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Yoko und John wieder vereint
Room Number 702, Hilton-Hotel, Amsterdam. John Lennon und Yoko Ono sitzen im Bett. Sieben Tage lang. Für den Frieden. Über ihren Köpfen hängen zwei Schilder: „Hair Peace“ und „Bed Peace“.
Das waren noch Zeiten. Die Jugend kämpfte für ihre Ideale, überall hingen Peace-Zeichen an den Wänden und ein leichter Marihuana-Duft erfüllte die Luft. Ja, 1968 muss schon aufregend gewesen sein. Ich wünschte manchmal, ich wäre dabei gewesen.
Und siehe da - die Möglichkeit wird mir geboten, mit viel Fantasie jedenfalls. Das Radio Bob veranstaltet 40 Jahre später eine Hommage an das Bed-In und den in Daunenfedern gehüllten Protest. Nach Amsterdam fahren muss ich dafür nicht. Also schon mal kein Hasch an jeder Ecke, was das ganze authentischer gemacht – und die Fantasie angeregt hätte.
In der Vorhalle des Frankfurter Hiltons sitzt eine Gruppe von Menschen: ohne Blumen im Haar, ohne bunte Batik-T-Shirts. Schade. Ein gläserner Fahrstuhl katapultiert uns in den zwölften Stock. Dann durch einen langen Gang bis zur Kennedy-Suite. Drinnen hört man Gelächter, der Mann, der öffnet, macht einen beschwipsten Eindruck. Na, also, denke ich: Wir kommen den 60ern schon näher.
Im Zimmer laufen zu Beginn der Veranstaltung noch drei Männer in Pyjamas herum. Wer von euch soll Yoko Ono sein? Ich bin verwirrt. Dann die Aufklärung: Das sind die Manager der Hotels, welche zu Ehren der Kultikonen in Schlafanzügen rumlaufen. Für Hotelmanager schon ziemlich cool. Aber auch marketingmäßig klug.
Die Präsidentensuite ist – nun ja, sehr hell. Das Bett sieht verdammt gemütlich aus, im Gegensatz zum Rest. Ich bin etwas enttäuscht. Ein Präsident erwartet doch sicher mehr. Eine reiche, arabische Familie wohl aber nicht. Diese mieten die Suite nach Aussagen eines Insiders hauptsächlich.
Auf dem Bett: „Yoko Ono“, in langen roten Haaren. Waren die nicht Schwarz? „John Lennon“ mit Bart und kurzen Haaren. Über ihren Köpfen zwei Schilder: „Hair Peace“ und „Bed Peace“. Vielleicht mutieren ihre Haare ja noch über Nacht. Aber die Pyjamas sind schon mal klasse.
Trotzdem, es könnte alles sehr echt aussehen – wenn der Sender Bob nicht seine halbe Radiostation in der Suite untergebracht hätte, um von dort zu senden. An den Fenstern: Fotos von John und Yoko. Elmar Welge hat sie geschossen und er ist heute auch hier. Welch Ehre. Ich lerne nicht John Lennon kennen, aber den Mann, der ihn kannte.
Während eines Gesprächs mit ihm stehen wir vor seinen Bildern. Die beiden sehen uns an. Für mich ist dieser Mann mehr Mythos als Beatle. Elmar Welge hingegen ist echt.
Alles sei ziemlich ähnlich wie damals. Den ganzen Tag über Presse im Zimmer, eine vergleichbare Location. „Yoko Ono war unsterblich verliebt in John und hat ihn aus seiner Krise herausgeholt“, erzählt Elmar Welge. Nachdem die Beatles sich 1969 getrennt hatten, sei John lange Hausmann gewesen. Dank ihr habe er wieder mit der Musik angefangen. Die Stimmung soll toll gewesen sein. Die Luft voller Liebe, mit einem frisch verheirateten Pärchen. Was hinter der ganzen Bettgeschichte gesteckt habe? Eine Mischung aus einem ernsten Protest, einer PR-Aktion und Spaß. Wie kleine Kinder sollen sie Kissenschlachten ausgetragen haben.
Der Fotograf ist 1966 mit Lennon auf Tour gewesen. Also wurde er als einziger deutscher Pressefotograf eingeladen. „Ich fuhr mit quietschenden Reifen los nach Holland und verbrachte fast einen Tag im Zimmer“, erinnert er sich. Sympathisch sei John gewesen, aber auch sehr kompliziert. „Einerseits war er wie ein Kumpel und sehr lustig“, erzählt er. „Aber gleichzeitig hat er auch provoziert.“
Das Christentum werde abtreten. Es werde verschwinden, habe Lennon prophezeit. Und weiter: „Ich brauche keine Argumente dafür, ich habe recht, und es wird sich erweisen, dass ich recht habe. Die Beatles sind jetzt beliebter als Jesus; ich weiß nicht, was zuerst verschwinden wird – Rock’n’Roll oder das Christentum.“
Die Moderatoren diskutieren derweil: über damals und heute. Über Zeitgeist und Gewalt. Über den Mauerfall und die Weltmeisterschaft von 2006. Ja, die werden in einem Atemzug genannt. Ajit Thamburaj, freier Mitarbeiter bei Attac, ist auch da. Er meint, dass an beiden Ereignissen Deutschland noch mal von der Welle des gemeinsamen Gedankens gepackt wurde. Von dem Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Trotzdem: Die Jugend ist eingefroren. Der Kinderarzt Werner Strahl ist ebenso als Zeitzeuge vor Ort: „Damals konnte man nicht studieren, ohne politische Farbe zu zeigen“, erklärt er.
Politische Farbe würde uns ganz gut tun. Auch ein neuer John Lennon, der eine Bewegung vorantreibt. Ich fühle mich wie ein Biedermeier, wenn ich die Geschichten dieser Zeit höre. Sind wir zu abgelenkt oder behütet, in einer augenscheinlich klarstrukturierten Demokratie? Haben wir alle unseren Glauben verloren, etwas ändern zu können? Bestimmt nicht wir alle, als dass wir unsere Generation als hoffnungslosen Fall bezeichnen können. Doch sind es zu wenige, um das Gegenteil zu beweisen.
24. März 2009, 08.58 Uhr
Melina Kalfelis
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