und „Vibes“, die sowohl in die Kompositionen als auch in unsere Improvisationen mit einfließen. Stücke von ihm einfach nur nachzuspielen, wäre zu einfach und sicherlich nicht sehr ergiebig.

JOURNAL FRANKFURT: Als Frankfurter Magazin müssen wir den gebürtigen Regensburger und Wahl-Weimarer fragen, zumal die Silent Bass das Programm jetzt auch in Frankfurt spielt: steht Trunk für eine „Frankfurter Schule“ im Jazz (Stichworte: Albert Mangelsdorff, das Jazzensemble des Hessischen Rundfunks, Volker Kriegel) und wie ist Ihr persönlicher Bezug zur „Jazzstadt Frankfurt“?

Bründl: Als ich mein Studium in Graz abbrechen wollte, war ich 1983/1984 in Frankfurt, spielte u.a. mit Heinz Sauer, Albert Mangelsdorff und Christof Lauer. Direkt nach Beendigung meines Studiums 1985 kam ich nach Mainz und Wiesbaden.1996 erhielt ich den Ruf nach Weimar. Letztlich habe ich erst in Frankfurt „laufen gelernt“ und fühle mich daher der Szene sehr verbunden. Peter Trunk war ja „auch“ Frankfurter und hat hier angefangen Bass zu spielen. Ich denke mal, die „Frankfurter Schule“ hatte sicherlich was mit der speziellen Nachkriegssituation Frankfurts zu tun. Durch die Amiclubs, die Radiosender und die vielen Musiker, die in der Nachkriegszeit aus den Staaten herüber kamen, um beispielsweise im Jazzkeller zu spielen, hat sich in Frankfurt eine besonders kreative Szene herauskristallisiert. Das Jazzensemble des Hessischen Rundfunks unter Albert Mangelsdorff spielte dabei eine besonders wichtige Rolle.
Die freie, kreative und sehr eigenständige Art hier zu musizieren, war doch sehr speziell und durchaus charakteristisch. Man denke da nur an die Albert Mangelsdorff Ensembles mit Trunk, Hartig Bartz, Heinz Sauer, Ralf Hübner, u.v.a.m.
Ich fühle mich dieser Art zu musizieren sehr verbunden. Aber auch die Begegnungen mit so großartigen Musikern wie Christof Lauer, John Schröder, Thomas Cremer, Bob Degen, etc. - die sich ja alle irgendwie im Dunstkreis des „Kellers“ bewegten - waren für mich absolut prägend. Es ist so schade, dass dieses Potential letztlich nicht dazu geführt hat, dass Frankfurt im Vergleich zu Berlin oder Köln eine deutsche Jazzmetropole geblieben ist. Trotz HR Bigband und Deutsches Jazzfestival bräuchte diese Stadt, bräuchte Hessen eine grundständige Ausbildungsstätte für Jazz. Das haben die politisch Verantwortlichen bedauerlicherweise gewollt verschlafen.

JOURNAL FRANKFURT: Was steckt hinter dem Band-/Projektnamen Silent Bass?

Bründl: Ich verstehe mich stets als gleichwertiges Bandmitglied. Eher leise versuche ich den Bandsound, das musikalische Profil über meine Kompositionen und verbindenden Soli mit zu prägen. So waren die ersten beiden Silent Bass-Platten kompositorisch, weniger solistisch konzipiert. Die Band besteht – trotz hochvirtuoser Instrumentalisten – aus Teamplayern, die es verstehen, insbesondere aus der Live-Situation heraus, neue Ideen und vor allem einen Bandsound, Geschichten und Farblichtklänge zu entwickeln.
 
8. November 2011, 16.13 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
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