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„Der Planet hält es nicht aus“

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Hinter Manuela Rottmanns Schreibtisch türmen sich die Zimmerpflanzen, auch eine Palme wiegt sich im Wind, der durch das offene Fenster hineinweht. Sie kommt gerade aus dem Taunus, viel zu spät, weil die S-Bahn nicht kam, da musste sie die Strecke mit dem Rad zurücklegen. Die Leiden eines Lebens ohne Auto, könnte man meiden. Doch die Umweltdezernentin sieht das positiv. „Die Menschen“, sagt sie, „müssten verzichten lernen.“ Im ersten Teil unseres Interviews mit der Grünen-Politikerin geht es um kaum noch zu erreichende Klimaziele – und die Frage, wie eine Kohlendioxid-Reduktion von 80 Prozent zu erreichen ist.

Journal Frankfurt: Der Prognose des Wetterdienstes liegt ein recht konservatives Klimarechenmodell zugrunde. Ist das noch zeitgemäß?
Manuela Rottmann: Das Zwei-Grad-Ziel war politisch vereinbart, auch wenn man wusste, dass man darin den sich selbst verstärkenden Klimawandel kaum berücksichtigen kann. Nach der jüngsten Veröffentlichung sieht es allerdings zappenduster aus. Ich bin sehr pessimistisch.

Auch was den politischen Weg angeht?
Ein internationales Ziel festzulegen ist das eine, es national umzusetzen das andere. Das merke ich auch auf lokaler Ebene, wenn ich relativ harmlose Dinge anspreche. Die Industrie sagt dann, na, das 20-Prozent-Ziel, das ist schon irgendwie zu erreichen, das sieht doch gar nicht so schlecht aus. Dass wir aber eigentlich auf 80 Prozent Kohlendioxid-Reduktion kommen müssen, damit muss man denen gar nicht kommen.

In Frankfurt haben Sie das Ziel ausgerufen, alle fünf Jahre zehn Prozent einzusparen.
Das ist etwas, was wir nicht alleine erreichen können. Die Stadt selbst hat in ihren Gebäuden in den vergangenen zehn Jahren schon 25 Prozent Einsparung geschafft. Es geht aber um die Stadt insgesamt.

Das wird schwer zu vermitteln sein.
Das finde ich nicht. Es ist schwer, viele mitzunehmen. Es ist eine aufwendige Botschaft, die in den Lebensstil hineinspielt. Eigentlich müsste man dazu mit jedem Frankfurter ein mindestens halbstündiges Einzelgespräch führen. Wir sind noch nicht an dem Punkt, dass sich der Klimaschutz durch Mund-Propaganda herumspricht. Für viele Menschen ist das zuweit von ihrem Leben weg. Das Problem kommt ihnen sehr klein vor.

Was genau machen Sie, um das zu ändern?
Es gibt einige Programme, von denen wir erste Auswertungen nun vorliegen haben. „Frankfurt spart Strom“ etwa oder der Cariteam-Energiesparservice. Eigentlich sind das Anlaufphasen, wir müssen lernen, wie wir die Menschen erreichen.

Was sind die Ergebnisse?
Es sieht ganz gut aus. Das Cariteam, ein Programm für einkommensschwache Haushalte, zeigt uns, dass wir das Geld für die Beratung sogar wieder hereinbekommen, weil die Stadt die Energiekosten dieser Menschen mitträgt. Bei den allerersten Haushalten, die beim Programm „Frankfurt spart Strom“ mitgemacht haben ist die Durchschnittseinsparung 17 Prozent, 600 Kilowattstunden pro Haushalt. Das ist viel mehr als ich gedacht hatte. Das Problem ist nur: bislang haben erst 160 Haushalte mitgemacht. Wir brauchen jetzt Masse.

Fehlen Ihnen dazu die Mittel?
Die Mittel für eine weitere Kampagne haben wir. Die Frage ist nur, ob das reicht. Es wird, glaube ich, noch einen Effekt geben, dass sich das noch verbreitet, auch in Ecken, in denen die Menschen derzeit nicht sowieso schon sparsamer leben.

Sie meinen das Nordend, in dem es schon einen schlechten Eindruck macht, ein dickes Auto zu fahren.
Es gibt bestimmte Zielgruppen, die eher ansprechbar sind, besonders natürlich die Familien. Aber das Minus-80-Prozent-Ziel ist viel mehr. Da reicht eine Lohas-Philosophie nicht, da reicht es nicht, zu sagen, ich lebe wie bisher, nur mit einem etwas sparsameren Auto und mit Biofleisch statt Fleisch. Der Durchschnitts-Frankfurter verursacht 12,8 Tonnen Co2 im Jahr, der Durchschnittskenianer 0,3 Tonnen, der Durchschnittschinese 3,5 Tonnen. Langfristig verträglich wären 2 bis 3 Tonnen.

Wir sprechen über Verzicht.
Ja, doch, das würde ich sagen. Das wurde ja auch in meiner Partei lange tabuisiert, weil es einige traumatische Erlebnisse gab.

5 Mark pro Liter Benzin.
Das und auch die Bezugsscheindebatte. Es geht um Verzicht und um anders leben. Wenn ich normale Lebensmittel durch Bioprodukte ersetze, dann ist das ein Lebensstil, den sich die Wenigsten leisten werden können. Allerdings ist unser normaler Lebensstil auch wahnsinnig ungesund, nicht nur auf den Klimawandel bezogen, sondern auch was unsere eigene Gesundheit angeht. Verzicht klingt negativ. Anders gesagt: es geht darum, selbstbewusst zu entscheiden, was man nicht brauchen will. Diesen Mist der Industrie will ich mir nicht andrehen lassen. Da gibt es schon Debatten, etwa durch Peter Unfried in der taz oder die Utopisten unter utopia.de. Es geht nicht um Lifestyle, sondern auch wieviel brauchen wir in Zukunft noch. Die Gesellschaft fragmentiert sich zusehends, Familienstrukturen lösen sich auf, das alles sorgt für einen Zuwachs an Mobilität. Die Kluft zwischen 0,3 in Kenia und 12,8 in Frankfurt ist groß. Ein gewisser Teil wird sich dadurch schließen lassen, dass wir in Passivhäusern leben, mit Elektromobilen fahren. Doch es wird nicht mehr so sein, dass jeder sich jeden Wunsch erfüllen kann. Das wird dieser Planet nicht aushalten.

Die Lohas sind ja in einer bestimmten Schicht. Wie kann man denn die Leute erreichen, die nicht im Nordend, sondern im Gallusviertel leben?
Sozial schlechter gestellte Haushalte haben schon heute einen geringeren CO2-Ausstoß. Die fahren keinen Porsche Cayenne und fliegen nicht mehrmals im Jahr in den Urlaub. Was wohnen und Elektrizität angeht funktioniert das über die immer drückender werdende zweite Miete, sich davon unabhängig zu machen. Die interessiert der Klimaschutz nicht, sondern das, was sie sparen. Ich sehe diese Gruppe nicht als die kritische z-ps-nachhaltigkeitan. Es sind nicht die, die viel wegwerfen, viel überflüssiges kaufen. Gerade ärmere Haushalte werden aber in größerem Umfang Opfer von Werbung, die zu schlechtem Konsum erzieht. Nicht gesundheitsförderliche Produkte wie Weichspüler und WC-Frische-Steine sind teuer – und wird in ärmeren Haushalten am meisten verbraucht, weil die Werbung suggeriert, dass dies die Anknüpfungspunkte an das Mittelschichtsideal sind. Es steht fürs saubere, prilgeblümte Einfamilienhaus. Es geht also um Lebensstile. Die Armen sind keine Zielgruppe für die ganzen Bioläden. Die finden Sie im Nordend zuhauf, dort wo RTL2 geguckt wird, aber nicht.

Fortsetzung folgt ...

Foto: Harald Schröder
 
11. Juli 2009, 15.53 Uhr
Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
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