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Foto: Symbolbild © Adobe Stock/Maridav
Foto: Symbolbild © Adobe Stock/Maridav

Flug nach China

„Ich fühlte mich wie in Einzelhaft“

Eine Frankfurter Flugbegleiterin der Lufthansa berichtet über die Corona-Maßnahmen in Shanghai. Während ihres Aufenthalts im Hotel wurde ihr der Zimmerschlüssel abgenommen, Kontakt zur restlichen Crew gab es nicht.
Die einzigen Laute, die ich höre, sind das Hundegebell, das ich durch das gekippte Hotelzimmerfenster höre. Es bewahrheitet sich, dass der Mensch das grausamste Lebewesen auf unserem Planeten ist. Hier in China wird einem das bewusst. Da ich keine Internetverbindung habe und so auch meine heruntergeladenen Filme nicht ansehen kann, bin ich sehr dankbar, dass ich Bücher und einen Füller und Papier dabei habe, um all dies über meinen Shanghai-Umlauf aufzuschreiben. Ich fühle mich abgeschnitten von der Außenwelt. Immer wieder versuche ich mich mit dem Internet zu verbinden und so Kontakt nach draußen herzustellen - erfolglos. Wenigstens mal ein Lebenszeichen nach Hause schicken. Wenn ich aus meinem Zimmerfenster schaue, sehe ich einen kreisrund angelegten Garten mit Blumen. Um den Blumenkreis ist ein Weg angelegt, auf dem zwei Chinesen in ihren Schutzanzügen die ganze Zeit im Kreis laufen. Der Garten ist so fern, wie der Mond, denn ich darf nicht hinunter.

Hier im Hotel in Shanghai fühle ich mich wie im Gefängnis in Einzelhaft. Für die nächsten 30 Stunden darf ich nicht das Zimmer verlassen, ich darf nicht mal auf den Hotelflur, um mit meiner Kollegin, meiner Zimmernachbarin, zu sprechen – „Strictly forbidden“. Unser Zimmerschlüssel wurde von den Hotelangestellten einbehalten. Ich bin seit vielen Jahren Flugbegleiterin der Lufthansa und in der ganzen Welt unterwegs. Doch noch nie habe ich mich gefühlt wie in einem Gefängnis. Die Corona-Maßnahmen in China sind restriktiv – und davon sind auch wir als Crew nicht verschont. Als ich meinen Dienstplan bekam und den Shanghai-Flug sah, hätte ich die Möglichkeit gehabt, ihn abzulehnen. Viele Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter tun das momentan wegen des strikten Lockdowns, der über die Stadt verhängt wurde.

In Shanghai nach einem Nachtflug gelandet, rollt unser Flugzeug zur Parkposition und dann geht die Warterei los. Es hat bereits der nächste Tag angefangen. Nach 1,5 Stunden dürfen unsere Gäste die Maschine verlassen. Der Aussteigevorgang geht nur langsam voran. Die geschäftigen Chinesen in ihren weißen Overalls und taucherbrillenähnlichen Gesichtsbedeckungen nehmen uns in Empfang. Uns werden Face-Shields und eng anliegende FFP2-Masken überreicht sowie Gummihandschuhe, die wir verpflichtet sind zu tragen. Ansonsten werden wir ermahnt.

Als wir nun endlich das Flugzeug verlassen dürfen, laufen wir den in Schutzanzügen eingepackten Wesen wie eine Schafherde hinterher. Ein Mensch ist definitiv nicht mehr zu erkennen. Wir laufen kilometerweit hinter den Flughafen-Angestellten her. Erster „Checkpoint“: 45 Minuten warten auf die Passkontrolle, dann geht es in einem völlig verdreckten Lastenaufzug einen Stock tiefer, wo wir als nächstes an den PCR-Test-Boxen ebenfalls 30 Minuten warten müssen. Ich habe also genug Zeit, die Hygieneverhältnisse zu scannen. Dreck überall! Die kleinen Test-Reagenzgläschen versinken in einer angeschimmelten Reagenzglashalterung. Dann darf ich auf einem verrosteten Hocker Platz nehmen. Ein eingepacktes Wesen mit Taucherbrille und Face-Shield plus Kopfbedeckung und FFP2-Maske und dreifach übergezogenen Plastikhandschuhen bohrt mir mit dem Teststäbchen derart tief in die Nase, bis mir die Tränen kommen und nochmals tiefer, dann anschließend im Rachen bis zum Würgereiz und trotzdem wird weitergestochert. Wir – die Crew – lassen es über uns ergehen. Die Fahrt zum Hotel geht wegen des Lockdowns schnell.

Bei unserer Ankunft im Hotel bekommen wir ein Tütchen mit zehn weißen Tabletten. Wir werden angewiesen, diese nach dem Stuhlgang in die Toilette zu tun, damit wir mit unseren Fäkalien die Kanalisation nicht mit Viren verseuchen. Außerdem wird uns eine Plastiktüte mit einer Klopapierrolle, einer Zahnbürste und einem Stück Seife, so groß wie ein 2-Euro-Stück und ein Duschgel überreicht. Auf dem Zimmer angelangt, versuche ich mich mit dem Internet zu verbinden – ohne Erfolg. Dann probiere ich, einen Hotelangestellten per Zimmertelefon zu erreichen. Doch die Nummer, die uns Crewmitgliedern bei dringenden Fragen gegeben wurde, funktioniert nicht. Ich frage mich, was wäre, wenn ich ein medizinisches Problem hätte. Auf dem Flur ist keine Menschenseele zu sehen, wenn ich durch den Spion meiner Zimmertür spähe.

Irgendwann steht eine Plastiktüte mit lauwarmem, nach Chlor schmeckendem Essen vor meiner Tür. Alles ist mehrfach in Plastik eingepackt. Ich habe Hunger und esse. Der Teppichboden in meinem Zimmer ist mit Brandlöchern von Zigarettenkippen übersäht. Bald klingelt mein Handywecker und ich bereite mich für den Rückflug vor. Ich habe mich selten so auf den Rückflug gefreut, um meine Kollegen wiederzusehen.

Aufgezeichnet von Jasmin Schülke (der Name der Flugbegleiterin ist der Redaktion bekannt).
 
28. April 2022, 11.37 Uhr
Jasmin Schülke
 
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. – Mehr von Jasmin Schülke >>
 
 
Fotogalerie:
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Text: sie/ktho / Foto: Red
 
 
 
 
 
 
 
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