Foto: Die Paulskirche © Dirk Ostermeier
Paulskirche Frankfurt

Von Lust und Leid der Demokratie

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Vom 15. bis 18. Mai finden in der Frankfurter Paulskirche die „Passionsspiele der Demokratie“ statt. Worum es geht, erklärt der künstlerische Leiter Peter Michalzik im Interview.

Jasmin Schülke /

Demokratie ist nicht selbstverständlich. Sie ist kein Konsumprodukt. Demokratie bedeutet, sich für Freiheit und Gleichheit einzusetzen. Wer (fast) einen ganzen Tag unserer Staatsform widmen möchte, hat dazu im Mai in der Paulskirche Gelegenheit. Am 18. Mai 1848 versammelten sich dort die Mitglieder des ersten gesamtdeutschen Parlaments, um über eine freiheitliche Verfassung und die Bildung eines deutschen Nationalstaats zu beraten. Darum soll es auch bei den Passionsspielen gehen.

JOURNAL FRANKFURT: Herr Michalzik, bei Passionsspielen, die bekanntesten finden in Oberammergau statt, geht es um das Leiden und Sterben Christi. Was sind die Passionsspiele der Demokratie?
Peter Michalzik: Sie sind ein Spiel von Lust und Leid an der Demokratie. Es gibt, wie wir gerade heute wissen, viele Gründe, warum man unter der Demokratie leiden kann. Und die Lust: Wir freuen uns, dass wir in einer freien Welt leben.

Was meinen Sie genau mit Leid an der der Demokratie?
Der zentrale Mechanismus unserer Demokratie ist die Wahl. Es geschehen aber auch in Wahlen Dinge, bei denen wir wissen, dass sie falsch sind. Die Leute wählen oft nicht in ihrem Interesse. Das tut weh. Eigentlich möchte man, dass die Menschen entscheiden, ein möglich gutes Leben zu führen. Dass sie sich, vielleicht aus Zorn, manchmal anders entscheiden, tut weh.

Sie spielen auf die Stärke der AfD an.
Das habe ich nicht gesagt. Ich meine auch mehr. Ich sehe es nicht als unsere Aufgabe, politische Statements zu einzelnen Parteien zu geben.

„Der heimliche Star der Veranstaltung ist die Paulskirche“

Was wird im Mai bei den Passionsspielen der Demokratie passieren?
Stellen wir uns vor, es ist ein heißer Tag im Mai. Man trifft sich vor der Paulskirche oder ist bei der Prozession von der Naxoshalle zur Paulskirche mitgegangen. Auf dem Vorplatz sind Fahnenschwenker aus Linsengericht. Innen entfaltet sich dann ein vielfältiges Spiel. Der heimliche Star der Veranstaltung ist die Paulskirche. Der Geist des Ortes soll möglichst gut wiederbelebt werden. Das Ereignis von 1848 wird sich in vier Akten entfalten. Es geht um Einblicke in politische Prozesse, die man nicht immer hat. Ich selbst habe mit 1848 Dinge verstanden, die ich vorher nicht wusste.

Außerdem gibt es auch eine heutige Ebene, oder?
Ja. Wir haben viele Zwischenspiele integriert, mit ganz unterschiedlichen Personengruppen aus Frankfurt und Umgebung. Insgesamt nehmen etwa 200 Menschen teil. In diesen Spielen versuchen wir die heutige Situation der Demokratie mit den Bürgern unter die Lupe zu nehmen.

Sie sagen, dass es erstaunlicherweise bislang kein Theaterstück zu den historischen Ereignissen in der Paulskirche gibt.
Ja, das ist interessant. Es gibt bis heute kein Theaterstück, dass sich mit der Nationalversammlung von 1848 auseinandersetzt. Manche nehmen es als Zeitkolorit. Aber der beginnende Prozess der Demokratie kommt nicht vor. Es gibt ein Stück von Walter Böhlich. Das ist allerdings nie aufgeführt worden. Unseres wird das erste sein.

„Die Idee ist entstanden, bevor die Demokratie zum großen Thema wurde“

Wie kam es zur Idee der Passionsspiele der Demokratie?
Viele Faktoren haben dabei eine Rolle gespielt. Die Idee ist entstanden, bevor die Demokratie zum großen Thema wurde. Ein persönlicher Beweggrund dabei war, dass ich eine kleine Rede in der Paulskirche halten durfte und gespürt habe, welche Kraft mir der Ort gibt. Dann die Diskussionen um das Haus der Demokratie. Da steht ja immer die große Frage im Raum, was denn da rein soll. Aber: Was können wir Besseres tun, als die Paulskirche lebendig werden zu lassen. Man muss die Demokratie lieben und verteidigen und auch feiern. Gibt es einen besseren Ort dafür?

Info
Weitere Informationen zum Programm und Tickets: passionsspielederdemokratie.de

Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt.
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