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Dosch@Berlinale 2010: Marty, Leo, Ben und alle anderen
Zweiter Teil Berliner sind hart im Nehmen. Ungefähr 2000, so jubelte jedenfalls Berlinale-Chef Dieter Kosslick, versammelten sich am Freitagabend zur Open-Air-Präsentation von „Metropolis” am Brandenburger Tor – bei Temperaturen weit unter Null und beständigem Rieselschnee. Die Kulisse war imposant, keine Frage, doch ich würde mal schätzen, dass es vielleicht die Hälfte weniger waren als Kosslick verkündete– aber wer weiß, ich bin schlecht im Schätzen und habe auch nicht nachgezählt. Nachdem die tapferen Menschen nach der dritten Wiederholung des Vorprogramms langsam zu murren begannen (der Filmbeginn hatte natürlich Verspätung, wie es sich bei solch einem Anlass gehört) gingen die Pfeifkonzerte und Buhrufe erst so richtig los, als Roland Koch im Friedrichstadtpalast das Rednerpult betrat, live übertragen nach draußen in die Kälte. Und da merkte ich mal wieder: Wie kann ein Politiker nur so unbeliebt sein? Bei der Rede des Kulturstaatsministers hat jedenfalls keiner gepfiffen, aber der tut auch keiner Fliege was zuleide. Das Blöde an der Berlinale ist ja: Man kann nicht an mehreren Stellen gleichzeitig sein. Während ich also beim „Metropolis”-Event vor mich hinbibberte, um mir anschließend im Zoo-Palast bei einem mittelprächtigen spanischen Fantasy-Melodram namens „El Mal Ajeno” (Chirurg kriegt Wunderheilkräfte und zerbricht daran) die Füße aufzuwärmen, muss es am roten Teppich heiß hergegangen sein, als Sharukh Khan über selbigen schritt. Sein Film „My Name is Khan” (wie auch sonst?) ist ein 9/11-Drama, ein Road-Movie durch die USA und ein Bollywood-Schinken gleichzeitig. Der in Frankfurt sitzende Verleih Twentieth Century Fox hat ihn kurzerhand in sein Programm aufgenommen und hofft nun wohl auf den Crossover-Reibach im Zuge des „Slumdog Millionär”-Erfolgs. Es darf bezweifelt werden, ob dies gelingt, aber versuchen kann man’s ja mal. Tags darauf dann wieder bekannte Gesichter im Wettbewerb: Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio waren angereist, hatten ihren ziemlich düsteren, ziemlich verzwickten und manchmal auch ziemlich trashigen Psychothriller „Shutter Island” dabei – und da war es wieder, dieses Wort: „Intensiv” (bzw. „intense”). Das hatte Pierce Brosnan, wie berichtet, gestern bereits in den Mund genommen, und Leo wiederholte es mehrmals, als er über die Dreharbeiten für seinen vierten Film mit dem großen Regisseur sprach. Die Anwesenden nickten beifällig. Ansonsten erfuhr man, was die beiden, neben ihrem Faible fürs Kino, noch verbindet: die Liebe zu italienischen Desserts! Und Sir Ben Kingsley, der ebenfalls mitspielt (einen mysteriösen Irrenarzt, klar),konstatierte: „Martin Scorsese ist der bei weitem intelligenteste Mensch im Raum. Doch er lässt es einen nicht spüren, sondern gibt einem das Gefühl, genauso intelligent zu sein wie er.” Kommt sicher von den vielen italienischen Nachspeisen. Am Sonntag ging dann der Himmel auf: endlich kein Schneefall mehr, endlich Sonne! Valentinstag eben. Und dazu: ein wunderbarer Wettbewerbesfilm, nämlich die Tragikomödie „Greenberg” des Amerikaners Noah Baumbach („The Squid and The Whale”). Eine schräge Neurosengeschichte über Liebe und Lebenslügen, traumhaft geschrieben, großartig gespielt, mit einem Soundtrack zum Niederknien. Der Applaus im Berlinale-Palast fiel danach zwar spärlich aus, aber wenn ich einen Bären vergeben dürfte, hätte ich meinen Gewinner bereits gefunden. Obwohl: Das nachfolgende Brüderdrama „Submarino” des Dänen Thomas Vinterberg (bekannt geworden als Dogma-Mitbegründer und Regisseur von „Das Fest”) war ebenfalls meisterhaft, aber auf andere Art: unbedingter Realismus gepaart mit geballter emotionaler Härte.
Das ging ganz schön rein. Also: einen Bären auch für ihn.