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JSUD: Interview mit Ruben Gerczikow
Ein positives Bild des Judentums stärken
Die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) wurde beim World Union of Jewish Students-Kongress zur „Union of the Year“ gewählt. Das JOURNAL FRANKFURT hat mit dem Vorstandsmitglied Ruben Gerczikow unter anderem über die Ziele der JSUD gesprochen.
JOURNAL FRANKFURT: Was bedeutet der Preis für die JSUD?
Ruben Gerczikow: Jede und jeder Aktive der JSUD verdient diesen Preis. Sie opfern ihre Freizeit, um die Organisation kontinuierlich zu unterstützen und Teil von etwas Größerem zu sein. Der Preis gilt allen, nicht nur dem Vorstand.
Die Verleihung des Union of the Year-Award fand im Rahmen des World Union of Jewish Students – WUJS-Congress statt, bei dem studentische Unionen aus ganz Europa anwesend waren. Was konntet ihr von den anderen Unionen lernen? Wo in Europa sehen Sie noch Schwierigkeiten?
Das war der dritte Kongress, an dem ich teilgenommen habe und mir ist aufgefallen, dass wir uns in Deutschland trotz aller Probleme in einer privilegierten Position befinden. In vielen Ländern stehen nicht die gleichen finanziellen Mittel zur Verfügung wie bei uns. Auch der Fokus liegt häufig nicht auf politischen Debatten, sondern eher im kulturellen und gesellschaftlichen Bereich. In England oder Spanien ist die Situation für jüdische Studierende beispielsweise schwieriger und sie haben mit stärkerem Antisemitismus zu tun. Die antiisraelische und antisemitische Organisation BDS (Boycott, Divestment, Sanctions) ist an englischen Universitäten stark vertreten. Von jüdischen Studierenden wird zum Teil verlangt, dass sie sich vom Staat Israel distanzieren, obwohl sie eine andere Staatsangehörigkeit haben. Sowas gibt es auch in Deutschland, wir sind aber auf einem guten Weg. Auch in Frankfurt wird ja viel gemacht. Bürgermeister Uwe Becker (CDU) hat sich aktiv dafür eingesetzt, dass der BDS keine Räumlichkeiten mehr zur Verfügung gestellt werden und Banken, die die BDS unterstützen, nicht mehr unterstützt werden.
Wie gut sind die Organisationen aufgestellt?
Was das ehrenamtliche Engagement angeht, ist bei allen Organisationen Luft nach oben. Manche Organisationen arbeiten mit sechs oder sieben Ehrenamtlichen, unser Aktivenpool beinhaltet um die 100 Personen. Seit einer Umstrukturierung im vergangenen November arbeiten wir projektorientierter, sodass sich die Aktiven wie bei einer Stellenausschreibung für bestimmte Projekte eintragen können. So können sie sich ihre Zeit frei einteilen und an den Projekten teilnehmen, die sie am meisten interessieren. Die Größe der Projektgruppen variiert nach Größe und Umfang der Projektes.
In einem offenen Brief vom Februar 2019 werdet ihr von mehreren Verbänden und Vereinen unter anderem darum gebeten „die Gefahren der Assimilation durch eine Liberalisierung zu erkennen, zu benennen und sich entsprechend zur Wahrung einer jüdischen Zukunft in Deutschland zu positionieren“. Was bedeutet diese Forderung und wie seid ihr damit umgegangen?
Es geht darum, dass prinzipiell Leute, die nicht Teil einer Gemeinde sind, auch nicht teil der JSUD sein sollen. Bei uns war von vornherein klar, dass auch Jüdinnen und Juden, die keiner Gemeinde angehören bei uns mitmachen können. Der Brief hat innerhalb der Jüdischen Gemeinde viele Diskussionen ausgelöst. Im Endeffekt wollen wir aber alle das gleiche: Ein starkes Judentum in Deutschland. Das funktioniert nur gemeinsam. Dieser offene Brief hatte sich allerdings an den alten Vorstand gerichtet. Uns wäre es auch wichtig, die Arbeit in der Gemeinde wieder attraktiver zu machen, sodass auch junge Menschen wieder mitgestalten und die innenjüdische Gemeinschaft stärken. Jüdische Traditionen sollen erhalten bleiben. Gleichzeitig wollen wir die Alltagspolitik mit einer jüdischen Brille betrachten und zeigen, wie vielfältig das Judentum ist.
Fällt es manchmal schwer, jüdische Traditionen und die wandelnde Gesellschaft zu vereinen?
Das ist für uns weniger ein Problem. Dabei ist es auch wichtig zu erwähnen, dass nicht jeder und jede in der JSUD religiös ist. Auch die gesellschaftlichen Veränderungen kann man mit einer jüdischen Brille betrachten. Beispielsweise gibt es bei uns eine Nachhaltigkeits-AG, in der wir uns unter anderem mit dem jüdischen Grundprinzip Bal Tashchit beschäftigen, in dem es darum geht nicht unnötig Essen wegzuwerfen oder verschwenderisch zu sein. Es ist eine Herausforderung, aber grundsätzlich ist es nicht schwierig. Ich habe privat eigentlich keine Probleme damit, jüdische Traditionen und gesellschaftliche Veränderungen zusammenzubringen.
Welche Ziele hat sich die JSUD gesetzt und welche neuen Projekte wird es in Zukunft geben?
Wir sehen uns als junge jüdische Stimme in der Politik. Vergangenes Jahr haben wir eine Tour durch den Bundestag gestartet und uns mit über 30 Abgeordneten getroffen, um unter anderem über ein positives Judentum zu sprechen. Bei dem Begriff „Judentum“ denken die meisten an Antisemitismus, die Shoa und den israelisch-arabischen Konflikt. Es ist aber vielfältiger und positiver als das.
Des Weiteren sind noch viele Prüfungsämter an Universitäten uneinsichtig, wenn es um das Schreibverbot an jüdischen Feiertagen geht. Manche Staatsexamen können nur an eben diesen Tagen geschrieben werden, sodass die Frage besteht: Willst du Anwalt werden oder jüdisch sein? Das wollen wir endlich beenden. Außerdem setzen wir uns für ein Verbot der Hisbollah hin. Sie ist nicht nur eine Gefahr für Israel, sondern auch für die Jüdinnen und Juden in Deutschland, da es immer wieder zu Mordaufrufen für jegliche jüdischen Einrichtungen kommt.
Sind für das kommende Jahr wieder Veranstaltungen der JSUD in Frankfurt geplant?
Vom 18. bis zum 25. Mai findet die zweite jüdische Campuswoche statt. Im vergangenen Jahr fand sie an acht Standorten statt, für dieses Jahr haben sich bereits mehr als 20 Standorte angemeldet. Einer davon wird wieder Frankfurt sein. Es wird Infostände, Filmabende und Einblicke in die Jüdische Kultur geben. Themen wie Antisemitismus und Shoa lassen wir dabei aber bewusst außen vor, um ein positiv behaftetes Bild zu stärken. So wie im letzten Jahr findet vom 3. bis 6. September der Jewish Women Empowerment Summit in Kooperation mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland (ZWST) statt, der auch auf europäischer Ebene ein wirklich großer Erfolg war. Für die deutsch-israelische Studierendenkonferenz, die in Kooperation mit dem Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (JuFo DIG) und dem freien Zusammenschluss von Student*innenschaften (fzs) stattfindet, steht noch kein Termin fest, voraussichtlich wird dies aber im Oktober oder November sein. Dort wollen wir den Austausch zwischen israelischen und deutschen Studierenden stärken und den Kampf gegen BDS vorantreiben.
Ruben Gerczikow: Jede und jeder Aktive der JSUD verdient diesen Preis. Sie opfern ihre Freizeit, um die Organisation kontinuierlich zu unterstützen und Teil von etwas Größerem zu sein. Der Preis gilt allen, nicht nur dem Vorstand.
Die Verleihung des Union of the Year-Award fand im Rahmen des World Union of Jewish Students – WUJS-Congress statt, bei dem studentische Unionen aus ganz Europa anwesend waren. Was konntet ihr von den anderen Unionen lernen? Wo in Europa sehen Sie noch Schwierigkeiten?
Das war der dritte Kongress, an dem ich teilgenommen habe und mir ist aufgefallen, dass wir uns in Deutschland trotz aller Probleme in einer privilegierten Position befinden. In vielen Ländern stehen nicht die gleichen finanziellen Mittel zur Verfügung wie bei uns. Auch der Fokus liegt häufig nicht auf politischen Debatten, sondern eher im kulturellen und gesellschaftlichen Bereich. In England oder Spanien ist die Situation für jüdische Studierende beispielsweise schwieriger und sie haben mit stärkerem Antisemitismus zu tun. Die antiisraelische und antisemitische Organisation BDS (Boycott, Divestment, Sanctions) ist an englischen Universitäten stark vertreten. Von jüdischen Studierenden wird zum Teil verlangt, dass sie sich vom Staat Israel distanzieren, obwohl sie eine andere Staatsangehörigkeit haben. Sowas gibt es auch in Deutschland, wir sind aber auf einem guten Weg. Auch in Frankfurt wird ja viel gemacht. Bürgermeister Uwe Becker (CDU) hat sich aktiv dafür eingesetzt, dass der BDS keine Räumlichkeiten mehr zur Verfügung gestellt werden und Banken, die die BDS unterstützen, nicht mehr unterstützt werden.
Wie gut sind die Organisationen aufgestellt?
Was das ehrenamtliche Engagement angeht, ist bei allen Organisationen Luft nach oben. Manche Organisationen arbeiten mit sechs oder sieben Ehrenamtlichen, unser Aktivenpool beinhaltet um die 100 Personen. Seit einer Umstrukturierung im vergangenen November arbeiten wir projektorientierter, sodass sich die Aktiven wie bei einer Stellenausschreibung für bestimmte Projekte eintragen können. So können sie sich ihre Zeit frei einteilen und an den Projekten teilnehmen, die sie am meisten interessieren. Die Größe der Projektgruppen variiert nach Größe und Umfang der Projektes.
In einem offenen Brief vom Februar 2019 werdet ihr von mehreren Verbänden und Vereinen unter anderem darum gebeten „die Gefahren der Assimilation durch eine Liberalisierung zu erkennen, zu benennen und sich entsprechend zur Wahrung einer jüdischen Zukunft in Deutschland zu positionieren“. Was bedeutet diese Forderung und wie seid ihr damit umgegangen?
Es geht darum, dass prinzipiell Leute, die nicht Teil einer Gemeinde sind, auch nicht teil der JSUD sein sollen. Bei uns war von vornherein klar, dass auch Jüdinnen und Juden, die keiner Gemeinde angehören bei uns mitmachen können. Der Brief hat innerhalb der Jüdischen Gemeinde viele Diskussionen ausgelöst. Im Endeffekt wollen wir aber alle das gleiche: Ein starkes Judentum in Deutschland. Das funktioniert nur gemeinsam. Dieser offene Brief hatte sich allerdings an den alten Vorstand gerichtet. Uns wäre es auch wichtig, die Arbeit in der Gemeinde wieder attraktiver zu machen, sodass auch junge Menschen wieder mitgestalten und die innenjüdische Gemeinschaft stärken. Jüdische Traditionen sollen erhalten bleiben. Gleichzeitig wollen wir die Alltagspolitik mit einer jüdischen Brille betrachten und zeigen, wie vielfältig das Judentum ist.
Fällt es manchmal schwer, jüdische Traditionen und die wandelnde Gesellschaft zu vereinen?
Das ist für uns weniger ein Problem. Dabei ist es auch wichtig zu erwähnen, dass nicht jeder und jede in der JSUD religiös ist. Auch die gesellschaftlichen Veränderungen kann man mit einer jüdischen Brille betrachten. Beispielsweise gibt es bei uns eine Nachhaltigkeits-AG, in der wir uns unter anderem mit dem jüdischen Grundprinzip Bal Tashchit beschäftigen, in dem es darum geht nicht unnötig Essen wegzuwerfen oder verschwenderisch zu sein. Es ist eine Herausforderung, aber grundsätzlich ist es nicht schwierig. Ich habe privat eigentlich keine Probleme damit, jüdische Traditionen und gesellschaftliche Veränderungen zusammenzubringen.
Welche Ziele hat sich die JSUD gesetzt und welche neuen Projekte wird es in Zukunft geben?
Wir sehen uns als junge jüdische Stimme in der Politik. Vergangenes Jahr haben wir eine Tour durch den Bundestag gestartet und uns mit über 30 Abgeordneten getroffen, um unter anderem über ein positives Judentum zu sprechen. Bei dem Begriff „Judentum“ denken die meisten an Antisemitismus, die Shoa und den israelisch-arabischen Konflikt. Es ist aber vielfältiger und positiver als das.
Des Weiteren sind noch viele Prüfungsämter an Universitäten uneinsichtig, wenn es um das Schreibverbot an jüdischen Feiertagen geht. Manche Staatsexamen können nur an eben diesen Tagen geschrieben werden, sodass die Frage besteht: Willst du Anwalt werden oder jüdisch sein? Das wollen wir endlich beenden. Außerdem setzen wir uns für ein Verbot der Hisbollah hin. Sie ist nicht nur eine Gefahr für Israel, sondern auch für die Jüdinnen und Juden in Deutschland, da es immer wieder zu Mordaufrufen für jegliche jüdischen Einrichtungen kommt.
Sind für das kommende Jahr wieder Veranstaltungen der JSUD in Frankfurt geplant?
Vom 18. bis zum 25. Mai findet die zweite jüdische Campuswoche statt. Im vergangenen Jahr fand sie an acht Standorten statt, für dieses Jahr haben sich bereits mehr als 20 Standorte angemeldet. Einer davon wird wieder Frankfurt sein. Es wird Infostände, Filmabende und Einblicke in die Jüdische Kultur geben. Themen wie Antisemitismus und Shoa lassen wir dabei aber bewusst außen vor, um ein positiv behaftetes Bild zu stärken. So wie im letzten Jahr findet vom 3. bis 6. September der Jewish Women Empowerment Summit in Kooperation mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland (ZWST) statt, der auch auf europäischer Ebene ein wirklich großer Erfolg war. Für die deutsch-israelische Studierendenkonferenz, die in Kooperation mit dem Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (JuFo DIG) und dem freien Zusammenschluss von Student*innenschaften (fzs) stattfindet, steht noch kein Termin fest, voraussichtlich wird dies aber im Oktober oder November sein. Dort wollen wir den Austausch zwischen israelischen und deutschen Studierenden stärken und den Kampf gegen BDS vorantreiben.
6. Januar 2020, 13.04 Uhr
Johanna Wendel
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