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Foto: Andreas Dosch
Foto: Andreas Dosch

Dosch@Berlinale 2016 – Teil 2:

German Angst

Während die diesjährige Berlinale in vollem Gange ist, fragt sich unser beim Festival anwesender Filmredakteur Andreas Dosch, wie nationale (Kino-)Krisen zu lösen sind. Gewalt kann keine Lösung sein … oder?
So, so: Da hat der George Clooney also die Angela Merkel besucht. Es ging um die Flüchtlings-, also: die Geflüchteten-Krise. Ich kann mir in etwa vorstellen, wie das Gespräch verlaufen ist, also übersetze ich mal. Clooney: „Das ist wirklich eine schwierige Situation, Frau Kanzlerin.“ Merkel (ihm mütterlich aufs Ärmelchen tätschelnd: „Indeed, lieber George, das ist es. Aber nun machen Sie sich mal keine Sorgen – wir schaffen das!“ Clooney: „Davon bin ich überzeugt, Frau Kanzlerin. Gibt es sonst noch etwas, das ich für Sie tun kann?“ Merkel: „Ja, tatsächlich, wo Sie mich jetzt so danach fragen ...“ Clooney: „Ich würde alles für Sie tun, Frau Kanzlerin.“ Clooneys Gattin (daneben sitzend, langsam mürrisch): „Ähem... räusper!“ Merkel (ungerührt): „Sie kennen doch den Herrn Tarantino ganz gut, oder?“ Clooney: „Yeah, stimmt, Quentin ist ein alter Kumpel von mir.“ Merkel: „Gut. Schön. Könnten Sie ihn vielleicht darum bitten, hier bei uns mal seine 'Hateful 8' vorbeizuschicken? Ich habe nämlich diverse Probleme mit dem Koalitionspartner aus Bayern, wissen Sie. Der ist immer so ungehobelt. Und dann gibt es da auch noch diese lästige Partei von neuen Rechtspopulisten, denen man, mal gelinde gesagt, das Maul stopfen sollte. Glauben Sie, das würde Ihr Freund für mich machen?“ Clooney (strahlend): „Frau Kanzlerin, es wird mir eine Ehre sein. Betrachten Sie die Sache als erledigt!“ Clooneys Gattin (nur mühsam Contenance bewahrend): „Can we go now?“

Und damit genug vom schönen George. Er mag der größte Star auf der 66. Berlinale sein (Meryl Streep zählt nicht – die gehört als Jury-Präsidentin zum Inventar), aber nun ist er weg, „mission accomplished“, wie man so sagt. Zurück bleibt ein Festival mit gut 400 weiteren Filmen. „Und nur ein einziger deutscher im Wettbewerb dabei!“ regten sich bereits im Vorfeld einige Feuilletonisten auf: Ist unser teutonisches Kino also nicht mehr konkurrenzfähig“? Tja, bei „24 Wochen“, dem einzigen Beitrag in der Berlinale-Königskategorie, handelt es sich wohl um eines jener Ex-Filmhochschule-Innerlichkeitsdramen, die man hierzulande wie Sand an der Nordsee findet: Eine Kabarettistin wird schwanger. Schockierende Diagnose für das kommende Baby: Down-Syndrom. Oh my God! Ergo: Tränen, Verzweiflung, schwankende Handkamera … yup, so läuft das. Gut immerhin, dass Bjarne Mädel als geplagter Ehemann mitspielt. Obwohl ich ihn doch lieber als „Tatortreiniger“ sehe. Derweil Berlins momentan Regierender OB Michael Müller („Wie? Nicht mehr der Wowi?“) in seiner knapp gehaltenen Festival-Laudatio „eine starke Präsenz des deutschen Films“ verkünden lässt. Hmm, da hat wohl sein den Text verfassender Sekretär in vorauseilendem Gehorsam das Programm noch nicht gekannt.

Aber eigentlich – also, ganz eigentlich, hat der Müller ja recht: Es gibt die Sektion „Perspektive Deutsches Kino“. Da läuft – nomen est omen – ganz viel deutsches Kino. Die gebotenen Filme klingen von der Beschreibung her jetzt zwar nicht sooo doll, aber dafür dauern die meisten davon deutlich unter 90 Minuten. Das hat doch was: ist man schneller wieder draußen. Dann wäre da noch die diesjährige Retrospektive: „Deutschland 1966 – Filmische Perspektiven in Ost und West“. Hallo?! Deutsch – Deutsch – Deutsch! Fassbinder, Schlöndorff, Kluge, Klick, Beyer und wie sie alle heißen. Die Klassiker! Oh … Sie haben mich beim Gähnen erwischt? Tschuldigung!
Wo wir gerade beim Thema sind: Immer, wenn ich auf der Berlinale bin, gerate ich mehr oder weniger zufällig in einen Dokumentarfilm entweder über familiäre Altlasten aus dem Dritten Reich oder über die DDR. Meistens DDR. Auch dieses Jahr wieder: DDR! Raten Sie den Titel. Genau: „Der DDR-Komplex“. Passend: angesehen im legendären „Kino International“ auf der Karl-Marx-Allee. Tatsächlich sagt jemand hinter mir beim Warten auf den Einlass zu seiner Begleitung: „Und dann muss ich morgen noch mal tief in den Westen.“ Nur gut, dass ich vorher noch in einem versteckten Eck an die Mauer gepinkelt habe in der Sorge, die Kino-Klos könnten überlaufen sein. „Der DDR-Komplex“ handelt von einem schwulen (klar, die Panorama-Sektion!) Mitbürger des ehemaligen Ostens, der aus Liebe & Leidenschaft (zu einem West-Politiker) über Ungarn „nach drüben“ machen wollte, dabei erwischt und drei Monate in den üblen SED-Knast gesteckt wurde, heute als CDU-Mitglied und Gefängnisgedenkstättenführer über seine Erfahrungen berichtet und allem zutiefst misstraut, was linker als Uli Hoeneß ist. Sicherlich nicht uninteressant, ein Großteil des anwesenden Publikums fand's anscheinend auch echt dufte … Mal so gesagt: Gut, dass wir drüber gesprochen haben.

Ich musste leider gehen bei der Publikumsdiskussion im Anschluss („Dü linkes Schwein!“ „Dü ölte Sau!“ – nee, das waren Zitate aus der Doku). Denn bereits ein neuer Film wartete auf mich. Sie ahnen es bereits: ein deutscher Film! Damn right. Und nicht nur das: ein Film aus Offenbach!!! Na ja, fast. Zumindest dessen Macher kommen aus der lieblichen Nachbarstadt von Frankfurt am Main (nicht an der Oder!), den cineastisch interessierten JOURNAL-Lesern möglicherweise bekannt: Piotr J. Lewandowski (Drehbuch/Regie) und Carsten Strauch (Produktion) stellten Lewandowskis Langfilm-Debüt „Jonathan“ in der Panorama-Sektion des Festivals vor: ein sensibles, atmosphärisches Melodram um einen jungen Mann und seinen tödlich an Krebs erkrankten Vater. Einschließlich (wir sind schließlich im Panorama) schwuler Thematik. Ein sehr persönliches Werk, das noch an emotionaler Stärke gewann, als in der anschließenden Q&A-(also: Frage & Antwort)-Runde Filmemacher, Darsteller und sogar einige aus dem Publikum über ihre persönlichen Erfahrungen mit sterbenden Angehörigen zu erzählen begannen. „It's the circle of life“, konstatierte der Regisseur abschließend. Zum Glück hat er nicht angefangen zu singen. Mehr über „Jonathan“ und seine sympathischen Hersteller können Sie dann in einer der kommenden Print-Ausgaben des JOURNAL FRANKFURT erfahren. Übrigens: Der Film läuft auch Ende März beim LFFI, kurz: „LichterFilmfestFrankfurtInternational“ (so viel Zeit muss sein).
Tja, und dann wäre da noch eine Sache, die mir auf der Seele liegt – ein rechter Skandal. Für Sie als Leser jetzt vielleicht nicht so überaus relevant, für mich als Berlinale-Besucher allerdings schon: Es-gibt-keine-gedruckten-Kataloge-mehr! „Wie … was?!“ „Yeah, you can download the catalogue, if you like. Do you want the bag?“ Ich will keine verf***** Berlinale-Tasche. Ich will den f****** Katalog! „ Yeah, you can download ...“ (usw.). Really? „Really!“ Oh, dankeschön – und das Ganze auch noch in English! Wissen Sie: Dieses Ding, also der Katalog, war in der Print-Version in den letzten 88 … also 66 … gefühlt 150 Jahren Berlinale ein verlässlicher Begleiter: nachschlagen, Infos finden, sich das Teil anschließend neben die 87 anderen ins Regal stellen, bis dieses irgendwann krachend zusammenbricht. Das Schöne daran: Der Berlinale-Katalog war immer derart dick und fett, der machte nicht nur den Reisekoffer zum Übergepäck – damit könnte man auch jedem AfD-Mitglied aber so was eins über die Rüben braten. Und dem Seehofer noch gleich einen obendrauf. „The Hateful 8“? Ha, ha, ha: Go home zu Mutti!
 
14. Februar 2016, 23.41 Uhr
Andreas Dosch
 
 
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