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Arbeiten im Innen- und Außenraum



Morgen eröffnet die 60. Frankfurter Buchmesse. Gastland ist in diesem Jahr die Türkei. „Imaginärer Osten – Imaginärer Westen. Transkulturell denken“ war der Titel eines internationalen Symposiums, das bereits am Wochenende Fragen um das bessere Verständnis des Zusammenhangs zwischen Osten und Westen vorwegnahm, Fragen danach, was denn „der Westen“ und „der Osten“ eigentlich seien, wo die Grenzen zwischen beiden liegen und wer diese definiert.

Ganz ähnliche Fragestellungen behandelt die Ausstellung inside&outside im Atelierfrankfurt. Die „Arbeiten im Innen- und Außenraum“ sind im 4. Obergeschoss des Projekthauses in der Hohenstaufenstraße, unweit der Messe, zu sehen. Junge türkische Künstler aus Frankfurt, Stockholm, Izmir und Istanbul zeigen erstmals gemeinsam ihre Definitionen von Raum – beschreiben in ihren Arbeiten den Dualismus zwischen hier und dort, innen und außen.

„Nach Atelierbesuchen in Izmir und Istanbul haben wir eine Gruppe ausgewählter Künstler eingeladen, ortsbezogene Projekte zum Thema „inside&outside“ einzureichen“, so Mit-Kuratorin Hortense Pisano. „Die Arbeiten wurden größtenteils extra für die Frankfurter Ausstellung neu produziert und vermitteln sehr unterschiedliche konzeptuelle und mediale Ansätze.“

So hat die Künstlergruppe KUTU aus Izmir gleich ihren eigenen Kunstraum für den Ausstellungsraum entwickelt. Die von Borga Kantürk entworfene und von Architekt Evrim Yigit umgesetzte KUTU-Box (ein begehbarer Zylinder aus Wellpappe) dient wechselnden Künstlern als Plattform. Diesmal stellt Gökçe Süvari in der portablen KUTU Art Gallery das aktuelle Künstlerbuch und ein Video ihres Kollegen Mehmet Dere vor. Die zweiteilige Arbeit trägt den Titel „Heim“ und dokumentiert den Umbau eines kleinen Ladens, den der Vater des Künstlers betrieben hatte, zum Kunstkiosk 49A. Im Distrikt Gurcesme/Izmir, der hauptsächlich von ostanatolischen Einwanderern und Roma bewohnt ist und als Ghetto bezeichnet werden kann, übernahm der Kunstkiosk im Laufe der Zeit die Funktion eines interkulturellen Treffpunktes.



Die in Izmir lebende Künstlerin Gökçe Süvari schuf ihrerseits eine großformatige Wandzeichnung. Die Arbeit trägt den Titel „From the Story of the Girl, Lost under the Table“ und erzählt die eigene Herkunft und bewegte Familiengeschichte, geprägt von Gewalt und Vertreibung. Die auf mündlichen Überlieferungen basierenden Textcollagen kontrastieren inhaltlich extrem zu den romantisch bis kindlich verspielten Zeichnungen. Eigens zur Ausstellung erscheint eine ins Deutsche übersetze Publikation der Künstlerin.



Schickt Gökce Süvari ihre Erzählfigur auf eine geistige Wanderschaft von Ex-Yugoslawien in die Türkei, scheint in Borgas Kantürks Installation (Sound und Malerei) die Zeit still zu stehen. „His Master’s Voice and Mihiri Musfik“ rekonstruiert den verblassten Charme eines Korridors zur Zeit der 50er-Jahre. Anziehungspunkt der Installation ist ein ebenfalls rekonstruierter Rekorder auf dem jener von alten Schelllackplatten bekannte Hund namens Nipper thront. In „His Master’s Voice...“ lauscht Nipper dem Remake eines türkischen Schlagers „Unutturamaz Seni Hic Bir Sey!“



Özlem Günyol (*1977) und Mustafa Kunt (*1978) zeigen eine neue großformatige Fotoarbeit. Günyol/ Kunt beschäftigen sich in ihren Arbeiten mit Fragen nach der kulturellen und staatlichen Zugehörigkeit als auch mit politischen und persönlichen Themen. Oft verbirgt sich hinter der sichtbaren Oberfläche ihrer Werke ein zweite Bedeutungsebene. So ist auch der Sternenhimmel ihrer aktuellen Fotoarbeit für das Atelierfrankfurt weniger romantisch als dieser auf den ersten Blick den Anschein hat. Vielmehr symbolisiert er in seiner Anordnung militärische Rangabzeichen und verweist damit auf die teils dunklen politischen Verhältnisse, die in der Türkei und anderswo unter starkem Einfluss der Armee stehen. Beide Künstler sind in Ankara geboren und haben an der Hacettepe Universität in Ankara Bildhauerei studiert. Günyol studierte außerdem von 2001 bis 2006 bei Ayse Erkmen an der Städelschule Frankfurt. Der diesjährigen Preisträger der Jürgen Ponto-Stiftung Mustafa Kunt beendete sein Studium an der Städelschule 2007.

Die Künstler der Ausstellung nähern sich der innen/außen-Thematik nicht nur unter dem Blickwinkel räumlicher, geografischer und politischer Dimensionen. Naneci Yurdagüls eigens für „inside&outside“ entstandene Fotoprintserie verdeutlicht anhand einer Auswahl an Plattencovern, die den populären türkischen Sänger und Dichter Zeki Müren porträtieren, das Verschmelzen von Geschlechtercodes in der türkischen Celebrityszene hin. So betrat Müren bereits in den 60ern im Minirock die Bühne und war bekannt für seine extravaganten Bühnenperformances. Über seine Homosexualität hat sich Müren selbst nie geäußert. Die Glamourwelt der campen Kultur wird in der Türkei unter den Stars zwar geduldet. Auch ist Homosexualität in der türkischen Republik nicht verboten. Doch nach wie vor sind Schwule vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt, wozu der öffentliche Kult um Zeki Müren in krassem Gegensatz steht. Erst vor wenigen Jahren wurde eine Best of Edition seiner Lieder herausgebracht, allerdings mit dem maskulinen Konterfei seiner Anfangsjahre.

Oguz Tatari (*1979) absolviert in Weimar an der Bauhaus-Universität den postgraduierten Studiengang „Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategien“. Tataris Performances und Aktionen ähneln Recherchestudien. Provokant lenkt der Künstler den Blick auf sein gegenwärtiges gesellschaftliches Umfeld. Oft macht er sich Meinungsträger wie Tageszeitungen zu nutze, um Ordnungssysteme zu hinterfragen. In Weimar etwa untersuchte Tatari zusammen mit Ronen Eidelman, ob nicht EU-Bürger, in den Besitz einer Waffe gelangen können. Scheiterte Tataris Aktion „Schützen“ an den strengen Waffengesetzten in Deutschland, fand er für sein Projekt „95qm“ in Frankfurt zahlreiche Teilnehmer. Sechs Wochen lang stellte Tatari sein Gastatelier im Atelierfrankfurt als Kunstraum zur Verfügung. Der Künstler avancierte zum Kurator, der Betrachter zum Künstler. Die in dieser Zeit entstandenen Arbeiten und Veranstaltungen werden jetzt im Gastatelier (3. OG) präsentiert und dokumentiert.

Taner Tümkaya, 1977 in Iskenderun/Türkei geboren, studierte an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste, Städelschule, Frankfurt bei Simon Starling. Er umkreist seine künstlerischen Themen mithilfe der verschiedensten Medien. In seinen konzeptionellen Arbeiten verbinden sich visuelle, linguistische und atmosphärische Strukturen. Das Posterprojekt Taners für die Ausstellung „inside&outside“ bezieht sich auf ein Graffiti, das der Künstler zuerst auf eine Häuserwand in Frankfurt gesprüht und darauf aus seinem Atelierfenster heraus fotografiert hat. Die aktuelle Posterarbeit für den öffentlichen Stadtraum trägt den Titel „I don’t want to die on this planet, because I’am fucking special“.

Kuratiert haben die Ausstellung „inside&outside“ Hortense Pisano und Corinna Thiele.

Fotos: Philip Eichler; Credits: KUTU Art Gallery, Gökce Süvari, Naneci Yurdagül, Borga Kantürk

Atelierfrankfurt, 10.10. - 22.11.08 Do / Fr 17–20, Sa 15–18 Uhr sowie nach Vereinbarung
 
14. Oktober 2008, 17.20 Uhr
Jan-Otto Weber
 
 
Fotogalerie:
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