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Vor Gericht: Lappen weg
Der Führerschein von Herrn K. wurde ausgestellt von der Dampfkesselüberwachung. Die war seinerzeit für so etwas zuständig. Das war 1936. Das graue, abgegriffene Dokument war schon überall. In Russland, zum Beispiel, während des Kriegs. Mit Herrn K. zusammen. Das Problem ist: Herr K., mittlerweile 94 Jahre alt, hat den Lappen noch immer und will ihn auch nicht hergeben, zunächst jedenfalls. Vor dem Frankfurter Amtsgericht steht er, weil er auf der Mainzer Landstraße an einer Engstelle ein anderes Fahrzeug gestreift und anschließend weitergefahren sein soll.
Davon wisse er nichts, sagt Herr K., ein Bilderbuch von einem Senior, mit weißem Haarkranz und Krawatte. Ja eben, sagt der Richter, davon wisse Herr K. nichts, deswegen sei er ja hier. Es gehe nicht darum, ihn, Herrn K., zu bestrafen, sondern darum, dass er künftig kein Auto mehr fahre. Die Kommunikation zwischen Herrn K. und dem Rest der Welt ist erheblich eingeschränkt, weswegen ein Betreuer neben ihm sitzt und lautstark wiederholt, was man ihn fragt. Herr K. hat drei Kinder, keines davon ist zur Verhandlung erschienen, und um sich um ihn zu kümmern, fehlt offenbar auch die Zeit.
Nicht nur die Ohren, auch die Augen scheinen übrigens nicht mehr die besten zu sein. Ob er sein Hörgerät bei dem Unfall eingeschaltet hatte, weiß Herr K. nicht mehr, aber dass er seit 75 Jahren problemlos Auto fährt, das schon. Nun ja, in der letzten Zeit hätte es da mal den einen oder anderen Vorfall gegeben, aber sonst ... Der Richter bleibt freundlich und gelassen; schließlich gelingt es ihm, Herrn K., einen pensionierten Polizisten („früher Reichswehr“, so K.), zu überzeugen, seinen Führerschein freiwillig abzugeben. Im Gegenzug stellt er das Fahrerflucht-Verfahren wegen Geringfügigkeit ein. „Wenn wir jetzt da runtergehen“, hat Herr K. zuvor zur Staatsanwältin gesagt, „fahre ich Sie, wohin Sie wollen.“ Irgendwie beruhigend, dass das jetzt nicht mehr geht.
Erschienen im Journal Frankfurt, 13/2008
Davon wisse er nichts, sagt Herr K., ein Bilderbuch von einem Senior, mit weißem Haarkranz und Krawatte. Ja eben, sagt der Richter, davon wisse Herr K. nichts, deswegen sei er ja hier. Es gehe nicht darum, ihn, Herrn K., zu bestrafen, sondern darum, dass er künftig kein Auto mehr fahre. Die Kommunikation zwischen Herrn K. und dem Rest der Welt ist erheblich eingeschränkt, weswegen ein Betreuer neben ihm sitzt und lautstark wiederholt, was man ihn fragt. Herr K. hat drei Kinder, keines davon ist zur Verhandlung erschienen, und um sich um ihn zu kümmern, fehlt offenbar auch die Zeit.
Nicht nur die Ohren, auch die Augen scheinen übrigens nicht mehr die besten zu sein. Ob er sein Hörgerät bei dem Unfall eingeschaltet hatte, weiß Herr K. nicht mehr, aber dass er seit 75 Jahren problemlos Auto fährt, das schon. Nun ja, in der letzten Zeit hätte es da mal den einen oder anderen Vorfall gegeben, aber sonst ... Der Richter bleibt freundlich und gelassen; schließlich gelingt es ihm, Herrn K., einen pensionierten Polizisten („früher Reichswehr“, so K.), zu überzeugen, seinen Führerschein freiwillig abzugeben. Im Gegenzug stellt er das Fahrerflucht-Verfahren wegen Geringfügigkeit ein. „Wenn wir jetzt da runtergehen“, hat Herr K. zuvor zur Staatsanwältin gesagt, „fahre ich Sie, wohin Sie wollen.“ Irgendwie beruhigend, dass das jetzt nicht mehr geht.
Erschienen im Journal Frankfurt, 13/2008
4. November 2008, 11.31 Uhr
Christoph Schröder
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