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Foto: Lukas Gedziorowski
Foto: Lukas Gedziorowski

Ausstellung Unboxing Goethe

Manuskripte zum Selbstauspacken

Eine Ausstellung im Goethehaus präsentiert unbekannte Goethes Handschriften mal anders: in Vitrinen zum Selberöffnen. Kuratiert wurde die Schau von Studenten. Der Titel "Unboxing Goethe" spaltet jetzt schon.
Zugegeben: Das Schildpattetui, bernsteinfaben marmoriert, gefertigt aus dem Panzer einer Schildkröte, hat seinen Reiz. Es enthält ein kleines Notizheft und einen winzigen Bleistift. Es steht nichts drin, das Ding gehörte einer zweitklassigen Schauspielerin. Aber entscheidend ist das winzige Zettelchen, das dabei liegt: „Dem sechstem July 1830“, steht darauf – und darunter die Signatur: „Goethe.“ Und schon ist aus einer unbedeutenden Antiquität ein Stück Literaturgeschichte geworden. Oder wenigstens eine Anekdote. Das Etui ist mehrere tausend Euro wert.

Aber wahren Goethe-Freunden ist nichts zu teuer und nichts zu schade, um es unbeachtet irgendwo liegen zu lassen. Schon gar nicht in Privatbesitz. Deshalb kauft das Freie Deutsche Hochstift, Träger des Frankfurter Goethehauses und -museums, fleißig Handschriften und andere Objekte auf, die ihren Weg auf den freien Markt finden. Dass dazu auch das nötige Kleingeld in der Kasse liegt, dafür sorgt seit zehn Jahren eine großzügige Spende der Erich und Amanda-Kress-Stiftung. Über 100 Goethe-Handschriften und andere Objekte hat das Hochstift in der Zeit gesammelt. Von Samstag an sind 13 von ihnen in einer Ausstellung zu sehen: „Unboxing Goethe – Schätze aus dem Archiv ans Licht gebracht“, so der Titel.

Abgesehen davon, dass damit erstmals Manuskripte und andere Gegenstände gezeigt werden, die kaum ein Mensch zuvor gesehen hat, besteht die Besonderheit der Ausstellung darin, dass sie von Studenten der Goethe-Universität kuratiert wurde. Auch das ein Novum für das Hochstift. Ein Jahr lang haben sich 13 Studenten in einem Seminar mit den Stücken beschäftigt, sie genau untersucht und die Geschichte dahinter recherchiert. So stellt jeder Student (zwölf Frauen, ein Mann) jeweils ein Stück vor. Auch die Katalogtexte stammen von den Kuratoren.

„Für uns alle war das sehr bedeutsam“, sagt Valerie Pfitzner, eine der Kuratorinnen. Da an der Uni kaum Seminare zu Goethe angeboten würden, wisse man kaum etwas über ihn. Während der Arbeit an der Ausstellung hätten die Teilnehmer aber Seiten an dem Dichter kennengelernt, die sie sonst nicht erfahren hätten. Lucia Baumgartner betont, dass sie durch die Arbeit einen „anderen Zugang zur Literatur“ bekommen hätte. Dank der Auseinandersetzung mit den Handschriften werde der Schreibprozess nachvollziehbarer, sagt sie. Außerdem hätte man die Möglichkeit bekommen, selbst zu kuratieren, was besonders für die Studenten der Kunstgeschichte reizvoll gewesen sei.

Präsentiert werden die Exponate in schwarzen säulenartigen Vitrinen, bei denen man einen Deckel abheben muss, um die Handschrift sehen zu können. Damit soll der Besucher selbst zum Entdecker werden. „Am aufregendsten sind Handschriften, wenn man sie aus der Kiste im Archiv holt und am langweiligsten, wenn sie in der Vitrine liegen“, sagt Konrad Heumann, Leiter der Handschriftenabteilung. Deshalb habe man sich das ungewöhnliche Konzept überlegt. Aus dieser Idee der Präsentation kam auch der Ausstellungstitel: Unboxing meint ein Internetphänomen, bei dem YouTuber sich dabei filmen, wie sie Konsumgüter auspacken. Zum Beispiel iPhones.

Dass der Titel aber schon Widerspruch provozieren wird, weil er einen Anglizismus enthält und sich nach Ansicht von Sprachkonservatoren so etwas nicht für das Goethehaus gehört, wurde bereits bei der Pressevorbesichtigung am Donnerstag deutlich. „Unmöglich und anbiederisch“, nannte das eine Kollegin. Ein anderer fand aber, dass der Titel „neugierig“ mache. Auch das ist für das Hochstift eine gewagte Angelegenheit. Bislang soll aber deswegen keiner der Freunde und Förderer seine Hochstift-Mitgliedschaft gekündigt haben. Jedenfalls noch nicht.

Die Ausstellung deckt die Jahre 1780 bis 1830 ab, also einen Großteil von Goethes Leben. Es zeigt das Universalgenie in seinen Rollen als Dichter, Politiker, Schauspiellehrer, Theaterdirektor, Briefeschreiber und Sammler. Das Lieblingsstück von Anne Bohnenkamp-Renken, Direktorin des Hochstifts, ist eines der unscheinbarsten: Eigentlich ist es nur ein winziger Zettel. Ein Ausschnitt aus einer Manuskriptseite, deren größter Teil im Archiv in Weimar liegt. Aber es handelt sich um ein Stück des Faust II. Und der Faust, das ist neben dem West-östlichen Divan Bohnenkamps Lieblingstext. Die Literaturwissenschaftlerin beschäftigt sich seit rund 30 Jahren mit ihm, hat über ihn promoviert und kürzlich eine große kritische Ausgabe erstellt, die digital alle bekannten Handschriften erfasst. Der Schnipsel aus der Manuskriptseite ist eine davon. Auf der Rückseite steht der Spruch: „Wer's mit der Welt nicht lustig nehmen will/Der mag nur seinen Bündel schnüren“. Die Verse fand jemand offenbar so schön, dass er dafür die Seite verschandelte. So etwas würde ein Goethe-Fan heute nicht mehr machen. Aber in den vergangenen zwei Jahrhunderten war das kein Einzelfall. Daher sammelt die Forschung die verstreuten Schnipsel, um möglichst alle Manuskripte zu haben und daraus den Arbeitsprozess rekonstruieren zu können. Das ist mit der Arbeit der Kuratorin Marie Vorländer offenbar gelungen: „Ein echter Erkenntnisgewinn für die Forschung“, sagt Bohnenkamp.

>> Unboxing Goethe, Goethehaus, Großer Hirschgraben 23-25, 29.8.-18.9., Eintritt 7/3 Euro.


>> Das Titelthema des aktuellen JOURNAL FRANKFURT widmet sich ebenfalls der Ausstellung und erzählt die Geschichte von Goethes letztem Besuch in Frankfurt vor 200 Jahren.
 
28. August 2015, 11.32 Uhr
Lukas Gedziorowski
 
 
Fotogalerie:
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