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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

FCK AFD: Auf der Buchmesse mit Nico Wehnemann

Kein Bock auf Nazis

Nico Wehnemann will über Rechte reden, nur so lasse sich Populismus bekämpfen. Wir haben den Vorsitzenden der Partei DIE PARTEI Frankfurt einen Nachmittag auf der Buchmesse begleitet.
„Wozu sollte man mit Rechten reden? Mit Rechten zu reden, hat noch nie etwas gebracht, das zeigt die Geschichte. Deshalb wollen wir lieber über Rechte reden.“ Nico Wehnemann sagt das mit einer Selbstverständlichkeit, wie sie nur jemand aufbringen kann, der schon eine Weile mit diesem Thema zu tun hat. Mit Nonchalance öffnet er eine Flasche Bier, trinkt einen kräftigen Schluck und fährt mit seinen Ausführungen über den Kampf gegen Rassismus und der Arbeit der Partei DIE PARTEI fort. Wir treffen uns während der Buchmesse, in einem kleinen Hinterzimmer am Stand des Caricatura-Museums. Dort scheinen andere Gesetze zu gelten, als an den übrigen Messeständen. Details, das muss ich versprechen, verrate ich nicht. Nur so viel: Es wird viel getrunken, noch mehr diskutiert und es herrscht eine beinahe aphrodisierende Aufbruchsstimmung. Martin Sonneborn, Europa-Abgeordneter der PARTEI wird erwartet, er wird später noch als Graf von Stauffenberg versuchen, die Lesung des AfD-Politikers Björn – pardon – Bernd Höckes zu sprengen.

Doch zunächst unterhalten wir uns weiter: über die Luxusprobleme der Deutschen, Menschen mit echten Problemen und die Angst der großen Parteien vor der AfD. „Das aktuelle Verhalten der großen Parteien ist demokratiefeindlich,“ sagt Wehnemann. „Die Volksparteien haben Angst vor der AfD und versuchen deshalb kategorisch, kleine Parteien zu unterbinden.“ Er setze sich ein für eine Politik, die den Menschen helfe, die sich alleine nicht wehren können: „Deutschland ist unglaublich reich. Wir brechen uns keinen Zacken aus der Krone, wenn wir die Menschen unterstützen, die wenig haben. Wir leben in einem Land, das sich mit seinen christlichen Werten brüstet. Gleichzeitig werden jeden Tag grundlegende Menschenrechte verletzt.“ Als Stadtverordneter der PARTEI sehe er es als seine Aufgabe an, störende Fragen zu stellen, denn nur so lasse sich verhindern, dass man sich in der Regierungskoalition gegenseitig „die Bälle zuspiele“, um unbequemen Situationen aus dem Weg zu gehen.



Mit Nico Wehnemann und Martin Sonneborn unterwegs auf der Buchmesse. © Harald Schröder

Dass er stören kann, hat Nico Wehnemann schon zu Genüge unter Beweis gestellt. Während der Buchmesse 2017 war er in die Tumulte zwischen rechten und linken Verlagen involviert, mit Mitgliedern des Protestbündnisses Attac besetzte er erst kürzlich die Paulskirche. In Polyesteranzug, die FCK-AFD-Anstecknadel gut sichtbar am Revers, läuft er auch 2018 wieder über die Messe und steuert zielsicher den Stand der Rechtsaußen-Zeitung Jungen Freiheit an. Dort möchte er Flyer für seine Veranstaltung „Über Rechte reden“ verteilen. Man empfängt uns mit eher verhaltener Begeisterung. Um genau zu sein werden wir, noch bevor wir den Stand erreicht haben, vehement aufgefordert, zu gehen. Ein Mitarbeiter der Jungen Freiheit schubst Wehnemann weg, als dieser für unseren Fotografen posieren möchte. „Mit Ihnen möchte ich ohnehin nicht sprechen, Sie sind ja rechts,“ entgegnet Nico Wehnemann trocken, macht auf dem Absatz kehrt und schlendert weiter zu einer leicht gelang- weilt wirkenden Gruppe Polizisten. Meine journalistische Neugierde ist geweckt, ich spreche spontan einen sehr nervös wirkenden Herrn am Stand an, der sich mir auf Nachfrage mit sichtbarer Irritation als Bastian Behrens vorstellt.

Wie ich später erfahre, ist Herr Behrens Autor von Artikeln wie „Die Grünen werden heute von Prada-Jacken-Trägerinnen gewählt“ und „Frankfurter Buchmesse steckt unbequeme Verlage ins Ghetto“. Nachträglich frage ich mich, ob Herr Behrens schon mal eine Prada-Jacke gesehen hat. Oder weiß, was ein Ghetto ist. Zumindest zu letzterem sollte er sich dringend von einem Historiker aufklären lassen. Auf meine Frage, wo er sich selbst politisch einordnen würde, antwortet er knapp: „Konservativ.“ Als ich nachhake und erfahren möchte, wo der Unterschied zwischen konservativ und rechts sei, stammelt er, das sei eine Selbstdefinition und er müsse sich vor mir nicht rechtfertigen. Dann werde auch ich aufgefordert, zu gehen.



Mit Nico Wehnemann und Martin Sonneborn unterwegs auf der Buchmesse. © Harald Schröder

Nico Wehnemann ist da bereits einige Stände weitergezogen und verteilt fleißig seine Flyer. Ob er nicht glaube, in einer der großen Parteien mehr bewirken zu können, frage ich ihn bei unserem Messespaziergang. „DIE PARTEI ist zwar ein Witz des Titanic-Magazins und sollte es irgendwann nicht mehr funktionieren, sind wir durchaus gewillt, das Experiment einzustellen. Aber wir konnten als kleine Partei bereits einiges bewirken und haben diverse Gesetzgebungsverfahren massiv beeinflusst,“ lautet seine Antwort. „Die großen Parteien haben Systeme mit Karriereleitern; es geht um Seilschaften, Macht und Kontakte. Bei so einem Spiel möchte ich nicht mitmachen. Wir haben ein eigenes System entwickelt, über das ich aber nicht sprechen möchte.“ Beim Kampf gegen Rechtspopulismus ist er dafür umso engagierter dabei: „Die AfD verspricht einfache Lösungen und die werden gerne schnell angenommen – auch, wenn sie nicht zu halten sind. Ich habe selten dümmere Argumentationen gehört. Wir wollen die Rechten separieren – und zerstören.“

Mittlerweile sind wir in Nähe des Konferenzraums angelangt, in der Höcke sein neues Buch vorstellen wird. Sonneborn will dort eine Aktentasche ablegen, wie einst Stauffenberg bei Adolf Hitler. Die Polizei lässt uns nicht passieren, dafür wimmelt es auf einmal vor Journalisten und Fotografen. Alle Objektive richten sich auf die kleine PARTEI-Truppe, morgen werden die Fotos von Graf von Stauffenberg sämtlichen Tageszeitungen zu sehen sein. Nico Wehnemann hat es geschafft: alle reden über Rechte. Nicht mit ihnen.

Dieser Artikel erschien erstmalig in der Ausgabe 11/2018 des JOURNAL FRANKFURT.
 
29. November 2018, 09.20 Uhr
Ronja Merkel
 
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. – Mehr von Ronja Merkel >>
 
 
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