Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs

Dosch@Berlinale 2014, Teil 2

Männer und Monumente

Kinoredakteur Andreas Dosch mit seinem epischen zweiten Teil der Berlinale-Berichterstattung. Diesmal mit George Clooney, Matt Damon und dem Potsdamer Platz (vulgo: PoPla).
Man kann ja vom PoPla sagen, was man will: schluchtig, windig, kalt, abweisend. Ein Ort, wo auch noch der letzte friedliebende Autofahrer zum rücksichtslosen Ego-Monster mutiert und wollbemützte Alt-68er, die früher mal für eine neue Gesellschaft auf die Straße gingen, einen jetzt mit ihrem Scheißrad über den Haufen zu fahren drohen, weil sie den Unterschied zwischen Rot und Grün nicht mehr kennen – altersbedingte Farberblindung, politische Verdrossenheit oder pure Ignoranz („Ich hab damals dafür gekämpft, dass Ihr es heute besser habt, also GEH MIR AUS DEM WEG, DU VOLLPFOSTEN!“) mögen die Gründe hierfür sein.

Aber eines kann man dem neuen Zentrum Berlins nicht absprechen: Er, also der PoPla, ist zweifelsohne eine architektonische Errungenschaft, wie man das nun auch für sein persönliches ästhetisches Empfinden bewerten möchte. Und schon, nach nur 877 Zeichen, bin ich bei meinem Thema angelangt (nein, keine Musik diesmal bitte): Die Architektur hat längst auch als Sujet im Kino Einzug gehalten, was sich auf der diesjährigen Berlinale inner- wie äußerlich als kleiner Trend abzeichnet … puh, und ich dachte schon, ich würde diesmal keinen finden.

Die 64. Internationalen Berliner Filmfestspiele stehen diesmal nämlich ganz im Zeichen von neuen (und alten) Gebäuden. Behaupte ich jetzt einfach mal so. Ich hätte zwar auch schreiben können „Die 64. Internationalen Berliner Filmfestspiele stehen diesmal ganz im Zeichen von Blindheit“, denn es gibt mehrere Beiträge hier, die dem Zuschauer die Situation von Nicht-Sehenden vor Augen führen wollen – so viele sind es dann aber doch nicht, bislang habe ich nur zwei gezählt. Bleiben wir also bei den Gebäuden. Da dominiert in der „Special“-Sektion ein wahrer Koloss, nein, ich gehe noch weiter, ein Monument die Programmauswahl: „Cathedrals of Culture“ heißt das gute Stück. Wow, „Kathedralen der Kultur“, hierfür wäre vielleicht doch eine kleine Hymne fällig, mindestens ein Tusch. (TUSCH) Danke. 156 Minuten lang führen uns sechs internationale Regisseure (Wim Wenders, Robert Redford, Michael Glawogger, Margreth Olin, Karim Aïnouz) durch ihre Lieblingsbauwerke, Wenders porträtiert die Berliner Philharmonie, Robert Redford das Salk Institute für biologische Studien im kalifornischen La Jolla und so weiter. Wohlgemerkt: alles in 3D!

Sicher, das riecht jetzt nicht unbedingt nach Publikumsrenner, aber bietet für interessierte Zeitgenossen einiges an Schauwert. Im Forum läuft derweil die Doku „The Airstrip – Aufbruch der Moderne, Teil III“ (Tusch! Tusch! Tusch!), eine „Architekturreise zu Bauwerken und Skulpturen“, während uns „Das große Museum“ hinter die Kulissen des Kunsthistorischen Museums Wien führt. Praktisch, braucht man nicht mehr hinzugehen. All diese Hochkultur wird jedoch überstrahlt von dem majestätischen, dem wunderbaren, dem einzigartigen „Grand Budapest Hotel“, mit dem der Amerikaner Wes Anderson das diesjährige Festival eröffnete und das ich als meine favorisierte Luxusherberge im Herzen mit nach Hause transportieren werde (obwohl: Mein „Little Schöneberg Hotel“, in dem ich nun schon seit unzähligen Jahren residiere, das hab ich auch ganz lieb). Zum Film selbst, den ich mit Superlativen nur so überhäufen könnte, lasse ich mich an dieser Stelle jetzt aber nicht aus – das können Sie dann im kommenden JOURNAL FRANKFURT lesen, wo – soviel sei verraten – er die „Top 1“-Platzierung schmücken wird, aber sowas von haushoch.

Anderson fand den Schauplatz seines Hotels übrigens im schönen Görlitz, wo ich die Freude hatte, das letzte Silvester zu verbringen und auch George Clooney Teile seiner eher weniger monumentalen „Monuments Men“ drehte. Mittlerweile wird die sehenswerte Kopfsteinpflaster-Stadt an der polnischen Grenze auch schon liebevoll „Görliwood“ genannt. Über Clooney möchte ich mich hier ebenfalls nicht weiter äußern, das haben bereits andere Medien ausreichend getan, nur soviel: Ganz Berlin flippt aus, weil der schöne George die Hauptstadt mit seiner Anwesenheit beehrt. Die Tageszeitungen überschlagen sich vor Glück: „Er ist da!“, „Clooney: Der König von Berlin“ etc. - solche Überschriften liest man hier tatsächlich. Nichts gegen den Mann, auch wenn sein neues Werk nicht gerade bombe ist (man stecke George Clooney in eine Soldatenuniform, und es wird nix draus). Aber haben diese Schlagzeilenmacher eigentlich noch alle Birnen in der Fassung?

Ich bin … ich finde … also, ich denke … aber ich wollte ja sonst nichts weiter über den Clooney schreiben, belassen wir es dabei.
Kommen wir zum Schluss noch zu zwei Dingen, die ebenfalls mit Architektur, bekanntlich dem ausgerufenen Hauptthema dieser Filmfestspiele, zu tun haben, im Guten wie im Schlechten. Das Schlechte zuerst: Audi ist nun offizieller Hauptsponsor der Berlinale. Und was macht man als Hauptsponsor, außer hässliche Autos zu bauen? Genau: Man stellt einen noch unansehnlicheren Betonklotz mitten auf den PoPla, nennt ihn großspurig „Berlinale Audi Lounge“ und verdeckt dem vorbeiflanierenden Unterschichtsvolk großkotzig die Sicht auf den Berlinale Palast, um dann allabendlich Schampus schlürfend dem Schaulaufen der Stars beizuwohnen. Ich sage: Bei den alten 68ern, da hätte es so ein Bonzengetue nicht gegeben. Einfach 'ne kleine Dynamitpackung rein – und „boff!“: wieder freier Blick auf den Roten Teppich. Und du, Clooney, wischst dir mal gleich dein schmieriges Lächeln aus dem Gesicht, sonst kommt Wollmützen-Bertram mit seinem Flohmarkt-Mountainbike, und das war's dann mit „George Clooney is inside“.

Ähm, ja, okay ... Ich wollte auch noch was Nettes schreiben: Das ist allerdings dann nicht nur nett, sondern wahrscheinlich (neben dem „Grand Budapest Hotel“) das Highlight dieser Berlinale – und noch vieler weiterer, wie ich hoffe. Denn es gibt ihn wieder: Der Zoo-Palast ist zurück! (GROSSER FREUDIGER TUSCH) Runderneuert, aufgehübscht, mit schönen neuen Sitzen drin, sonst aber immer noch ganz der alte! Eine Pracht. Vorgestern bestiegen dort Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu (begleitet von – ungelogen – 45 Teammitarbeitern) die Bühne für ihren harten Psychothriller „Stereo“, gestern waren die Iren John Michael McDonagh (Regie) und Brendan Gleeson (Hauptrolle), das Traumpaar von „The Guard“, da, um ihr fabelhaftes Drama „Calvary“ zu präsentieren. McDonagh sagte, der Bühnenvorhang des Zoo-Palastes sei der schönste, den er je gesehen habe, und meinte das ernst. Gleeson befand, es hier mit einem Werk von „spektakulärer Genialität“ zu tun zu haben – und meinte den Film. Beide haben recht. Obwohl, das mit dem Vorhang: Ich weiß nicht so recht. Man muss Gold schon mögen.
 
10. Februar 2014, 10.18 Uhr
Andreas Dosch
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Im Museum Angewandte Kunst wird aktuell die Ausstellung „CONTACT ZONES – Pamela Breda, Victoria Keddie, Sajan Mani“ gezeigt. Die drei Künstler schaffen mit ihren Arbeiten den Zugang zur Wissenschaft.
Text: Loreena Willner / Foto: CONTACT ZONES – Pamela Breda, Victoria Keddie, Sajan Mani, Foto: Günzel/Rademacher © Museum Angewandte Kunst
 
 
 
 
 
 
 
Ältere Beiträge
 
 
 
 
19. Mai 2024
Journal Tagestipps
Pop / Rock / Jazz
  • Samora Pinderhughes
    Kunstverein Familie Montez e.V. | 20.00 Uhr
  • Robert Forster
    Zoom | 19.00 Uhr
  • Ioulia Karapataki & Atar tou Tar
    Internationales Theater Frankfurt | 20.00 Uhr
Nightlife
  • Cocoon 25Y
    Blaues Wasser | 12.00 Uhr
  • Gibson loves FitSevenEleven
    Gibson | 23.00 Uhr
  • We Are One Festival
    Schlachthof | 22.00 Uhr
Klassik / Oper/ Ballett
  • Schwanensee
    myticket Jahrhunderthalle | 19.00 Uhr
  • Things have changed – Bob Dylan is not there
    Staatstheater Mainz | 18.00 Uhr
  • Budapest Festival Orchestra
    Alte Oper | 19.00 Uhr
Theater / Literatur
  • Ach Gottsche
    Comedy Hall / Kikeriki Theater | 18.00 Uhr
  • Orlando – Eine Biografie
    Schauspiel Frankfurt | 19.30 Uhr
  • Pärchenabend
    Stalburg Theater | 20.00 Uhr
Kunst
  • Adivasi – Das andere Indien
    Museum Wiesbaden | 11.00 Uhr
  • Wer hat Macht? Körper im Streik
    Frankfurter Kunstverein | 11.00 Uhr
  • Bernd Wolf. Retrospektive
    Stadtmuseum Hofheim am Taunus | 11.00 Uhr
Kinder
  • Lego Mindstorms Sumo-Wettkampf
    Experiminta Science Center | 12.00 Uhr
  • Volker Reiche
    Museum für Kommunikation | 13.30 Uhr
  • Museum in a Box – Wie sieht das Museum der Zukunft aus?
    Museum Wiesbaden | 14.30 Uhr
und sonst
  • Ritterturnier zu Pfingsten
    Ronneburg | 11.00 Uhr
  • Wäldchestag
    Stadtwald | 12.00 Uhr
  • Kloster Eberbach im Mittelalter – eine kleine Zeitreise
    Kloster Eberbach | 15.30 Uhr
Freie Stellen