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Zeitzeugengespräch mit Anita Lasker-Wallfisch
„Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, ein normaler Mensch zu werden“
Anita Lasker-Wallfisch, eine der letzten Überlebenden des Konzentrationslagers in Auschwitz erzählt vor Schülern der Strothoff- und der Weibelfeldschule über ihre Erlebnisse im KZ.
Klein wirkt die 86-jährige, aber nicht zerbrechlich, sondern ausgesprochen kraftvoll und präsent. Die Worte die sie spricht, sind echt und bewegend. Sie liest aus ihrem Buch „Ihr sollt die Wahrheit erben“ einige aufrüttelnde Passagen, wirkt beinahe gelassen, als sie über ihre kurze Kindheit spricht und wie sie beendet wurde, als Kinder begannen, sie als „Juden“ zu beschimpfen und sie auf offener Straße bespuckten. Als sie 16 war, wurden ihr die Eltern genommen. Über ihre Zeit im Konzentrationslager wollte sie lange nicht sprechen: „Ich habe einfach aufgehört Deutsch zu sprechen, habe es durch Französisch ersetzt, bin nach London gegangen.“ Alles, was mit Deutschland zu tun hatte, sei ihr ein Graus gewesen. Reisen in ihre frühere Heimat kamen schon gar nicht in Frage. Bis das Orchester, in dem sie als Cellistin spielte, eine Reise nach Celle plante – ganz in der Nähe von Bergen-Belsen - jenem KZ, in das sie zu erst deportiert wurde. Plötzlich war ihr Interesse geweckt, sie entschied sich, nach 40 Jahren nach Deutschland zurückzukehren.
Wieder zurück in London begann sie die Arbeit an ihrem Buch über ihre Erfahrungen und Erlebnisse in den Konzentrationslagern. Nach Erscheinen des Bandes wurde sie als Zeitzeugin immer öfter zu Gesprächen eingeladen. Heute sagt sie, dass es ihr vor allem wichtig sei, dass die Jugend lerne sich gut zu benehmen und Fehler nicht zu wiederholen: „Das bedeutet aber nicht, dass ihr aufhören sollt zu denken. Ihr sollt euer Gehirn benutzen und nicht zu viel Respekt vor vermeintlich wichtigen Menschen haben. Was heißt denn überhaupt wichtig ?“ Diese Folgsamkeit sei bedenklich.
Die Strothoff-Schüler erfuhren in dem Gespräch auch, dass Frau Lasker-Wallfisch aus einer sehr gebildeten Familie stammt. Ihr Vater war Rechtsanwalt und Notar beim Oberlandesgericht, ihre Mutter eine berühmte Geigerin. Alle drei Schwestern, sie davon die jüngste, hatten ein Instrument lernen müssen, jeden Sonntag wurde ausschließlich Französisch gesprochen. Das sie ein Instrument spielen konnte, rettete ihr das Leben: als sie nach Auschwitz kam, erwähnte sie, dass sie Cello spiele und wurde in das Mädchenorchester eingeteilt.
Die Idee, die Dame an die Privatschule nach Dreieich einzuladen, kam bei der Unterrichtseinheit „Literature - Critical Studies“ auf, in der die Schüler das Buch „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink aufarbeiteten. Deutschlehrerin Marion Boos hatte überlegt, wie man den Schülern die Zeit und die Geschehnisse des Holocausts anders als bisher näherbringen können. „Anders als Geschichtsbücher, haben Zeitzeugen eine viel größere Authentizität“, so Boos.
Anita Lasker-Wallfisch erzählt hingegen, dass sie ihren eignen Kindern nie von ihren Erlebnissen erzählt habe. Sie habe ihnen nicht den Kopf verdrehen wollen, sie sollten sich ihr eigenes Bild schaffen. „Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, ein normaler Mensch zu werden“, sagt Lasker-Wallfisch über ihre Zeit nach Auschwitz. Sie wird auch in Zukunft junge Menschen dazu anhalten, ihr jede Frage zu stellen, die sie stellen möchten – „denn es gibt nicht mehr so viele Gelegenheiten jemanden zu fragen, der mit dabei war.“
Wieder zurück in London begann sie die Arbeit an ihrem Buch über ihre Erfahrungen und Erlebnisse in den Konzentrationslagern. Nach Erscheinen des Bandes wurde sie als Zeitzeugin immer öfter zu Gesprächen eingeladen. Heute sagt sie, dass es ihr vor allem wichtig sei, dass die Jugend lerne sich gut zu benehmen und Fehler nicht zu wiederholen: „Das bedeutet aber nicht, dass ihr aufhören sollt zu denken. Ihr sollt euer Gehirn benutzen und nicht zu viel Respekt vor vermeintlich wichtigen Menschen haben. Was heißt denn überhaupt wichtig ?“ Diese Folgsamkeit sei bedenklich.
Die Strothoff-Schüler erfuhren in dem Gespräch auch, dass Frau Lasker-Wallfisch aus einer sehr gebildeten Familie stammt. Ihr Vater war Rechtsanwalt und Notar beim Oberlandesgericht, ihre Mutter eine berühmte Geigerin. Alle drei Schwestern, sie davon die jüngste, hatten ein Instrument lernen müssen, jeden Sonntag wurde ausschließlich Französisch gesprochen. Das sie ein Instrument spielen konnte, rettete ihr das Leben: als sie nach Auschwitz kam, erwähnte sie, dass sie Cello spiele und wurde in das Mädchenorchester eingeteilt.
Die Idee, die Dame an die Privatschule nach Dreieich einzuladen, kam bei der Unterrichtseinheit „Literature - Critical Studies“ auf, in der die Schüler das Buch „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink aufarbeiteten. Deutschlehrerin Marion Boos hatte überlegt, wie man den Schülern die Zeit und die Geschehnisse des Holocausts anders als bisher näherbringen können. „Anders als Geschichtsbücher, haben Zeitzeugen eine viel größere Authentizität“, so Boos.
Anita Lasker-Wallfisch erzählt hingegen, dass sie ihren eignen Kindern nie von ihren Erlebnissen erzählt habe. Sie habe ihnen nicht den Kopf verdrehen wollen, sie sollten sich ihr eigenes Bild schaffen. „Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, ein normaler Mensch zu werden“, sagt Lasker-Wallfisch über ihre Zeit nach Auschwitz. Sie wird auch in Zukunft junge Menschen dazu anhalten, ihr jede Frage zu stellen, die sie stellen möchten – „denn es gibt nicht mehr so viele Gelegenheiten jemanden zu fragen, der mit dabei war.“
16. Februar 2012, 11.15 Uhr
Annika Schlendermann
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