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Archive in der Batschkapp – Verbeugung vor Bach



Archive – abgefahren überschrieben wir im JOURNAL FRANKFURT unsere Konzertvorschau für das Konzert von Archive in der Batschkapp und versprachen: bei Archive ist alles möglich nur keine musikalische Eindeutigkeit. Denn kaum eine aktuelle britische Popband frönt einem solchen Eklektizismus, bringt den aber in einer Selbstverständlichkeit auf die Bühne, dass dabei ein ganz eigener Stil entsteht.

Neun Musiker (wenn ich richtig gezählt habe) umfasst der Tourtross. Sie sind selten alle gemeinsam auf der Bühne, meist ist es der Nukleus von Sieben, mitunter reduziert es sich auf drei, vier, was eben der Song, die Stimmung verlangt. Archive verstehen sich als Kollektiv und jeder hat seinen Job, seine Rolle, ein wunderbares Wechsel- und Zusammenspiel. Man kennt genug Bands, da singen alles solo. Weil keiner der Instrumentalisten auch als Sänger einen ganzen Abend tragen könnte. Archive leistet sich den Luxus, neben den etatmäßigen Sängern (bei auch Gitarrist) Dave Pen und Pollard Berrier noch zusätzliche Solisten für einzelne Spots auf die Bühne zu holen: die ausdrucksstarke Maria Q und den Toaster (nein, Rapper wäre der falsche Ausdruck) Rosko John mit seinen ins Bild passenden Dreadlocks. Alle, egal wie groß ihr Part auf der Bühne ist, sind Komponisten. Und so unterschiedlich die Charaktere schon allein vom Erscheinungsbild sind, so verschieden dürften auch die musikalischen Einflüsse sein, die so Eingang finden in den Gruppenprozess. Und das ist das große Plus von Archive.



So ein Zwei-Stunden-Konzert wie in der bestens besuchten Batschkapp bietet die unterschiedlichsten Möglichkeiten, sich dem Phänomen Archive zu nähern. Selbst wenn man das Sendungsbewusstsein der Band (sicherlich auch politisch motiviert, aber niemals so dröge wie bei sauertöpfischen Kollegen wie Latin Quarter) noch nicht komplett auf Inhalte abgeklopft hat, nicht en detaille weiß, was auf dem Konzeptalbum „Controlling Crowds Part IV“ über Kontrollsucht kommuniziert wird: allein musikalisch passiert da so viel, dass man vollends beschäftigt ist. Das Irre daran: so intelligent Musik und Inhalte sind, von der ersten Sekunde an muss man sich zu diesen Songs bewegen. Schon gleich zu Beginn ein wahres Soundgewitter. Sequencer und Sampler kreieren durchaus auch mal eine Industrial-Atmosphäre, dazu Drums und mit echter Muskelkraft bearbeitete Trommeln erinnern an Tribal Music und Maria Q’s Gesang schafft gleich Nähe.



Was dann – von teilweise spektakulären Visuals untermalt – passiert, ist ein nicht enden wollender Rausch der Sinne und eine Achterbahn der Gefühle, die so vieles assoziieren. Das klingt mitunter wie Pink Floyd auf Speed, Tangerine Dream angereichert mit Drum’n’Bass oder Michael Nyman mit Beats. Rock und Dance gehen hier noch viel genialer zusammen als einst bei Bands wie Republica. Da gibt es einen großen Elektronika-Anteil, aber der wirkt nie frickelig. Post Rock ist präsent, aber nie in den sonst so starren und streng definierten Formen. Múm und Konsorten sind im direkten Vergleich zu spleenig und verspielt, weniger konkret. Proggig ist das Ganze auch, aber nur wenn man der Band nicht wohl gesonnen wäre (was gar nicht geht, wenn man sie so erlebt hat, cool und inbrünstig zugleich), müsste man Namen wie Rush oder Genesis (ohne Peter Gabriel) ins Feld führen. Ganz klar: ist auch orchestrale Musik, aber frei vom Kitsch und Bombast solcher Bands wie Coldplay wenn sie mal in diese Kiste greifen. Und es ist sakrale Musik. Es gibt immer wieder harte Brüche obwohl die Musik wie eine Suite und aus einem Guss wirkt. Dynamik ist ein wichtiges Element – innerhalb der einzelnen Stücke und auch innerhalb des gesamten Programmes. Verbunden werden die einzelnen Programmpunkte von Sounds vom Sampler, Geräusche und Atmos, das gibt es keine Pause. Rosko John ist so ein Kontrast. Bei ihm kommen Offbeats, Dancehall, Dub ist Spiel.



Nach dem Gig gönnen sich die Musiker ihr Chill-out im Pub. Im Elfer wird getrunken, mit Fans geschwätzt, Billard gespielt. Eine gute Chance, Dave eine auf den Nägeln brennende Frage zu stellen: „Kann es sein, dass ihr nicht unmaßgeblicher von deutscher Musik beeinflusst seid? Und ich meine da ganze Bandbreite von Bach über Kraftwerk und Neu bis zu Techno?“. Der Gitarrist verweist an seinen Keyboarder und Darius Keller bekennt: „Ich bin ein riesengroßer Bach-Fan.“ Und Pollard, der die Ballade gesungen hatte unter deren klappernden und rauschenden Soundscapes ich die Akkordfolgen herausgefiltert hatte, die mich an Bach erinnert hatten, mischt sich begeistert ein: „Als wir in Leipzig gespielt haben, ging ich in die Kirche, in der Bach gewirkt hat und habe mich vor ihm verbeugt.“ Für ihn ist er das vielleicht größte Genie der Musikgeschichte.



Fotos: Detlef Kinsler
 
9. Februar 2010, 11.31 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
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