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Broschüre in Leichter Sprache

Ja sagen können, Nein sagen können

Eine neue Broschüre der Katholischen Erwachsenenbildung klärt Menschen mit einer geistigen Behinderung über sexuelle Gewalt, aber auch über einvernehmlichen Sex auf. Damit sollen die Leser:innen lernen, wann sie „Ja“ sagen und wann sie „Nein“ sagen.
„Auch über Sprache kann man Menschen ausschließen. Für Menschen mit einer geistigen Behinderung ist die Leichte Sprache das gleiche wie die Rampe für einen Rollstuhlfahrer“, erklärt Anne Badmann, Referentin für Bildungsangebote in Leichter Sprache bei der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB). Dort hat man es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen mit einer geistigen Behinderung in Leichter Sprache über Politik, Alltagssituation und den Umgang mit anderen aufzuklären. Nun hat die KEB gemeinsam mit der Koordinationsstelle zur Prävention vor sexualisierter Gewalt im Bistum Limburg, insbesondere mit der Präventionsbeauftragten Silke Arnold, die Broschüre „Ich darf ja sagen – ich darf nein sagen“ herausgebracht. In Leichter Sprache wird darin erklärt, wie man sich gegen sexuelle Übergriffe wehrt, schützt und Hilfe holt; aber auch über den Umgang mit Sexualität, die sich beide Seiten wünschen und die einvernehmlich geschieht, wird informiert.

Den „Ja“-Aspekt hatte Anne Badmann zu Beginn des Projekt gar nicht auf dem Schirm. „Wir waren stolz wie Oskar und die „Nein“-Version war bereits geprüft, da fragten mich Mitarbeiterinnen einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung: 'und was ist mit dem Ja?'“ Badmann überlegte und entschied sich kurzerhand noch eine „Ja“-Version zu machen. Herausgekommen ist dabei ein Wendeheft. Von einer Seite beginnt die „Nein“-Version, dreht man das Heft um, beginnt dort die „Ja“-Version. „Auf diese Weise konnten wir bei einem Heft bleiben und dennoch beide Seiten erklären. Mir war es damit auch wichtig zu zeigen, dass beide Versionen gleichermaßen wichtig sind“, erklärt Badmann.

Häufig werde Menschen mit einer geistigen Behinderung ihre Sexualität abgesprochen, diese aber sei ein Menschenrecht, erklärt Badmann. „Sie bekommen von ihrer Familie oder den Einrichtungen gesagt: 'Das ist nichts für dich!'. Aber das Bedürfnis nach Nähe ist menschlich und Menschen mit einer geistigen Behinderung steht das gleichermaßen zu.“ In der „Ja“-Version der Broschüre bekommen die Leser:innen erklärt, dass Umarmen, Küssen und auch Sex nur stattfinden sollte, wenn beide Beteiligte einverstanden sind und an welche Stellen sie sich wenden können, um sich über Verhütung zu informieren.

Expert:innen in eigener Sache

Die Prüfgruppe der Lebenshilfe im Landkreis Altenkirchen, die die Broschüre auf Verständlichkeit getestet hat, bestand aus sechs bis acht Personen mit einer geistigen Behinderung, die auf die Überprüfung von unterschiedlichen Schriften in Leichter Sprache geschult sind. „Sie sind Experten in eigener Sache. Sie müssen entscheiden, ob etwas verständlich ist oder nicht“, erläutert Badmann. Wichtig sei beim Schreiben in Einfacher Sprache die Schwelle niedrig zu setzen, aber dabei dennoch nicht in Kindersprache zu verfallen. Zudem sei es wichtig, die Seiten nicht mit Text zu überlasten. „Der Zauber liegt darin, sich kurz zu fassen“, sagt Badmann. Personen, die nur wenig oder gar nicht lesen könnten, seien zudem wichtig dafür, auch die Bilder auf Verständlichkeit zu überprüfen. Diese Bilder werden von der Lebenshilfe Bremen bereitgestellt und spiegeln in einfachen Darstellungen den Sachverhalt des Textes wider. Auch dabei achte man darauf, die Zeichnungen nicht kindlich, sondern, genau wie die Leichte Sprache, nüchtern zu gestalten. „Wir haben es mit erwachsenen Menschen zu tun und so sollte man auch mit ihnen umgehen.“

Wie wenig kindlich, die Darstellungen sind, zeigt sich beim Durchblättern der Broschüre: In der „Nein“-Version wird mit einer Zeichnung eine Vergewaltigung angedeutet, eine andere Zeichnung zeigt, wie ein Mann einem anderen Mann in den Schritt fasst. Daneben stehen die Sätze: „Jemand spricht mit mir über Sex. Ich will das nicht. Jemand fasst mich an. Ich will das nicht... Ich darf nein sagen.“ Auch hier erfahren die Leser:innen, wo sie Hilfsangebote finden und an wen sie sich wenden können, wenn sie Opfer von sexueller Gewalt geworden sind. Menschen mit einer geistigen Behinderung werden häufiger Opfer von sexueller Gewalt, deshalb sei es auch wichtig gewesen, zu zeigen, dass diese nicht erst bei einer Vergewaltigung beginne, sondern bereits das Reden über Sex, wenn es der andere nicht wolle, als Übergriff gelte.

Momentan liegen die Broschüren bei Pro Familia, Caritas, Lebenshilfe und anderen Einrichtungen oder Schulen aus. Durch ein blaues Logo auf der Vorderseite, das europaweit Leichte Sprache kennzeichnet, erkennen es Betroffene direkt. „Wir haben erst mal 1000 Exemplare gedruckt. Ich hätte aber auch nichts dagegen nochmal 2000 mehr zu drucken“, sagt Badmann. Für das kommende Jahre plant die KEB eine neue Broschüre, dann zum Thema Bundestagswahl. „Diese Broschüre wird dann sozusagen die Rampe zur Wahlkabine sein“.
 
Fotogalerie:
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5. November 2020, 12.17 Uhr
Johanna Wendel
 
Johanna Wendel
Jahrgang 1993, Technikjournalismus-Studium an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, seit Januar 2019 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Johanna Wendel >>
 
 
 
 
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