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"Direkte Demokratie und Grundeinkommen gehören zusammen"

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Das Grundeinkommen ließe sich nicht mit dem Sozialsystem vergleichen, es sei wie Äpfel und Birnen, sagt Enno Schmidt. 30 Jahre wirkte er als Künstler in Frankfurt. Nun will er sich für ein bedigungsloses Grundeinkommen in der Schweiz einsetzen. Mit Daniel Häni zusammen ist er Gründer der Initiative Grundeinkommen, ein Film der beiden zu diesem Thema hat bislang weit über 100.000 Zuschauer gefunden - im Internet und auf DVD. Im aktuellen Journal Frankfurt finden Sie ein Porträt, hier, im Pflasterstrand, ein Interview und in den kommenden Tagen weitere Artikel und Hintergründe zum Grundeinkommen.

Journal Frankfurt: Wie kamst Du zum Thema Grundeinkommen?

Enno Schmidt: Eigentlich über Daniel Häni. Wir sind uns bei einer Veranstaltung über den Weg gelaufen, ich war damals grade an einer Untersuchung wie in Unternehmen Kunst und Kultur Einfluss haben. Da erschien mir sein unternehmen mitte spannend. Was interessiert uns beide am meisten? Eigentlich Geld. Also dachten wir: machen wir eine Bank auf, die Geld verschenkt. Also: Menschen Geld gibt. Das ist ja eine wichtige Aufgabe einer Bank. Das Geld muss dahin, wo es gebraucht wird. Also wollten wir von anderen Stiftungen, von Bürgern Geld einwerben und es weiterverteilen an Menschen, die es brauchen, die vernünftige Sachen machen. Damals hatte ich schon einen Lehrauftrag am Lehrstuhl von Götz Werner, dadurch war mir der Begriff Grundeinkommen bekannt, Daniel war es auch geläufig. Es wurde uns schnell klar: Mensch, Grundeinkommen, ist doch viel besser als diese Idee mit der Bank. Dann haben wir uns sehr schnell entschlossen die Initiative Grundeinkommen zu gründen.

Seit wann beschäftigt Dich die Verknüpfung von Wirtschaft und Kunst?

Ich habe 1980 angefangen, an der Städelschule zu studieren. Zwei Jahre habe ich unterbrochen für den Zivildienst in einer Drogenheilstätte, am Bodensee dann gleich mal geheiratet, dann zwei Gastsemester an der HdK in Berlin. Meine Frau kam dort als Schauspielerin jedoch nicht an, dafür aber in Frankfurt beim Kubelka im Film. Das war auch mehr ihr Ding. Dann bin ich mit zurück nach Frankfurt. Hab das Studium abgeschlossen als freie Klasse, als Klasse ohne Lehrer – viel besser. Nach zehn Jahren Malen und Studium war ich drin, sozusagen auf meiner Höhe. Da habe ich mich gefragt: was ist eigentlich mit der Kunst? Wo ist die? Für mich ist sie nicht im Museum, sondern im Unternehmen, nämlich dort, wo Realität gebildet wird. Kunst ist Realitätsbildung.

Was meinst Du mit „im Unternehmen“?

Du malst Bilder, gibst dir alle Mühe, machst es und machst es lange. Normalerweise sind Kunst und Malerei eins. Aber was heute Kunst ist, diese Frage zu stellen, ist grundsätzlicher. Sie zielt auf den Begriff der Sache. So wie Beuys den erweiterten Kunstbegriff gebildet hat. Kunst schafft Wirklichkeit. Und die Wirklichkeit wird geschaffen durch Wirtschaft. Alle Dinge, die hier auf unserem Tisch stehen, kommen aus der Wirtschaft, selbst dieses einfache Glas hier kann ich analysieren wie eine ägyptische Statue. Wirtschaft umgibt uns. Die Aufgabe von Kunst ist ja, in ihrem Erleben die Wirklichkeit nachzubilden. Das trägt zu deiner inneren Bildung, zu deinem Lebensgefühl bei. Die Kunst aber fehlt in den Unternehmen, auch wenn sie da ist. Ideen entstehen ja aus diesem Fehlen.

Und dann?

Ich musste raus aus dem Atelier. Was ich eigentlich immer schrecklich fand, dieses in der Landschaft stehen mit der Staffelei. Es ist aber etwas Neues: Ende des 19. Jahrhunderts ging’s in den Wald, Ende des 20. Jahrhunderts in die Unternehmen.

Dann aber auch ganz konkret?

Wenn man Unternehmen als Geschehen, als Organismus begreift, dann geht es darüber hinaus, dass Firmen Kunst schlicht ankaufen. Da hatte ich vorher erlebt, diese ganze Consulting-Welle habe ich auch mitgemacht. Und dort habe ich erlebt, dass es aus den Unternehmen eine Frage nach der Kunst gibt. Die Künstler antworten als Geschäftsleute: „Endlich verkloppen.“ Und die Geschäftsleute denken dann: „Na, wenn das so ist, dann verstehen wir das auch.“ Natürlich ist dieses Geschäftemachen more sexy, du kannst deiner Freundin imponieren, das ist nicht unwesentlich. Kunst sind nicht Bilder an der Wand.

Na, jedenfalls hat ein Freund von mir, ein Architekt, mich in ein Unternehmen reingeholt, in dem recht schnell wesentliche Fragen besprochen wurden. Das waren die Wilhelmi-Werke, die Bäume fällen und diese zu Akustikplatten weiterverarbeiten, Marktführer auf ihrem Gebiet. Meine Idee war es: eigentlich ist es Aufgabe dieses Unternehmens, einen Wald zu pflanzen. Doch damit konnte ich mich nicht durchsetzen, die Idee starb. Ich fuhr zu Johannes Stüttgen und Felix Droese, die 1989, kurz nach dem Mauerfall, die Idee hatten, eine Allee von Kassel nach Eisenach zu pflanzen – nach der Idee 7000 Eichen. Das war genau der Wald, den ich gemeint hatte. Aus dem Wesen heraus, Natur neu schaffen, mit aller Intelligenz – so wie die Firma mit aller Intelligenz aus Holz Akustikplatten hergestellt hat.

Das hat dann geklappt?

Genau. Die ersten 50.000 Mark haben die Künstler gegeben, das war auch wichtig. Das Unternehmen stieg mit ein. Die erste Pflanzung fand auf dem Todesstreifen statt – mit den Mitarbeitern der Wilhelmi-Werke, mit Menschen aus der Umgebung, Umweltschützern, Freunde. Jeder pflanzte seine Idee in die Erde, an einer Stelle, wo du vorher nicht mal deinen Fuß hinsetzen durftest. Danach dachten wir uns: das war doch jetzt eigentlich auch ein Unternehmen. So gründeten wir „wirtschaft und kunst erweitert“. Zwei Häuser vom Strandcafé hier war die Geschäftsstelle. Die Pflanzungen konnten weitergehen. Mittlerweile ist die Reihe in Eisenach angekommen, nun geht es in die andere Richtung weiter nach Kassel. Aus dem unternehmen bin ich aber mittlerweile raus. So um die 1400 Bäume dürften es aber mittlerweile sein.

Für das Grundeinkommen zieht es Dich in die Schweiz. Warum?

Weil Daniel mit dem unternehmen mitte eine gute Basis hat, dort auch nicht abkömmlich ist. Das ist der eine Grund. Der andere ist für mich, dass es in der Schweiz direkte Demokratie gibt. Ohne geht es nicht. In Deutschland bin ich dem Omnibus für direkte Demokratie sehr verbunden, die Idee, dass die Intelligenz von allen gebraucht wird, die Erfahrung von allen wichtig ist.

Sind die Leute in der Schweiz auch aufgeschlossener?

Nein, das sind sie nicht.

Also sind sie auch nicht soweit, darüber abzustimmen?

Wir hatten ein Treffen im Bundeshaus mit zwei Nationalräten, einem Unternehmer, jemand vom Unternehmerverband, einen, der schon etliche Volksentscheide organisiert hat. Wir stellten schnell fest: für eine Volksinitiative gibt’s gar keine Chance. Das Grundeinkommen ist überhaupt kein Thema. Da gibt es die Krise und Sozialleistungen, die höher sein müssten, Reformen undsoweiter. Das Grundeinkommen muss erst noch in die breite Öffentlichkeit getragen werden, es muss sich entfernen von wenigen Schlagworten, es muss ein kulturelles Gut werden. Dem politischen Gegenwind könnten wir derzeit gar nicht standhalten. Es geht jetzt nicht, und vielleicht nicht in einem Jahr, aber die Volksinitiative Grundeinkommen bleibt unser Ziel.

In Eurem Film wird es gegen Ende hin doch sehr konkret. Das Grundeinkommen liegt bei 1000 Euro, die Konsumsteuer bei 50 Prozent. Das hört sich an wie ein fertiges Konzept. Kommt man da nicht schnell in Detaildiskussion hinein?

Man muss auch Fakten an die Hand geben. Wenn diese Zahlen nicht kämen, würden die Leute vielleicht nur sagen: ja, nett. So aber sagen sie: Ah, das ist ja sogar durchgerechnet. Unserer Überzeugung nach ist das Grundeinkommen mit der Konsum-, Umsatz-, Mehrwertsteuer, wie Du es auch nennen willst, verbunden. Anders lässt es sich nicht finanzieren. Mit den alten Steuergedanken geht es nicht.

Dann ließe es sich aber nicht in einer Gemeinde realisieren.

Nein, da kann man nur Experimente machen.

Und die Konsumsteuer müsste dann auch EU-weit gelten.

Ja, man denkt, das ließe sich in einem Land nicht machen. Wobei, kleiner Einschub, die Schweiz sich eben auch anbieten würde, weil sie nicht zur Europäischen Union gehört. Dann kommt das Argument: EU-weit geht auch nicht, das geht nur weltweit. Da stehste vor einem Riesenklotz, hast einen schönen Diskussionsabend gehabt und kannst Dich betrinken. Doch wir diskutieren ja jetzt, wir beschäftigen uns damit, es ist eine Bewegung, deren Kraft zunimmt. Es erweitert sich. Es geht nur mit kleinen Schritten, denn ein Riesensatz wäre nur mit soviel Macht möglich, die du nie haben wirst. Eines wird nicht passieren: man führt es in der Schweiz ein und Deutschland guckt dann mal über den Rhein und schüttelt den Kopf. Nein, es ist ein Prozess. Wir sind die Gesellschaft. Das Grundeinkommen bietet neue Perspektiven auf die Finanzkrise, auf Geld. Es ist eine Kulturinitiative, die bereits stattfindet. Dieser Weg ist das Spannende. Wenn Angela Merkel das nun in einem Geistesblitz einfach mal umsetzen würde, das wäre methodisch einfach schrecklich.

Damit wären wir wieder bei einer Stiftung oder einer Bank, die Leuten Geld gibt.

Das würden wir gerne machen, ganz pragmatisch damit anfangen, dass Menschen eine Freistellung bekommen. Ohne Big Brother, ohne Was-tun-die. Der Objektivitätsdogmatismus ist tödlich, denn am Ende wird damit nichts mehr gefördert.

Eigentlich logisch, dass Du irgendwann beim Grundeinkommen landen musstest.

Ja, es war eigentlich nie weit entfernt. Nun bin ich mittendrin.

Foto: Harald Schröder
 
23. Juni 2009, 10.35 Uhr
Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
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