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Dosch@Berlinale 2010: It’s only a movie

Vierter Teil Hier ein paar Titel: “Bad Family”. “Family Tree”. “Alle meine Väter“. “About Her Brother”. “The Kids Are Alright” … Sind wir nicht alle eine große Berlinale-Familie? Dysfunktional bis zum Geht-nicht-mehr, klar. Aber trotz aller Zwiste, Streitereien, Meinungsverschiedenheiten, trotz aller Missverständnisse und Konfliktherde gehören wir doch irgendwie zusammen, oder? Schließlich sitzen wir alle im gleichen Boot. Oder im gleichen Film. Und das Thema „Familienbande“ lässt sich nun mal immer wieder erzählen, neu variiert, doch im Kern stets auf die gleiche Binsenweißheit hinauslaufend: Man kann nicht mit ihnen, aber meistens auch nicht ohne sie – und wenn man niemanden sonst mehr hat, dann beschwert man sich eben bei seinen Angehörigen darüber, dass man keinen hat, oder gibt ihnen am besten gleich ganz die Schuld.




So ist auch die diesjährige Berlinale nicht nur ein „Publikumsfestival“, sondern mal wieder eines für die ganze Familie. Was nicht gleichbedeutend heißt, dass jeder vorgeführte Beitrag auch das Etikett familientauglicher Unterhaltung verdient hätte, ganz im Gegenteil. Aber ein Gros der Filmemacher, die man als Nachkommen der Babyboomer-Generation verorten könnte, hadert schon seit geraumer Zeit recht eindeutig mit Kindheit, Jugend, Heranwachsen und all dem psychologischen Ballast, der sich zwangsläufig dabei angesammelt hat.


Diese Geschichten pendeln dann zwischen versöhnlich („The Kids Are Alright“ von der Amerikanerin Lisa Cholodenko) und desaströs (Thomas Vinterbergs heftiges Drama „Submarino“). Gerne, wie etwa im Forums-Beitrag „Winter’s Bone“, wird sich auch auf die Suche nach einem verschollenen Elternteil gemacht, und dieses Abarbeiten am eigenen Erzeuger ist neben „Mann liebt Frau“ und „Mensch dreht durch“ sicherlich eines der effektivsten und legitimsten Erzählmittel, um seinen Stoff unters Kinovolk zu bringen. Drogen, Knast, Krieg, Politik, Gewalt, Verbrechen, Religion, Sex und der gute alte Gevatter Tod werden natürlich auch reichlichst bemüht, um dramatisch zu illustrieren, was jeder längst weiß und deswegen auch nicht immer gewillt ist, dafür Geld für eine Kinokarte hinzublättern: Das Leben ist hart und meistens hochgradig unfair.


Was ich damit sagen will? Nun, ich habe viele Filme gesehen auf den 60. Internationalen Filmfestspielen Berlin, die meisten davon waren sogar annehmbar bis erstaunlich gut (Glück mit der Auswahl oder ein guter Jahrgang? Vielleicht beides). Doch Innovationen waren keine dabei. Mich persönlich stört das nicht weiter, denn eine gute Story, schöne Charaktere und ein gewisses Maß erzählerischen Einfühlungsvermögens sind mir lieber als haltloses Herumexperimentieren, zu welch hehrem künstlerischem Zweck das dann auch gut sein mag. Sicherlich habe ich auf der aktuellen Berlinale das eine oder andere Highlight verpasst, möglicherweise sogar richtungsweisende Trends verschlafen (nicht, dass ich gepennt hätte im Kino, mir sind nur ganz selten mal die Augen zugefallen!). Möglicherweise hätte ich, wenn heute das Festival noch mal von vorne beginnen würde, ein ganz anderes persönliches Programm zusammengestellt, als ich es die vergangene Woche getan habe. Wer weiß das schon genau?


Was ich an der Berlinale so mag, ist die Möglichkeit, sich ganz intuitiv treiben zu lassen, Filme nach Titeln, Regisseuren, Darstellern, nach Ländern, Inhaltsangaben, und auch nach den Kinos auszusuchen, in denen diese gezeigt werden. So setze ich mich einfach gerne genussvoll des Abends in die Panorama- Sektion des Zoo-Palastes: Es wird schon okay sein, was da läuft. Und wenn nicht, dann hat man immerhin das Vergnügen gehabt, ein mittelprächtiges Machwerk auf der Großleinwand des vielleicht schönsten Lichtspieltheaters Deutschlands erlebt zu haben – das es in dieser Form demnächst nicht mehr geben wird, weil auch der majestätische Zoo-Palast dem grassierenden Renovierungs- und Modernisierungswahn zum Opfer fällt. Bei der nächsten Berlinale, der 61., ist er wohl nicht mehr dabei. Ich aber schon, auch wenn jetzt und hier für mich Schluss ist mit dem süßen Wahn der Berliner Festivalitis.


Die bärige Preisverleihung führe ich mir dann zuhause auf dem Sofa via Fernseher zu Gemüte – und werde entweder maulen oder jubeln. Oder mich möglicherweise darüber ärgern, den Gewinnerfilm mal wieder verpasst zu haben. Kann passieren. Das Leben ist schließlich hart und meistens ungerecht.


 
19. Februar 2010, 10.00 Uhr
Andreas Dosch
 
 
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